München ist die teuerste Stadt Deutschlands. Aber nicht für alle: Spitzenverdiener der evangelisch-lutherischen Kirche Bayerns mieten Kirchenwohnungen für einen Spottpreis. Die entgangenen Einnahmen fehlen für soziale Dienste.
Wer aktuell in München eine Dreizimmerwohnung bis 1000 Euro monatlich sucht, bekommt bei der Internetsuche drei Treffer: Die erste Wohnung ist unmöbliert, kostet aber 2000 Euro Ablöse, die zweite geeignet für „handwerklich begabte Paare“, bei der dritten muss man das Badezimmer mit dem Besitzer teilen.
Die evangelische Kirche in Bayern vermietet rund 160 eigene Wohnungen in der teuersten Stadt Deutschlands – vor allem an leitende Mitarbeiter. Zu einem Quadratmeterpreis zwischen 4,04 und 5,80 Euro, mitten in München. Wer nicht gerade für die Kirche arbeitet, zahlt in München heutzutage das Dreifache.
Diese interne billige Wohnungsvergabe gibt es schon seit Jahrzehnten. Das Geschenk an die Mitarbeiter kostet die Kirche nach eigenen Angaben jährlich rund 1,4 Millionen Euro. Geld, das nicht für soziale Dienste ausgegeben werden kann, für Kitas oder Altenheime.
Erich Theodor Barzen, der Chef der evangelischen Kirche in Bayern, hat dies in einem Brief an die Mitarbeiter unter dem Titel "solidarisches Wohnen" thematisiert. Der Brief liegt CORRECTIV vor. "Nach unserer Kirchenverfassung dient das Vermögen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) ausschließlich der Erfüllung der kirchlichen Aufgaben", schrieb er am 24. April 2017. Wenn die ELKB auf Mieteinnahmen verzichtet, "fehlen die Mittel in anderen Feldern kirchlicher Arbeit".
Barzen verteidigt zugleich, dass die Kirche auch künftig auf Mieteinnahmen von 1,4 Millionen Euro verzichten wird. Die kircheneigenen Immobilien sollen künftig aber mehr Angestellten zur Verfügung stehen – es wird also mehr Dienstwohnungen geben, die aber jeweils für die Bewohner etwas teurer werden sollen.
Geld für die Oberhäupter
Denn seit dem 1. Januar 2017 gilt bei der ELKB eine neue "Mitarbeitermietpreisverordnung": Alle drei Jahre sollen die Mieten nun um 15 Prozent steigen. Die Kirche wird also noch viele, viele Jahre Geld an ihre Angestellten verschenken. Zahlt jemand aktuell 400 Euro für seine 100 Quadratmeterwohnung, wird sie in drei Jahren 460 Euro und in sechs Jahren 529 Euro kosten. Mitten in München.
Es gehöre zu den Aufgaben der Kirche als Arbeitgeber, seinen Mitarbeitern bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, sagt die ELKB auf Anfrage. Deswegen sollen auch weiterhin 1,4 Millionen Euro für die Dienstwohnungen ausgegeben – beziehungsweise nicht eingenommen – werden.
Allerdings kommt weder die neue noch die alte Regelung allen Mitarbeitern zugute. Viele von ihnen sind hinter vorgehaltener Hand sauer auf die Nutznießer. Denn gerade die besserverdienenden Kirchenangestellten profitieren davon. Laut Pressestelle der ELKB gingen rund 40 Prozent der Schnäppchenwohnungen an Mitarbeiter im mittleren Dienst, rund 60 Prozent hingegen an den gehobenen und höheren Dienst, also beispielsweise an Leiter der Fachbereiche oder IT-Spezialisten. Diese erhalten je nach Dienstjahr bis zu 6200 Euro Monatsgehalt – und zahlen dann trotzdem für 100 Quadratmeter nur wenige hundert Euro in der bayerischen Metropole.
Sozialarbeiter und Kindergärtnerinnen von evangelischen Einrichtungen, die häufig nur ein Drittel verdienen, profitierten von diesem Wohnungspool hingegen nicht. Er wurde allein von der Verwaltung für die Verwaltung geschaffen. Trotzdem widerspricht die Kirche dem Vorwurf, ausgerechnet die Besserverdienenden im höheren und gehobenen Dienst überdurchschnittlich zu bezuschussen. "Die Förderung ist über alle Laufbahnen und Entgeltgruppen hinweg erfolgt," so die ELKB.
Die Kriterien, nach denen die Wohnungen vergeben wurden, sind allerdings sehr subjektiv. Das Dienstalter und die Familiensituation werden berücksichtigt, schreibt die Pressestelle, aber auch "dienstliche Belange". Also wenn die Dienststelle beispielsweise erheblichen Wert auf die Mitarbeit einer Person lege. Ein Einfallstor für die Bevorzugung bestimmter Kolleginnen und Kollegen?
Die stille duldende Mehrheit
"Die Ungleichbehandlung führt zu großer Unzufriedenheit", schrieb Regina Jendrek im Namen der "stillen duldenden Mehrheit" in einem CORRECTIV vorliegenden Schreiben. Jendrek leitet die Bibliothek des Landeskirchenamtes. Auf Anfrage will sie sich nicht öffentlich äußern. Aber in dem Rundschreiben an die Kollegen findet sie klare Worte. Auch die neue Regelung sei nicht gerecht, weil nur wenige in den Genuss der günstigen Wohnungen kommen. "Die Mehrheit, rund zwei Drittel, muss eine Wohnung auf dem freien Markt suchen und bekommt dazu nicht einmal einen Zuschuss", so Jendrek.
Die Mitarbeitervertretung der Kirche forderte jüngst in einem Schreiben an den Landeskirchenrat, die neue Regelung auszusetzen und eine soziale und gerechte Lösung zu finden. Möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen sollte bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt werden, heißt es dort.
Eine Forderung, die es intern offenbar seit Jahrzehnten gibt. Und die seit Jahrzehnten ignoriert wird. Weil die Profiteure die Regeln schreiben? Die Pressestelle bestätigt, dass Mitarbeiter des Landeskirchenamts, der obersten Dienstbehörde, und weiterer landeskirchlicher Dienststellen berechtigt sind, sich für eine Wohnung aus dem "Pool" zu bewerben. Die obere Führungsriege der Kirche also, die auch die neue Verordnung ausgearbeitet hat.
Der Wert der kircheneigenen Immobilien in Deutschland dürfte in die Milliarden Euro gehen. Es besteht allerdings wenig Transparenz und kaum effektive Kontrolle der Kirchenfinanzen. So halten die Kirchen zum Beispiel unter Verschluss, wie sie ihr Finanzvermögen in Milliardenhöhe anlegen. CORRECTIV hat deswegen stellvertretend das katholische Bistum Köln auf Auskunft verklagt. In einem baptistischen Diakoniewerk konnte ein angestellter Manager das ganze Unternehmen unter seine Kontrolle bekommen, weil niemand genau hinsah.
Auch die Kontrollbehörde der evangelischen Kirche Bayerns, das kircheneigene Rechnungsprüfungsamt, scheint wenig wirksam zu sein. Es veröffentlicht keine Jahresberichte. Bereits 2007 kritisierte es die Wohnungsvergabe. Ein Jahrzehnt später sei es positiv, "dass nach längerem Stillstand ein Tätigwerden der Verwaltung feststellbar ist", teilt das Amt auf Anfrage mit.
Vielleicht entfaltete das Amt auch deswegen wenig Wirkung, weil auch die Kontrolleure zumindest bis zur Neuregelung zu dem kleinen Kreis gehörten, der die Wohnungen anmieten durfte.
Auf der Webseite von CORRECTIV finden sich auch die Originaldokumente, die im Artikel erwähnt werden.
9 Kommentare
Kommentare
Konrad Schiemert am Permanenter Link
"Er wurde allein von der Verwaltung für die Verwaltung geschaffen": also Selbsbedienungsladen. Aber liebe Gläubige, bitte weiterhin fleißig Kirchensteuer zahlen!
Stochastiker am Permanenter Link
Auch wenn der genannte Betrag für die Allgemeinheit abscheulich hoch erscheint, dürfte das noch nicht einmal sowas wie an der Hand anhaftendes Geld bei einem Griff in die oft zitierte Portokasse sein!
Gerade in Bezug auf diese Kirche in Bayern wurden mir, aus berufenem Munde, noch ganz andere Summen bekannt gegeben mit welchen "handiert" wird.
Wir können uns alle nur ausdrücklich bei den Initiatoren, die die Landeskirchenverträge ins Leben riefen, bedanken. Stünden diese Summen, die jährlich allen Kirchen von unserem Staat zufliessen, auch die indirekten Zuwendungen wohlgemerkt, der Allgemeinheit zur Verfügung, sähe vieles anderst aus in diesem, unserem Land.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Schön.
Je mehr solche Skandale an die Öffentlichkeit gelangen (CORRECTIV sei Dank!), desto mehr Schäfchen werden den Kirchen davonlaufen.
Olaf Gierhake am Permanenter Link
Wenn die Kirche ihren Mitarbeitern eine Wohnung unter Marktwert überlässt, hat das wahrscheinlich auch eine Komponente der Steuer- und Sozialabgabenverkürzung seitens der Kirchen und ihrer Mitarbeiter auf Kosten der A
Würde die Kirche marktübliche Mieten verlagen, müssten diese Mieten, wie bei allen anderen auch, aus dem Gehalt der Mieter bezahlt werden, allerdings nach Steuern und Sozialabgaben. Wenn man mal (sehr konservativ) 25% Steuern und 25% Sozialabgaben unterstellt, gehen der Allgemeinheit für 100€ zu wenig verlangte Mieten also noch mal 100€ Steuern und Sozialabgaben verloren, wenn der Nettolohn (nach Mieten) für die Mitarbeiter der gleiche bleiben soll. Wahrscheinlich deutlich mehr, wenn nur die "Gutverdienenden" der Kirche hiervon profitieren...
Wenn die Kirche also zu Gunsten ihrer Mitarbeiter jährlich auf 1.4 Mio. an Einnahmen "verzichtet", kostet das den Steuerzahler und die Sozialversicherungsgemeinschaft wohl noch mal mindestens den gleichen Betrag, jährlich...
Anders wäre das nur, wenn die Mitarbeiter auf den geldwerten Vorteil der zu niedrigen Mieten Steuern und Sozialabgaben zahlten. Bei jedem Industrieunternehmen müssen vergleichbare Vorteile an Mitarbeiter (z.B. verbilligte PKW-Käufe von BMW-Mitarbeitern) ordentlich versteuert werden. Ich möchte wetten, dass das im Falle von Kirchen in der Praxis mal wieder nicht der Fall ist!
Wohl wieder eine neue versteckte Subvention zu Gunsten der Glaubenskonzerne, für die es sich lohnen dürfte, die Kosten mal auf Deutschland hochzurechnen. Vielleicht für eine mögliche Neuauflage des "Violettbuchs Kirchenfinanzen" von Dr. Carsten Frerk... ;-)
Kay Krause am Permanenter Link
Man mag mich bitte korrigieren, falls ich falsch informiert bin:
Alten- und Pflegeheime sowie Kitas werden meist um die 95 % vom Staat bezahlt?!
Roland Weber am Permanenter Link
Und wer glaubt jetzt, München sei die einzige Stadt? Und wer glaubt jetzt, dass seien die einzigen Privilegien? - Dem wünsche ich viel Glauben, beim Weiter-Glauben!
Klemens am Permanenter Link
Also auch bei den Protestanten nichts Neues im Kirchenstaat Deutschland. Die Oberen machen die Gesetze für Alle. Genauso verhält es sich bei den prozentmässigen Gehaltserhöhungen.
Arno Gebauer, ... am Permanenter Link
Moin,
Die Kirchen sind mit ihrem riesigen Vermögen steuerbefreit, tragennichts zur Finanzierung der gesellschaftlichen Infrastruktur bei, von der sie so viel
profitieren !!!
Sie besitzen Immobilien, Banken, Versicherungen, Akademien, Brauereien, Weingüter, Medienkonzerne, Kliniken, Latifundien, Forste, Gutshöfe, Aktien, Stiftungen, Erbschaften und zahlen keine Steuern !!!!!!!!
Mit dem Klingelbeutel sammeln diese Heuchler Almosen ein, um den Gläubigen zu zeigen, wie arm sie doch sind!
Die Kirchen sind nach dem Staat der größte Grundbesitzer. Sie verfügen über eine
Fläche , die der drei Stadtstadten entspricht und kassieren Erbpacht.
Kirchen brauchen kein Eigenkapital und keine Mitbestimmung in allen Firmen, in
denen sie das Sagen haben!
Für Kirchen zahlen andere die GEZ-Gebühren!
1% der GEZ-Gebühren kassieren die Kirchen über kostenfreie Sendungen im
Öffentlich rechtlichen Rundfunk und Fernsehen, obwohl sie eigene Sendeanstalten
betreiben!
Die kath. Kirche ist eine Meisterin der Täuschung! Sie verkauft ihre Aktivitäten als
selbstfinanziert, obwohl der deutsche Steuerzahler ca. 96% der Kosten aller katholischen Einrichtungen bezahlt !
Die Kirche ist ein feudaler Fremdkörper in einem demokratischen Staat !
Mit öffentlichen Geldern bezahlt oder subventioniert der Staat die
Militär-, Anstalts- und Polizeiseelsorge, Kirchentage, Religionsunterricht,
kirchliche Kindertagesstätte, theologische Fakultäten, Kirchen-
Bibliotheken und Konfessionsschulen mit 19 Milliarden Euro pro Jahr!!!!!
Aus dem Bundeshaushalt werden bezahlt: Kath. Bischöfe und
Erzbischöfe, evangel. Landesbischöfe, Weihbischöfe, Dignitäre, Kanoniker,
Domvikare und Generalvikare, Oberkirchenräte, Ordinariatsoffiziaten,
Dommessner, Direktoren und Erzieher an bischöflichen Priester-
und Knabenseminaren nach dem Beamtenrecht!
Es ist seit Jahrzehnten überfällig, dass die Kirchensteuer endlich erhöht wird,
damit die Gläubigen ihre Kirchenorganisatiion endlich selbst finanzieren!
Viele Grüße
Arno Gebauer
Sven am Permanenter Link
ja stimmt das ist ein Skandal, aber überall wo es ums Geld geht wird gemauschelt. das ist in meinem Schwimmverein nicht anders, das ist überall so. da muss ich die kirche in schutz nehmen, das ist allgemein so.