Der Politikwissenschaftler Marc Grimm beschäftigt sich in seinem Buch "Rechtsextremismus – zur Genese und Durchsetzung eines Konzepts" mit dem Thema des Titels, wobei er das Konzept insbesondere im Kontext eines Kampfes um die politische Hegemonie sieht. Einerseits legt er eine Fülle von interessanten Informationen vor, andererseits reduziert er die Kontroverse allzu sehr darauf – ohne die politische Dimension der Gegnerschaft ebenso intensiv zu betrachten.
"Extremismus" kann juristisch und politikwissenschaftlich definiert werden. Im erstgenannten Fall spricht man von politischen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, im zweiten Fall von Einstellungen und Handlungen gegen die Normen und Regeln des demokratischen Verfassungsstaates. "Rechtsextremismus" meint entsprechend eine Variante davon, wobei es um die Hervorhebung angeblicher ethnischer Zugehörigkeit geht. Das damit einhergehende Konzept ist politischer wie wissenschaftlicher Kritik ausgesetzt, wobei mitunter über das Gemeinte inhaltliche Verzerrungen ausgemacht werden können. Wie sich nun das Konzept "Rechtsextremismus" entwickelt hat, ist Gegenstand von Marc Grimms Studie zum Thema. In seinem Buch "Rechtsextremismus – zur Genese und Durchsetzung eines Konzepts" geht der Bielefelder Politikwissenschaftler diesem Prozess nach, wobei es ihm um den juristischen, politischen, sicherheitsbehördlichen und wissenschaftlichen Bereich bis in die 1980er Jahre hinein geht.
Dabei stellt der Autor jeweils drei Fragen: Wie konnte sich das Konzept "Rechtsextremismus" etablieren, welche Faktoren bedingten die Etablierung, und welche Rolle spielte das Konzept im "Kampf" um die kulturell-politische Hegemonie? (vgl. S. 22 f.). Nach darauf bezogenen Ausführungen zur Historiographie der Rechtsextremismusforschung geht es um die politische Entwicklung nach 1949, die rechtlichen Normierungen insbesondere im Kontext des SRP-Verbots, die Idee und Praxis des Verfassungsschutzes und die Relevanz in den Sozialwissenschaften. Für Grimm handelt es sich bei "Rechtsextremismus" um einen Deutungsrahmen, der Bewertungen politischer Phänomene erlaube und deren Verhalten für illegal oder illegitim erklären könne. "Die spezifische Bestimmung des Konzepts ist Gegenstand der politischen Auseinandersetzung, sie ist Ausdruck des Kampfes um politische Hegemonie" (S. 235). Es sei aber nicht nur aus parteipolitischen Erwägungen entstanden, sondern müsse im gesamtgesellschaftlichen Kontext gesehen werden.
Der Autor hat eine Fülle von Informationen zusammengetragen, welche die Entwicklung des Extremismusverständnisses in den genannten vier Kontexten zwischen 1949 und 1980 nachzeichnen. Dabei fällt indessen auf, dass der zentrale Arbeitsbegriff, eben "Extremismus", gar nicht genau definiert wird. Zwar referiert Grimm bereits in der Einleitung bestimmte Kontroversen, die sich aber jeweils auf Fehldeutungen des Gemeinten beziehen. So wird in der Argumentation häufig nicht klar, welches Extremismusverständnis jeweils gemeint ist. Ganz allgemein kann indessen für alle Auffassungen gesagt werden, dass es eben nicht um eine Abweichung von der politischen Mitte oder eine Gleichsetzung von unterschiedlichen Phänomenen geht. Wie der Autor selbst zu diesen Deutungen steht, ist übrigens nicht klar, referiert er doch nur derartige Einwände, ohne sie aber um einer Klarstellung willen einer Prüfung zu unterziehen. Allgemein scheint er in dem Konzept primär eine politische Waffe zu sehen, wobei die inhaltliche Begründung dafür außerhalb der Wahrnehmung bleibt.
Durchaus angemessen wäre die Aussage, dass der Begriff "Extremismus" auch in politischen Kontroversen instrumentalisierend verwendet wird. Doch spricht dies nicht notwendigerweise gegen seine Anwendung, werden doch auch Begriffe wie "Demokratie", "Gerechtigkeit" oder "Moral" politisch genutzt. Es kommt dabei jeweils auf eine klare inhaltliche Definition an, wobei diese den Kontext der Rezeption nicht zu ignorieren braucht. Wenn aber bei der Bejahung die politische Dimension von "Extremismus" beachtet werden soll, dann sollte auch die politische Dimension bei der Kritik an dem Konzept nicht ausgeblendet werden. Genau dazu finden sich bei Grimm aber keine Reflexionen. Bezogen auf die wissenschaftliche Beschäftigung meint er noch, das Konzept sei in die Kontroverse um "Faschismus" und "Totalitarismus" eingebunden (vgl. S. 197). Dies kann nicht ganz stimmen, geht es doch im ersten Fall um eine historische Bewegung, im zweiten Fall um die Systemebene. Bedauerlich ist auch, dass Grimm die Entwicklung nicht bis in die Gegenwart hinein verfolgt.
Marc Grimm, Rechtsextremismus – zur Genese und Durchsetzung eines Konzepts, Weinheim 2018 (Beltz-Verlag), 262 S., ISBN:978-3-7799-3847-7, 29,95 Euro
6 Kommentare
Kommentare
Martin Mair am Permanenter Link
Was für ein seltsames Gebrabel, nur um zu unterstellen dass der Begriff Rechtsextremismus "als Waffe" verwendet werde, also implitzi unterstellt wird, dass der Kampf gegen W"Rechtsextremismus" ein
Karl Kloos am Permanenter Link
Lieber Martin, lies doch einfach noch einmal den Artikel. Dann verstehst du auch, was du falsch verstanden hast.
Martin Mair am Permanenter Link
Das ist aber eine sehr belehrende, ja geradezu katholische Antwort. So argumentieren die Gläubigen auch, dass die Anderen alles falsch verstehen ;-)
Bringt mich auch nicht weiter ...
Karl Kloos am Permanenter Link
Nicht jammern, sondern anstrengen. "Allgemein scheint er in dem Konzept primär eine politische Waffe zu sehen, wobei die inhaltliche Begründung dafür außerhalb der Wahrnehmung bleibt."
Karl Kloos
Andreas am Permanenter Link
"Der Politikwissenschaftler Marx Grimm" ... alles klar ...
Martin Mair am Permanenter Link
Um mehr im Klartext zu sprechen: Nur weil "Antifaschismus" auch (leider mitunter sehr stark) parteipolitisch missbraucht wird ist das noch lange kein Grund für echte HumanistInnen sich selbst kritisch mit Re