Sterbehilfe

Rätsel um Zurückweisung von Klage gegen § 217 StGB

Eine Meldung von letzter Woche. Im Deutschlandfunk hieß es: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe "Klagen gegen das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe in Deutschland abgewiesen." Begründung: Keine Aussicht auf Erfolg. Dies vermochte die humanistische Szene aufzuschrecken. Schließlich erhoffen sich Befürworter des selbstbestimmten Lebensendes, dass Karlsruhe umgekehrt den verfassungsrechtlichen Beschwerden gegen den 2015 eingeführten Strafrechtsparagraphen 217 stattgibt. Sorgfältige Recherchen des hpd ergaben nun: Der Deutschlandfunk hat zumindest grob irreführend, wenn nicht fehlerhaft berichtet.

Wörtlich hieß es dort: "Insgesamt liegen in Karlsruhe 13 Verfassungsbeschwerden gegen das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe vor. Dahinter stehen Sterbehilfe-Organisationen, schwerkranke Patienten, Ärzte und Pfleger. Derzeit drohen bis zu drei Jahre Haft, wenn jemand einem anderen geschäftsmäßig ein tödliches Medikament zur Verfügung stellt." 

Niemand kannte klagende Medizinprofessoren und Ärztinnen

Die Zurückweisung galt, wie die Märkische Onlinezeitung (MOZ) ergänzt, "einer Gruppe von Medizinern und Professoren". Ihre Klage war laut Bundesverfassungsgericht unzureichend begründet. Einem weiteren Einzelkläger habe es an der direkten Betroffenheit gefehlt (Az. 2 BvR 2492/16 u.a.). Um welche Inhalte soll es gegangen sein? "Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen den neuen Paragrafen 217 im Strafgesetzbuch. Seit Dezember 2015 verbietet er Sterbehilfe als Dienstleistung. Wer einem Anderen geschäftsmäßig ein tödliches Medikament zur Verfügung stellt, dem drohen bis zu drei Jahre Haft", so die MOZ

Der Veröffentlichung der abweisenden Entscheidung des BVerfG vom 20.7.2017 ist folgendes zu entnehmen: Insgesamt 5 Medizinprofessoren, 3 Ärztinnen und eine Sozialpädagogin haben gegen die Verfasungsmäßigkeit des § 217 StGB geklagt und sind nun vorige Woche abgewiesen worden. Nun ging das Rätselraten innerhalb der Protagonisten und Mitglieder des Bündnisses für Selbstbestimmung los. Zwischen allen Beteiligten, klagenden Ärzte, Sterbehilfeorganisationen, Juristen, stellungnehmenden Verbänden hatte es ja einen kontinuierlichen, solidarischen Austausch gegeben. Wer konnte geklagt haben, ohne jemals in der humanistischen Szene in Erscheinung getreten zu sein? Wie lauten die neun Namen? Wie war es möglich, dass absolut niemand davon eine Ahnung hatte? Wie konnte es zu dem juristischen Scheitern der Klage kommen, wo doch alle anderen angenommen worden sind?  

Erst Recherchen des hpd bringen Klarheit

Die Autorin dieses Beitrags recherchierte bei dem Berliner Juristen, der die gescheiterte Klage vertreten hat. Dieser gab sich allerdings aufgrund seiner Schweigepflicht bedeckt, gab gleichwohl einen entscheidenden Hinweis: Er können den Namen der Gründerin der Initiative nennen. Es sind drei Buchstaben: Frau Dr. Ley. Nun fügte sich langsam eins zum anderen. Über einen Beitrag im Deutschen Ärzteblatt kam langsam Licht ins Dunkel. In einer schließlich gefundenen Presseerklärung von 2015 äußert sich das Aktionsbündnis zu ihrer Verfassungsbeschwerde wie folgt: 

"Nach dem Inkrafttreten des neuen § 217 StGB wurde die jetzige Verfassungsbeschwerde fristgerecht am 2. Dezember 2016 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht; sie erhielt das Aktenzeichen 2BvR2492/16. Die Beschwerdeführer sind mehrheitlich Ärzte und Wissenschaftler: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Uwe Henrik Peters, Prof. Dr. med. Dr. phil. Klaus Dörner, Prof. Dr. phil. Dr. med. habil. Armin Schmidtke, Dipl. soz. päd. Helga Ebel, Prof. Dr. med. Axel W. Bauer, Dr. med. Susanne Hörnemann, Prof. Dr. med. Paul Cullen, Dr. med. Angela Spelsberg, Dr. med. Susanne Ley."

Zunächst sprechen die beiden berühmten Namen Prof. Klaus Dörner und  Prof. Axel W. Bauer Bände: es handelt sich um entschiedene – oder auch fanatische – Sterbe- und Suizidhilfegegner.

Des Rätsels Lösung und Fakenews

Am Ende ist des Rätsels Lösung nicht mehr allzu überraschend: Die Initiative hatte sich nach der Abstimmung im Bundestag für den Gesetzesentwurf von Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) besorgt gezeigt. Sie plädierte demgegenüber für den Entwurf von Patrick Sensburg (CDU), der ein absolutes Suizidhilfeverbot vorsah. In ihrer Verfassungsbeschwerde kritisierten die Kläger die Intention des § 217 StGB. Denn danach solle es Ärzten erlaubt sein, Beihilfe zur Selbsttötung zu leisten, sofern diese Tätigkeit nicht auf Wiederholung ausgelegt ist, also geschäftsmäßig wird. So sei es zu einer verfassungswidrigen "subtilen aber bedeutenden Verschiebung Richtung Akzeptanz der ärztlich assistierten Selbsttötung gekommen". Nur der Sensburg-Entwurf hätte ein klares Signal für den gebotenen Lebensschutz gegeben. Zudem wurde in der Verfassungsbeschwerde moniert, dass Angehörige und Nahestehende, sofern sie bei einem organisierten Suizid durch anderen helfend mitbeteiligt sind, nicht bestraft werden.

Ebendiese Verfassungsklage gegen die mangelnde Schärfe der Suizidhilfe-Bestrafung hat das Bundesverfassungsgericht nun am 20.7. als unbegründet zurückgewiesen. Es handelt sich mitnichten um "Klagen gegen das Verbot der Sterbehilfe", wie in den besagten Medien kolportiert wurde. 

Dort war – dies mag zumindest Wahrheitsgehalt haben – auch berichtet worden: Das Suizidhilfe-Verbot steht auf der Liste der Verfahren, in denen die Verfassungsrichter im Laufe des Jahres eine Entscheidung anstreben. Ein Sprecher des Gerichts sagte auf Anfrage, derzeit sei eine Entscheidung nicht absehbar. Da zu dem Komplex voraussichtlich eine mündliche Verhandlung angesetzt wird, ist ein Urteil bis Ende 2017 jedoch unwahrscheinlich. Zwischen Verhandlung und Urteilsverkündung liegen üblicherweise mindestens mehrere Monate.