Humanistische Union kritisiert Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Krankenschwestern sollen über Kopfbedeckung selbst entscheiden

BERLIN. (hpd) Mit Urteil vom 24. September 2014 (Az. 5 AZR 611/12) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) einer Krankenschwester in einem evangelischen Krankenhaus untersagt, ein Kopftuch zu tragen und damit das kirchliche Sonderarbeitsrecht bestätigt. Dieses aber ist nach Meinung der Humanistischen Union e.V. (HU) nicht mehr vom Grundgesetz gedeckt. Die HU kritisiert deshalb das Urteil des BAG.

Vor dem BAG geklagt hatte eine muslimische Krankenschwester, die nach ihrer Elternzeit ihren Dienst in einem Evangelischen Krankenhaus in Bochum mit Kopftuch versehen wollte. Das Krankenhaus ließ sie jedoch nicht zur Arbeit zu, solange sie das Kopftuch trug. Die Krankenschwester klagte deshalb auf Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzug.

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Das BAG erklärte, dass das Kopftuch Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben sei und wertete das Tragen des Kopftuches deshalb als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit. Diese sei regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar.

Das sieht die HU aber anders: ArbeitnehmerInnen müssen sich auch während der Dienstausübung auf ihre Religionsfreiheit berufen können. Zu religiöser Neutralität sind sie bei privaten ArbeitgeberInnen nicht verpflichtet. Ihr religiöses Verhalten darf vielmehr nur dann eingeschränkt werden, wenn es nachweislich betriebliche Aufgaben und Abläufe stört. Das hat in anderen Fällen auch das BAG so entschieden. Die Kündigung einer Verkäuferin wegen ihres Kopftuches hat das BAG deshalb 2002 aufgehoben. Ebenso entschied das Arbeitsgericht Berlin 2012, dass die Nichteinstellung einer Zahnarzthelferin wegen ihres Kopftuches rechtswidrig sei. Bereits seit 2006 verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz die Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit auch in Arbeitsverhältnissen.

Das Recht von ArbeitnehmerInnen, sich gemäß ihrem eigenen Glauben kleiden zu dürfen, muss nach Meinung der Humanistischen Union auch in kirchlichen Einrichtungen gelten. Zwar räumt das Grundgesetz den Kirchen in Artikel 140 in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Weimarer Reichsverfassung das Recht zu, “ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und verwalten”. “Dieses Selbstbestimmungsrecht kann aber nicht mehr so umfassend zugunsten der Kirchen interpretiert werden wie zu Zeiten der Weimarer Republik!” erklärt Dr. Kirsten Wiese, Mitglied im Bundesvorstand der Humanistischen Union. “Vielmehr muss dieses Recht endlich an die arbeitsweltlichen Tatsachen angepasst werden: Etwa 1,3 Millionen Menschen arbeiten bei den christlichen Kirchen und ihren Einrichtungen. Ihr Dienst im Sinne der Nächstenliebe rechtfertigt keinesfalls ihre Benachteiligung gegenüber Beschäftigten bei nicht-kirchlichen Sozialeinrichtungen.”

Vielmehr fordert die Humanistische Union ebenso wie liberale ArbeitsrechtlerInnen schon seit Jahren eine Beschränkung des Sonderarbeitsrechts der Kirchen auf die verkündungsnahen Berufe wie Priester, Katechetin und Diakon. “Es ist nicht überzeugend, dass gerade ArbeitnehmerInnen wie Krankenschwestern, SozialarbeiterInnen oder auch Putzfrauen durch eigenständige Kleidung den selbst gewählten Verkündungsauftrag der Kirchen behindern”, bestätigt Dr. Kirsten Wiese.

 


Pressemitteilung der Humanistischen Union vom 30.09.2014