Humanistischer Salon Nürnberg

Maschinenbewusstsein als Spiegelbild

Welche Bedeutung hat Künstliche Intelligenz für das Menschen- und Weltbild? Bernd Vowinkel stellte in seinem Vortrag beim Humanistischen Salon Nürnberg eines der Themen seines neuen Buches "Wissen statt Glauben!" vor.

Werden wir uns den Planeten bald mit Robotern teilen müssen, die schlauer sind als wir? Die ein Bewusstsein haben? Und sogar Gefühle? Für Dr. Bernd Vowinkel ist klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die von Menschen erschaffene Künstliche Intelligenz (KI) uns in allen geistigen Fähigkeiten überholt.

Anders als so manche Warner und Mahner, machte der Physiker und Transhumanist in seinem Nürnberger Vortrag jedoch nicht den Eindruck, dass ihn diese Aussicht schlaflose Nächte bereitet. Im Gegenteil. Er blickte am 18. Februar im Café PARKS gelassen und freudig in die Zukunft.

Bedrohungen durch intelligente Maschinen hält Vowinkel zwar durchaus für möglich, vertraut aber darauf, dass die Menschheit eventuelle Herausforderungen wird meistern können. Oder vielleicht eher: Dass sie sie wird meistern müssen? Denn er ist überzeugt: "Die Entwicklung lässt sich nicht aufhalten, man kann sie aber in vernünftige Bahnen lenken!"

Schwerpunkt seines Vortrag war jedoch nicht eine Technikfolgenabschätzung der KI oder die Frage, wie optimistisch oder pessimistisch wir angesichts von Nutzen oder Gefahren der KI in die Zukunft schauen sollten. Ihn interessierte vor allem die Machbarkeit an sich sowie deren Bedeutung auf philosophischer und weltanschaulicher Ebene.

Denn wie Vowinkel einführend erläuterte, sind für ihn pragmatische Gesichtspunkte die besten Argumente für ein naturalistisches Weltbild. Gegen den häufigen Einwand, Naturwissenschaften brächten ja "auch nur" Theorie hervor, sei die beste Erwiderung: "Wenn mit einer Theorie Technik erschaffen werden kann, die tatsächlich funktioniert, ist das ein guter Hinweis, dass die Theorie nicht ganz so falsch sein kann."

Für Vowinkel hat die Realisierung von technischen Möglichkeiten demnach auch eine bedeutende Signalwirkung auf der Ebene der Ideen. Weltanschauungen, die auf übernatürliche Erklärungen setzen, versuchen durch den behaupteten Besitz absoluter Wahrheiten zu überzeugen. Die Überzeugungskraft des naturalistischen Weltbildes liegt für ihn dagegen vor allem darin, dass es indirekt dafür sorgt, dass sich menschliche Lebensbedingungen verbessern.

Denn die Annahme, dass alle Dinge, die als übernatürlich galten, tatsächlich natürlich sind, führte über die Erfolge der Naturwissenschaft zu technischem Fortschritt. Und dieser verlängerte Leben, machte harte Arbeit leichter und brachte allgemein eine Lebensqualität mit sich, die auch diejenigen nicht missen wollen, die gerne an übernatürlichen Erklärungen festhalten wollen und den Naturalismus daher ablehnen.

Vor diesem Hintergrund ist Vowinkels freudige Erwartung von Maschinen mit Bewusstsein besonders verständlich. Denn KI herstellen zu können, die die Einzigartigkeit unseres Geistes in Frage stellt, hat eben auch Auswirkungen auf das Menschenbild. Ja, es wäre das wohl überzeugendste Gegenargument für die immer noch weitverbreitete Vorstellung eines Dualismus von Materie und Geist, der – wie Vowinkel betonte – mit dem Naturalismus nicht vereinbar ist.

Die Annahme, dass alles natürlich erklärbar ist – auch das Bewusstsein –, ist in der breiten Bevölkerung ja wenig beliebt. Der naturalistische Monismus gewänne jedoch zwangsläufig an Überzeugungskraft, wenn es eine Künstliche Intelligenz gäbe, die den berühmten Turing-Test besteht, die also von Menschen in der Kommunikation nicht als künstlich erkennbar ist.

Denn wenn bei einer hochentwickelten KI hinter dem Denken und Fühlen nur Materie und Algorithmen stecken, warum sollte hinter den gleichen Phänomenen beim Menschen dann mehr stecken?

Unter denen, die menschenähnliche KI nicht für möglich halten, sind aber nicht nur Dualisten, wie Vowinkel ausführte. Es gibt auch Positionen innerhalb des Naturalismus, aus denen heraus eine Machbarkeit von technischer Intelligenz angezweifelt wird. Etwa, wenn angenommen wird, so etwas wie Bewusstsein und Gefühle erforderten ein biologisches Substrat.

Eine Einführung in die Konzepte von Naturalismus und Humanismus und die Machbarkeitserwägungen von KI standen bei diesem Vortrag im Vordergrund. Doch Vowinkel gab auch kleinere Einblicke in weitere Themen seines im Januar 2018 neu erschienenen Buches – etwa aus dem Bereich der humanistisch begründeten Ethik.

Büchertisch
Büchertisch

Bernd Vowinkel, Wissen statt Glauben! – Das Weltbild des neuen Humanismus, Lola Books 2018, ISBN-13: 978-3944203331


Die nächste Staffel des Humanistischen Salons Nürnberg startet im Herbst – wie gewohnt mit Helmut Fink als Moderator, Claus Gebert am Flügel und der Möglichkeit, gemütlich zu brunchen.

Bis dahin bietet das Kortizes-Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs einige Veranstaltungen in anderen Formaten: monatlich zwei bis drei Abendvorträge im Nürnberger Planetarium über Wissenschaft und Skeptiker-Themen, sowie das Wochenendsymposium "Was hält uns jung?" vom 13. bis 15. April (Online-Programm http://kortizes.de/terminuebersicht/).

Kortizes-Themen gibt es zudem jetzt auch auf die Ohren. Das Institut kann den Start eines Podcast-Programms verkünden, in dem sich Helmut Finks Kolumne "Freigeist" abwechseln wird mit Veranstaltungsmitschnitten und Interviews mit Referenten. Der neue Kortizes-Podcast kann über iTunes oder podcast.de abonniert werden. Mehr Infos unter http://kortizes.de/multimedia/.

Das Buch gibt es auch im Denkladen.