Seit Monaten wird Chile von der Aufdeckung hunderter Missbrauchsfälle durch kirchliche Würdenträger erschüttert. Nun endlich greift die Justiz in kirchliche Belange ein, um nach Dekaden der Vertuschung durch hochrangige katholische Amtsträger aber auch Teile der Bevölkerung Durchsuchungen und die Beschlagnahmung von Unterlagen durchzuführen.
Südamerikanische Medien berichten, dass sich derzeit Priester Óscar Muñoz, ehemals rechte Hand des chilenischen Erzbischofs Ricardo Ezzati Andrello, wegen des Vorwurfs des Missbrauchs von mindestens sieben Minderjährigen in Haft befindet. Gegen Ezzati und einen weiteren Kardinal habe die Fundación para la Confianza (Stiftung für Vertrauen), die die Rechte der Betroffenen vertritt, Klage eingereicht. Fünf Würdenträger sollen ihre Posten zurückgegeben haben. Die Räume der Chilenischen Bischofskonferenz wurden durchsucht und Akten beschlagnahmt. Ebenfalls durchsucht wurden die Räume des Instituto Alonso de Ercilla. Dabei soll der Missbrauch Minderjähriger bei der Congregación de los Hermanos Maristas (Maristen-Schulbrüder) geklärt werden, zu denen die Räumlichkeiten des Institutes gehören.
Insgesamt 38 Verfahren wegen des Vorwurfs des Missbrauchs wurden gegen Kirchenvertreter und Mitarbeiter der Kirchen eröffnet. Dabei sollen nach Meldungen südamerikanischer Medien vor allem Minderjährige und junge Erwachsene vom Missbrauch betroffen sein.
Laut Staatsanwalt Raúl Guzmán der Region Metropolitana Sur soll die Auswertung der Akten der Bischofskonferenz sowie des Alonso de Encilla Institutes zur Klärung der Vorwürfe von Betroffenen gegenüber Kirchenvertretern beitragen. Angefordert wurden daher auch die Untersuchungsergebnisse von Charles Siciluna. Erzbischof Siciluna war von Papst Franziskus als Sonderermittler zur Untersuchung der Missbrauchsfälle in Chile entsandt worden. Während sich der Papst noch vor wenigen Wochen schützend vor die Chilenischen Würdenträger gestellt und von Betroffenen Beweise für Missbrauch eingefordert hatte, gibt er sich nun betont als Aufklärer, der Transparenz, Zusammenarbeit mit den Behörden und einen Plan für die Zukunft verlangt.
Seinen Bischöfen warf der Papst die jahrzehntelange Vertuschung vor. Gleichzeitig lobte er die Schritte, die die Chilenische Bischofskonferenz angekündigt hat, um die Missbrauchsfälle aufzuarbeiten und zukünftige Fälle zu verhindern. Die Bischofskonferenz hat sich nämlich nun verpflichtet, mit den ermittelnden Staatsanwälten zusammenzuarbeiten und bei Missbrauchsfällen in Zukunft öffentlich zu ermitteln. Voll des Lobes war auch Jaime Coiro, Sprecher der Bischofskonferenz, der den Willen zur Kooperation hervorhob und den Wunsch nach Aufarbeitung der "Schweren Fälle" bekundete.
Was Menschen, die keine Ämter bei der katholischen Kirche bekleiden, als ganz normal und absolut notwendig erscheint, scheint für die Kirche eine neue Idee zu sein. Als sei damit die lange Tradition des Missbrauchs und des Wegsehens zu löschen, forderte Papst Franziskus einen Neustart der katholischen Kirche in Chile.
14 Kommentare
Kommentare
Sascha Conradt am Permanenter Link
"Neustart" nennt Papst Franzi das? Eher Versuch einer Vollbremsung, einer Kehrtwende. Wie predigte deren Jesus noch?
Was wäre bei so einer Organisation schon besseres zu erwarten?
Günter Stadler am Permanenter Link
Wie sehr die kath-Kirche an der Aufklärung von Missbrauchsfällen interessiert ist zeigt sich, wenn man sich über die Missbrauchsfälle in der dritten Welt, in der Diaspora informieren will.
Kay Krause am Permanenter Link
Was ich mir bei dieser ganzen schmutzigen Angelegenheit nicht vorstellen kann: dass diese gottberufenen Herren ihren Kinder-Mißbrauch auch noch aktenkundig gemacht haben!?
Christoph Heckermann am Permanenter Link
Inzwischen ist die Schuld der katholischen Kirche zu einem riesigen Berg angewachsen.
Clemens B. am Permanenter Link
Nein, da scheinen mir zwei Einsprüche geboten: 1.
2. "solange bis der Heiland sie erlöst"? Das ist aber eine schwere Strafe! Glaubst Du nicht, dass der Heiland das längst getan hat? Jede Wette, dass diese Pädo-Priester das alles brav gebeichtet haben - und für 2½ Ave Maria und 3 Kniebeugen gab's dann das "ego te absolvo" im Namen ebenjenes Heilands.
Schwere Strafe? Wie wär's, ganz in mittelalterlicher Tradition, mit Abschreiben? Nur statt der Bibel bitte Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums", fehlerfrei ein Dutzend mal vollständig abgeschrieben: bei so einer Strafe hätten sie zumindes keine Zeit für weitere Übergriffe...
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"für 2½ Ave Maria und 3 Kniebeugen gab's dann das "ego te absolvo" im Namen ebenjenes Heilands"
Dazu noch die zwei Snickers - ein echt teurer Spaß ist das, wenn der Priester bei den Kinderlein kommet...
Guenther Lerch am Permanenter Link
Super Idee !!!
Kay Krause am Permanenter Link
Sisyphus ist gut, vielleicht wäre aber aber Syphilis (diese Krankheit wurde in früheren Zeiten auch schon als "Gottesstrafe" bezeichnet) das richtige Heilmittel für diese heuchlerischen Herren?!
Klaus Bernd am Permanenter Link
„Die Bischofskonferenz hat sich nämlich nun verpflichtet, mit den ermittelnden Staatsanwälten zusammenzuarbeiten und bei Missbrauchsfällen in Zukunft öffentlich zu ermitteln.“
1. das Geständnis, dass man das in der Vergangenheit nicht getan hat, dafür aber bitteschön nicht belangt werden darf
2. dass die Zusammenarbeit mehr oder weniger auf freiwilliger Bassis erfolgt (siehe Kommentar im Beitrag)
und
3. dass man Zusammenarbeit und öffentliche Ermittlung erst mal auf Missbrauchsfälle beschränkt
Im Vatikan war man darüber wieder mal äußerst bestürzt. Wohl kaum über die Tatsachen des Missbrauchs, die waren vermutlich schon lange bekannt – wenn man es denn wissen wollte.
Bestürzt war man wohl eher darüber, dass es trotz aller gegenteiligen Bemühungen nun doch derart öffentlich wurde, und zum anderen darüber, dass die episkopale Immunität auch in Chile , wie in Australien, wenigstens ansatzweise aufgehoben ist.
In D scheint das noch lange nicht in Sicht zu sein. Da pflegt man z.B. in Hessen noch die „vertrauensvolle“ - besser gesagt „vertrauensselige“ - Zusammenarbeit mit den Vertuschern in der Kindererziehung, indem man ihnen Die Bibel als „#Heilige Schrift“ näher zu bringen versucht.
Eine Bemerkung dazu am Rande:
in der Anregung zu den Projekten bei hashtag-heilig.de heißt es : "Trau dich wild zu sein, und denke dir etwas dabei! Suche dir ggf. Fachleute, die dir helfen!"
Das gilt allerdings nur für die über 18-jährigen, für die jüngeren ist eigenes denken noch nicht angesagt. Als Fachmann könnte ich übrigens Heinz-Werner Kubitza empfehlen.
annen anne Nerede am Permanenter Link
nach Dezennien...
Ulrich bock am Permanenter Link
Ein unglaubliches Glück hatte ich in meiner Kindheit und Jugend. Ich war Schüler bei den Maristen-Schulbrüdern in Recklinghausen. Der Missbrauch von Kinder ereignete sich in in einem anderen Kloster des Orden.
Ich bin seit über 45 Jahren Atheist. Bei solchen Nachrichten werde ich garantiert nie wieder ein gottgläubiger Mensch werden können, erst Recht nicht Katholik.
A.S. am Permanenter Link
Angst vor göttlicher Strafe scheint unter den Würdenträgern der katholischen Kirche selten zu sein, sonst würde es kaum diese vielen Mißbrauchs- und Vertuschungsfälle geben.
Olaf Gierhake am Permanenter Link
Eins ist doch wohl klar: „Gott“ wird die Manager dieses weltweit bandenmässigen Kinder-Vergewaltigungs-Verschleierungsvereins nicht zur Verantwortung ziehen.
Es gibt nur vier Möglichkeiten: „Gott“ findet Kindervergewaltigungen gut. Oder: „Gott“ fühlt sich für die Kirche nicht zuständig. Oder: die Kirche fühlt sich nicht für „Gottes Willen“ zuständig. Oder: es gibt „Gott“ gar nicht. Andere logisch nachvollziehbare Denkmöglichkeiten für diese weltweiten Abscheulichkeiten bestehen nicht.
In jedem Falle bleibt für jedes Kirchenmitglied, das das Wort „Nächtenliebe“ noch ernst (also nicht in Sinne der pädophilen Kirchenmänner) meint, nur eins: Aufschrei und Austritt.
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Nicht "Vater unser" sondern "Scheinheiligkeit unser" . Ein seltsamer Glaube.