Ob aus Bibelversen errechnet oder mit dem plötzlichen Auftauchen eines ominösen Planeten namens "Nibiru" begründet – mindestens viermal verstrich im ablaufenden Jahr ein Weltuntergangstermin, ohne dass irgendetwas passiert ist. Bilder von kannibalistischen Pandabären, einer Invasion riesiger Marienkäfer in irgendeiner Stadt oder von Menschen, die überall in der Welt von aggressiven Eichhörnchen angefallen werden, wären den Medien sicher auch nicht entgangen, aber diese tierischen Vorhersagen des kanadischen Mediums Nikki Pezaro erwiesen sich ebenfalls als völlig daneben. Die GWUP e.V. (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) hat auch für 2017 die Prognosen von Hellsehern, Astrologen und Wahrsagern unter die Lupe genommen und die Blamage der Augurenzunft dokumentiert.
Der Mainzer Mathematiker Michael Kunkel, der seit vielen Jahren solche esoterischen Prognosen sammelt und auswertet, hofft, dass irgendjemand Frau Pezaro einmal ein Biologiebuch schenkt. "Sie hat noch vorhergesagt, dass ein aus einem Tank ausgebrochener Piranha mehrere Menschen fressen soll – für ein Tier, das höchstens 40 cm groß wird, ein ziemlich unmögliches Unterfangen." Auch bei anderen Themen lagen Hellseher weit daneben. Der Brite Craig Hamilton-Parker sagte nicht nur einen Euro-Crash und den darauffolgenden Austritt von Italien und Dänemark aus der EU voraus, sondern auch die Vereinigung von Nord- und Südkorea und ein Feuer im britischen Parlament. Bei Kollegin Pezaro sollten die Flammen im Buckingham-Palast lodern, der Schiefe Turm von Pisa umfallen und im Eriesee ein UFO landen.
Wie üblich sah der überwiegende Teil der Hellseher und Wahrsager pechschwarz in die Zukunft. Katastrophale Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen und Terroranschläge – nicht nur Hamilton-Parker und Pezaro hatten viele solche Prognosen im Angebot, auch hierzulande warnten Annatala Geiger-Jordtveidt, Gabriele Sperzel, Christiane Durer oder Christine Schoppa vor einem oder mehreren dieser Szenarien. Hamilton-Parker und der deutsche Palmblattdeuter Thomas Ritter prognostizierten sogar beide einen Vulkanausbruch auf Island mit weitreichenden Folgen für den Rest Europas - aber ein Ausbruch à la Eyjafjallajökull 2010 war 2017 bisher nicht zu beobachten, auch wenn Geologen ein solches Geschehnis für die nahe Zukunft nicht ausschließen wollen. Kunkel wundert sich nicht: "Was in der Vergangenheit geschah, wird als Prognose für die Zukunft wiederholt – es könnte ja noch einmal passieren. Wirklich Überraschendes wie der Rücktritt des Papstes 2013 oder eben die Folgen des Vulkanausbruchs in Island von 2010 fand man in den Prognosen der Wahrsager damals nicht, und auch heute bedienen sich die Prognosen fast ausnahmslos bereits bekannter Szenarien."
Positive Aussichten waren 2017 zwar selten zu finden, aber durchaus vorhanden. Der Astrologe Kurt Allgeier beruhigte in seinem alljährlichen Nostradamus-Almanach gleich zu Beginn: Der 3. Weltkrieg sollte nicht 2017 beginnen – damit widersprach er mehreren meist anonym veröffentlichenden anderen Nostradamus-Deutern, hatte damit aber eindeutig recht, auch wenn der Rest seiner Texte eher verwirrend oder definitiv falsch war (... in Südfrankreich sollte sich ein neuer Staat bilden). Sein Ko-Autor Erich Bauer las aus den Sternen, "dass zerstrittene Beziehungen wieder Frieden finden", und versprach zum Thema Liebe, "dass sie jedem Menschen zuteilwird, der nach ihr trachtet". Ob dies tatsächlich stimmt, muss zwar bezweifelt werden, aber Kunkel findet solche Prognosen nicht unbedingt schlecht: "Solcher Seelenbalsam ist zumindest besser als Angst machende Katastrophenprognosen. Man sollte sich allerdings niemals darauf verlassen, auch wenn das noch so schön klingt."
Dass die Wahrsagerei auch tragische Folgen haben kann, zeigten 2017 zwei Fälle aus Vietnam und Frankreich. Eine Vietnamesin tötete ihren wenige Tage alten Enkel, weil laut einem Wahrsagung durch das Baby das Karma der Familie geschädigt werden würde. Nicht ganz so tragisch endete für eine 35-jährige Frau in Frankreich die Beratung einer Wahrsagerin. Ihr wurde der nahende Herztod prophezeit und ihre Verunsicherung war so groß, dass auch medizinisches Fachpersonal ihr die Angst erst nach längerer psychologischer Behandlung nehmen konnte. Inzwischen hat sie die Wahrsagerin verklagt, und einen ersten kleinen Erfolg erzielt: Die Wahrsagerin hat ihre Angebote vom Netz genommen.
Details und Erläuterungen zur Prognoseauswertung finden sich in der Anlage.
19 Kommentare
Kommentare
Stephan am Permanenter Link
Wie überraschend.
Nicht.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Ich bin stolzer Besitzer eines Allgeier-Buches über die Prophezeihungen des Nostradamus aus dem Jahr 1982. Sehr interessant. Was mir in den letzten Jahrzehnten alles entgangen ist ...
Dabei bin ich tatsächlich ein großer Verehrer des Nostradamus. Er war, was leider wenig bekannt ist, ein für seine Zeit durchaus kompetenter und außerdem sehr tapferer Pestarzt. De mortuis nihil nisi bene ...
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Hallo Herr Schönecker,
Und der Spruch, man solle über Tote nur Gutes sagen heißt nur, dass sich üble Nachreden nicht gehören. Festgestellte Vergehen, Verbrechen o.ä. dürfen natürlich auch nach dem Tod der Täter thematisiert werden, sonst müssten wir über die Herren Luther oder Hitler ja nur Gutes sagen.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Büchner!
Danke für Ihre Korrektur bzgl. Arzt/Apotheker.
Ich habe mehrmals gelesen, dass Nostradamus als Mittel gegen die Ausbreitung von Pestepidemien hygienische Maßnahmen empfohlen haben soll. Das war damals ein Fortschritt.
Der Spruch über die Toten hindert natürlich nicht historische Beschäftigung mit Verbrechen oder auch nur Irrtümern. Selbst im Zusammenhang mit Nostradamus war er nicht ganz wörtlich gemeint. Ich wollte nur leicht augenzwinkernd darauf hinweisen, dass auch der Scharlatan Nostradamus echte gute Leistungen vollbracht hat, und so gegen das schwarz-weiß-Denken angehen.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Ja lieber Herr Schönecker,
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Ich stelle fest:
Wenn ich über einen Menschen, der nicht in Ihre Ideologie passt, etwas Gutes schreibe, sogar etwas Zutreffendes Gutes, dann erweckt das Ihren vehementen Widerspruch.
Nostradamus hat sich jedenfalls bemüht, Pestkranken zu helfen, und hat das erstens für seine Zeit recht gut gemacht und hat zweitens dabei persönlichen Einsatz gezeigt. Das ist viel wert.
Mit seinen Auftzragsprophezeihungen hat er den damaligen Reichen und Adligen Geld aus der Tasche gezogen. Sei es, dass er den Unsinn selbst geglaubt hat, sei es, dass er ein Schwindler war: ich finde das zwar streng genommen verwerflich, aber gleichzeitig irgendwie charmant.
Dass von seinen völlig unverständlichen allgemeinen Prophezeihungen jemals eine ganze Industrie leben kann, konnte er nicht ahnen.
Insgesamt finde ich sein Leben positiv, und er hat es verdient, dass man seine Leistungen würdigt. Damit meine ich die medizinischen Leistungen.
Schwerverbrecher war er keiner.
Leute wie Allgeier, die davon leben, dass sie einfachen Menschen teils Angst machen, teils Sensationsgier befriedigen, obwohl er nach Jahrzehnten genau wissen muss, dass seine Prophezeihungen allesamt falsch sind, genießen meine Achtung weit weniger. Trotzdem ist es eine Frechheit, von Allgeier oder Nostradamus direkt zu Hitler überzuleiten.
Wenn Sie es nicht schaffen, bei Menschen, deren Ideologie sie nicht mögen, auch etwas Gutes anzuerkennen ...
Wenn Sie bei allen Vertreter von Ideologien, die Sie nicht mögen, gleich eine Parallele mit Hitler ziehen ...
... dann sollten Sie mal überprüfen, ob Sie nicht vielleicht selbst ideologisch komplett verblendet sind.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Sie können noch weiteres feststellen:
In dem Schwindler oder Psychopathen Nostradamus einen "positiven" Menschen zu sehen, kann wohl nur einem katholischen Geistlichen oder einem "Astrologiegläubigen" in den Sinn kommen. Außer in einschlägigen esoterischen Machwerken habe ich noch nirgendwo von den medizinischen Großtaten Nostradamus' bei der Pestbekämpfung gelesen. Wie gesagt, er war kein Arzt und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass er da großen Heldenmut gezeigt hat. Im übrigen hat er mit seinen Almanach-Schwurbeleien jedem das Geld aus der Tasche gezogen; der dumm genug war, das zuzulassen. Aber Dumme gibt und gab es ja zu allen Zeiten
Ich habe auch zu Karl dem Großen, Luther und den Päpsten meinen Kommentar abgegeben, aber das scheint Sie nicht sehr zu beunruhigen.
Der Scharlatan Nostradamus liegt Ihnen aber wohl sehr am Herzen. Haben Sie eine Schwäche für Scharlatane?
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Herr Büchner, stellen Sie sich mal vor, Nostradamus wäre in der Welt nur als Mensch in Erinnerung, der mit persönlichem Einsatz versucht hat, die Pest zu bekämpfen.
Das wäre doch gut!
Sie werden mir nicht ausreden können, dass ich lieber Gutes lobe als Schlechtes beschimpfe.
Solange es Menschen gibt, die an Astrologie glauben, wird es pädagogisch sinnvoll sein, anhand der Geschichte zu beweisen, dass deren Vorhersagen nur innerhalb der statistischen Wahrscheinlichkeit eintreffen. Das macht der Artikel auch sehr gut. Und konkret bei Nostradamus lässt sich deutlich zeigen, dass in ausreichend mysteriös formulierte Sätze absolut alles hineininterpretiert werden kann, je nach Interesse des Interpreten. So gesehen wird man seine Schriften auch weiterhin kritisieren müssen.
Das schmälert aber nicht seine positiven Leistungen.
Und ich sehe grundsätzlich zuerst die positiven Leistungen eines Menschen. Als Christ habe ich da einen klaren Auftrag: "Richtet nicht über andere!" Also nicht über Astrologen, nicht über Andersgläubige, nicht über Ungläubige. Gerade angesichts der Kirchengeschichte will ich diesen Auftrag besonders ernst nehmen.
"Ich habe auch zu Karl dem Großen, Luther und den Päpsten meinen Kommentar abgegeben ..."
- Ich aber bleibe gerne beim Thema.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Herr Schönecker,
mit "Herr Büchner, stellen Sie sich mal vor, Nostradamus wäre in der Welt nur als Mensch in Erinnerung, der mit persönlichem Einsatz versucht hat, die Pest zu bekämpfen.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Da ich mich jetzt nicht extra nach Frankreich begeben werde, recherchiere ich mal kurz im Internet. Und zwar seriöserweise nur auf Seiten, die nicht ausdrücklich esoterisch angehaucht sind.
Ergebnisse:
http://www.whoswho.de/bio/michel-de-notredame.html
"1525 ließ er sich als Arzt nieder und behandelte Pestopfer in südfranzösischen Gemeinden." ... "Im Jahr 1538 verließ Nostradamus Argen und begab sich auf Wanderschaft durch Europa. ... Sieben Jahre später ließ er sich als Arzt in Marseille nieder und anschließend in Aix."
https://de.wikipedia.org/wiki/Nostradamus#Wanderjahre
"1544 bekämpfte er zusammen mit dem Arzt Louis Serre einen Ausbruch der Pest in Marseille, ab Ende Mai 1546 arbeitete er allein in Aix, Salon und 1547 kurz auch (ob zur Behandlung der Pest oder aus anderen Gründen ist unbekannt) in Lyon."
https://www.biography.com/people/nostradamus-9425407
"He studied medicine and became a physician, treating plague victims throughout France and Italy."
http://www.notablebiographies.com/Ni-Pe/Nostradamus.html
"The first several years of Nostradamus's career as a doctor were spent traveling in France. ... Nostradamus prescribed fresh air and water for the afflicted. He also recommended a low-fat diet and clean bedding. He often administered an herbal remedy made from rosehips, later discovered to be rich in vitamin C. Entire towns recovered under his care. Nostradamus's herbal remedies were common to the era. His beliefs about infection control, however, were contrary to the practices of his time."
Das waren die ersten vier Seiten, die ich über google gefunden habe ("Nostradamus Biographie/-y") und die nicht ausdrücklich esoterisch waren.
Also: Offenbar sind sich Biographen ziemlich einig darüber, dass Nostradamus ein recht tüchtiger Pestheiler war (sei es als Arzt oder Apotheker, das scheint umstritten zu sein).
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Wenn Nostradamus gegen die Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten Hygienemaßnahmen empfohlen hat, ist das löblich, aber auf den Trichter waren 500 Jahre vor ihm schon die Araber gekommen (Ibn Sina und andere).
Das Problem war, dass die Kirche seit ihrer Machtübernahme 380 die zur Römerzeit übliche Alphabetisierung der Bevölkerung systematisch abgewürgt hatte, wodurch die Leute unwissend blieben und von diesen Fortschritten nichts wissen konnten. Aber seit Luther bekamen sie wenigstens die Bibel vorgelesen. War doch schon mal was, oder?
Dieter Bauer am Permanenter Link
Sg Herr Schönecker,
Kobnrad Schiemert am Permanenter Link
Früher, als die Offenbarung des Johannes entstand, wurden noch Qualitäts-Kristallkugel verwendet. Heute gibt es nur billige Glaskugel aus Ostasien.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich hatte auch keine Prognose dafür gefunden (muss allerdings auch gestehen, überhaupt nicht danach gesucht zu haben), dass sich Hans Trutnau um den 10.12.2017, wenn/als zumindest in Europa der starkabnehmende Mond mi
Ist das jetzt ein schlechtes Zeichen oder ein gutes Karma - oder was?
Na, egal. Ist zwar eine Korrelation, aber keine Kausalität.
Ich wette aber, dass das eine oder andere Medium diese letzte Aussage in der Luft zerfetzt. Das aber ist erst recht egal.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Ja und weiter, Hans?
Hans Trutnau am Permanenter Link
Weiter, Karl-Heinz? Pendeln, ganz locker.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Das ist die richtige Einstellung :-))))
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Alles Gute Ihnen beiden!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Alles Gute Ihnen beiden!"
Ist das ein Wunsch oder eine Prophezeiung? Oder gar eine Segnung? Himmlisch? Ich behalte die Sache im Auge...