Nicht ganz gelungene Gesamtdarstellung

Einsamer-Wolf-Rechtsterrorismus

Der Politikwissenschaftler Florian Hartleb liefert in seinem Buch "Einsame Wölfe. Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter" eine Darstellung und Deutung zum Lone-Wolf-Terrorismus im Rechtsextremismus. Einerseits liefert er eine Fülle von relevanten Beispielen, Deutungen, Typologien, andererseits merkt man dem Text trotz formaler Gliederung eine gewisse Eile, mitunter fehlende Stringenz und Struktur an.

Wenn von Einzeltätern im Rechtsextremismus gesprochen wird, kommt immer schnell der Vorwurf der Verharmlosung auf. Der Einfluss der Gesellschaft und der Szene auf den Täter werde ignoriert. Dabei handelt es sich aber um einen Fehlschluss zum Gemeinten, geht es bei der Bezeichnung doch nur um die allein durch ein Individuum erfolgte Planung und Umsetzung.

Der bekannteste Fall dürfte der von Anders Breivik in Norwegen gewesen sein, hatte dieser doch allein 77 Menschen getötet. In Deutschland gehörte der Messerangriff auf die jetzige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker durch den früher aktiven Neonazi Frank Steffen dazu. Gleichwohl fand der Einsame-Wolf- bzw. Lone-Wolf-Terrorismus bislang als besonderes Phänomen noch nicht breitere Aufmerksamkeit.

Cover

Ein Buch dazu hat jetzt der Politikwissenschaftler Florian Hartleb mit dem Titel "Einsame Wölfe. Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter" vorgelegt. Er war Gutachter im Fall von David Sonboly, der neun Menschen in München getötet hatte. Dies motivierte Hartleb wohl zu dem Buch.

Am Beginn macht er auf die neuen diesbezüglichen Gefahren aufmerksam, welche auch von den Sicherheitsbehörden unterschätzt würden. Hartleb will dazu eine längst notwendige Auseinandersetzung mit dem neuen Terrorismus anstoßen. Dazu klärt er zunächst das Begriffsverständnis anhand der Sekundärliteratur und macht dabei auf die Problematik der Unterscheidung von ideologischen und psychischen Motiven bei der Tatdurchführung aufmerksam. Denn dem "Einsamen Wolf" gehe es "im Unterschied zu anderer terroristischer Gewalt nicht um das Verfolgen von kollektiven Zielen, sondern um die Erfüllung von persönlichen Gewalt- und Rachephantasien" (S. 72). Dann stellt sich verständlicherweise auch die Frage, worin gegenüber dem Amoklauf der Unterschied besteht. Hierfür werden bezogen auf bestimmte Aspekte dann in einer Gegenüberstellung die entsprechenden Merkmale genannt (vgl. S. 82 f.). Er betont hiernach, dass Einsame Wölfe häufig zu psychischen Problemen neigen würden, was auch konkrete Fallbeispiele belegen.

Diese bilden danach den Schwerpunkt: Ausführlich geht Hartleb auf verschiedene Täter ein, wobei er diese in bestimmte Typen einteilt: "Isoliert & enttäuscht" (S. 102), "Gescheitert, größenwahnsinnig & gefährlich" (S. 113), "Entwurzelt & radikal" (S. 132) sowie "Jung & faschistisch" (S. 154). Danach wird noch einmal in der Gesamtschau nach den Persönlichkeitsstörungen gefragt. Und schließlich geht der Autor auf gesellschaftliche Bedingungsfaktoren ein, blickt auf den Einfluss des internationalen Rechtsextremismus, den Einfluss des Internet und die Neigung zu Verschwörungstheorien. Den Abschluss bilden dann Gedanken zur Prävention, wozu auch eine Auflistung von Gefährdungsmerkmalen gehört (vgl. S. 240). Bei all dem durchzieht als Botschaft seine Darstellungen folgende Position: "Der Verweis auf den Einzelfall und die Fokussierung auf Motive wie Liebeskummer oder Schulmobbing konterkarieren eine notwendige wie unbequeme Debatte, da sie die Gesellschaft von jeder Mitverantwortung befreien" (S. 248 f.).

Dem Buch kommt das Verdienst zu, als erste deutschsprachige Darstellung genauer auf den Einsame-Wolf-Terrorismus aufmerksam gemacht zu haben. Hartleb nennt viele Beispiele, Fakten und Interpretationsansätze. Man merkt seinem Buch aber auch eine gewisse Eile an, fehlt es doch mitunter in der Argumentation an Struktur und bei den Nachweisen an Quellenbasis. Die Darstellung der Fallbeispiele stützt sich beispielsweise häufig eher auf Internetfunde von Presseartikeln, weniger auf Monographien zu den Taten. Der Autor neigt auch leider dazu, offenbar als Folge seiner Erfahrungen mit dem Fall in München, die Dimensionen von Amok und Ideologie als völlige Widersprüche anzusehen. Dabei liegt das jeweils Gemeinte auf unterschiedlichen Ebenen. Er selbst betont immer wieder die psychische Dimension vieler Einsamen Wölfe. Die fehlende Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden für das Phänomen kann man kritisieren, nur wenn dann aber selbst Beispiele für deren Wahrnehmung genannt werden (vgl. S. 70), wirkt dies widersprüchlich.

Florian Hartleb, Einsame Wölfe. Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter, Hamburg 2018 (Hoffmann und Campe), 253 S., ISBN 978-3-455-00455-7, 22 Euro