Berlinale 2018

Sehnsucht nach Freiheit

Abbas Amini schildert in seinem neuen Film, der auf der diesjährigen Berlinale Weltpremiere feierte, den Existenzkampf junger Menschen und ihre Sehnsucht nach Glück. In der farbenprächtigen Kulisse aus Marineblau und Persischrot finden Hendi und Hormoz zusammen, genau als ihnen ihr Leben aus den Händen zu gleiten beginnt.

Als der potentielle Arbeitgeber zu Hormoz sagt: "Komm wieder wenn du verheiratet bist!" heiratet der 16 jährige Hormoz die 13 jährige Hendi, die mit ihrer Mutter in Armut lebt. Die Beiden finden zueinander, obwohl die äußeren Bedingungen hart sind und beide mit ihrer absurd anmutenden Rolle als Erwachsene zu kämpfen haben. Er muss Arbeit finden, sie darf nicht mehr zur Schule weil sie schwanger ist. Schon hier zeigen sich die Widersprüche der Gesellschaft, in der einerseits die Scharia (die religiöse Rechtsprechung, die das staatliche Rechtswesen darstellt) den Frauen ihre Rechte nimmt und andererseits Bildung auch für Mädchen und Frauen eine große Rolle spielt. So wird Hendi von ihrer Lehrerin gesagt, sie solle in der Schule nicht über die Hochzeit und ihre Ehe sprechen und ihr Ehemann dürfe sie nicht von der Schule abholen.

Hind wird allgemein als indisch übersetzt, es gibt jedoch auch die seltenere, "lyrische" Übersetzung: "schwarz/Sklave" aus einem Gedicht des bekannten Dichters Hafez. Hendis Haut ist sehr dunkel. Sie ist arm, lebt alleine mit ihrer Mutter und wird mit 13 an einem ebenfalls sehr jungen Mann verheiratet, der zu dem Zeitpunkt noch keine Arbeit hat. Die Hochzeit wird nicht wirklich gefeiert, keine der Schulfreundinnen wird eingeladen. Die Morgengabe des Jungen besteht aus einem Paar goldener Ohrringe. Hendi wird verheiratet, so scheint es, um einen Versorger in die Familie zu holen. Wie groß die Verzweiflung ist wird deutlich in der Wahl desselben. Hendi ist auf einmal Ehefrau, Schülerin und bald auch Mutter. Die Diskrepanz all dieser Rollen zeigt Zohre Eslami als Hendi auf elegante und würdevolle Art und Weise.

Trotz all dieser Widrigkeiten erkennen die Beiden, dass sie jung sind und eine Zukunft haben, wunderbar ausgedrückt in Szenen am Meer, mit satten Farben und gemeinsamen Lachen. Das Schicksal nimmt jedoch seinen Lauf und die frisch entdeckte potentielle Freiheit wird Schritt für Schritt beschnitten, z.B. durch eine Art Leibeigenschaft und den verzweifelten Versuch Hormoz, sich daraus zu befreien: I am a salesman, I sell soil gellen seine Rufe über das Meer, hinüber zu dem riesengroßen Frachter. Er steht auf einem kleinen Boot, das gefüllt ist mit der wertvollen hämatithaltigen Erde. Er selbst hat diese Erde von der Stelle "gestohlen", an der sie abgebaut wurde. Es ist die Arbeit, für die er sich ursprünglich beworben hatte, für die er geheiratet hat und durch die er ein Leben aufbauen wollte.

Am nächsten Morgen, nach seinem Versuch, die selbstabgebaute Erde an die Menschen auf dem Tanker zu verkaufen, wird Hormoz entdeckt, angespült in dem blutrotem Wasser – tot an dem Strand von Hormus.

Die 14jährige Witwe und junge Mutter betritt Wochen später entschlossen das Schulgebäude, aus dem sie wegen ihrer Schwangerschaft verwiesen wurde. In ihren Armen trägt sie ihr Kind.

Wird sie ihre Schulausbildung beenden können? Wird dieses System, dass so eine frühe Ehe und Schwangerschaft zulässt ihr auch ermöglichen, ihre Ausbildung zu beenden?

Was bedeutet Freiheit, wenn man arm und benachteiligt ist?

Kann man Erde stehlen? Wem gehört die Erde, das Wasser, die Luft? Das sind Fragen, die einem durch den Kopf gehen- nicht nur in bezug auf Iran. Hormoz wird hervorragend gespielt von Hamed Alipour, ein großes Talent, der schon in Valderama überzeugen konnte und die Kraft, die Verzweiflung aber auch den unerschütterlichen Mut der Jugend so authentisch darstellt.

@ http://www.threegardensfilm.com/hendi-hormoz-2018/
@ http://www.threegardensfilm.com/hendi-hormoz-2018/

Der Regisseur Abbas Amini wuchs in Abadan, im Süden des Iran, auf. Er hat, wie schon in Valderama, gezeigt, dass benachteiligte junge Menschen unter den harten wirtschaftlichen, neoliberalen Bedingungen kaum Chancen haben, ein erfülltes Leben zu leben. Sie sind hilflos den Machenschaften menschenverachtender Ausbeuter ausgeliefert, wenn sie keine Familie haben, die sie beschützt und Wert auf eine selbstbestimmte Entwicklung legen.

In einem System, das zum Einen unter Sanktionen leidet, zum Anderen rigide Vorstellungen von einem "ehrenwerten" Leben anbietet, gibt es für diese Kinder und Jugendlichen kaum wirkliche Hilfsangebote.

Abbas Amini ist seit 10 Jahren Volunteer bei der Association for the Protection of Child Labourers (APCL). Diese hat sich zum Ziel gesetzt, besonders vulnerable Kinder und Jugendliche auch bildungstechnisch zu unterstützen.

"Hendi va Hormoz" von Abbas Amini, Iran/Tschechische Republik 2018 - Der Film bei der Berlinale 2018