Peru: Zwangssterilisation zur Armutsbekämpfung

In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden hunderttausende Indigene in Peru zwangssterilisiert. Unter Präsident Fujimori sollte diese systematische Verletzung der Menschenrechte der Armutsbekämpfung dienen. Heute versuchen die Opfer der Verbrechen Gerechtigkeit und Entschädigung zu erhalten.

Unter der Regierung Alberto Fujimoris (1990–2000) sollte die Armut mittels eines "Programa Nacional de Planificación Familiar" (in etwa: "Nationales Familienplanungsprogramm") verringert werden. Während in anderen Ländern versucht wurde und wird, dieses Ziel mittels besserer Ausbildung, Infrastruktur und medizinischer Versorgung zu erreichen, nahm der Plan in Peru Züge eines Kampfes gegen die indigene Bevölkerung des Landes an. BBC berichtet von knapp 315.000 Frauen, die in der Zeit sterilisiert wurden. Ebenfalls betroffen waren etwa 30.000 Männer. Untersuchungen von Nichtregierungsorganisationen wie "Comité de América Latina y El Caribe para la Defensa de los Derechos de la Mujer", kurz CLADEM (zu deutsch etwa "Lateinamerikanisches und karibisches Komitee zur Verteidigung der Frauenrechte") und Amnesty International zeigen auf, dass nur etwa zehn Prozent der betroffenen Frauen ihre Zustimmung freiwillig gaben.

Üblich war es, Frauen mittels Betrug, Drohung, Erpressung oder schierer Gewalt in die sogenannten Gesundheitszentren zu bringen und dort unter mangelnder Vorsorge, Hygiene und Nachsorge Sterilisationen mittels Tubenligatur, also die Verlötung oder anderweitige Blockierung der Eileiter, durchzuführen. Manchen Frauen wurde Gesundheitsvorsorge versprochen, andere wurden damit erpresst, ihre bereits geborenen Kinder nicht zu registrieren, wenn sie nicht in die Sterilisation einwilligten, wieder weitere mittels Krankenschwestern und Polizei eingeschüchtert oder gar direkt verschleppt. Selbst schwangere Frauen wurden nicht verschont und trotzdem operiert. Viele Frauen, aber auch Männer, überlebten die Zwangssterilisation beziehungsweise die mangelnde Vor- und Nachsorge und die katastrophalen hygienischen Bedingungen nicht. Ihr Andenken bewahren Opfer-Organisationen wie "La Madre", zu deutsch "Die Mutter". Sie erinnern an die Menschen, was ihnen widerfahren ist und wann sie gestorben sind.

Die Tagesschau lässt überlebende Quechua-Frauen zu Wort kommen. Nach vielen Jahren des Schweigens berichten sie über die Verbrechen und fordern Wiedergutmachung. Rute Zuñiga wurde 1999, als 28-Jährige und vierfache Mutter, von Polizei und Krankenschwestern in ein Gesundheitszentrum verschleppt und gegen ihren Willen sterilisiert. Wie bei vielen anderen Frauen ist ihr Leben seitdem nicht mehr dasselbe. Zu dem Verlust der Möglichkeit weitere Kinder zu bekommen kamen Entzündungen der Wunde, Spätfolgen wie Gelenkschmerzen und Verlust der Arbeitskraft sowie ein Bruch im Verhältnis zu ihrem Mann. Zugiña engagiert sich aktuell in einer Organisation Betroffener und erhofft sich, dass sich Verbrechen, wie sie ihr angetan wurden, nicht wiederholen.

Alberto Fujimori sowie seine Verwandten, wie Tochter und Politikerin Keiko Fujimori, erklären, weder Kenntnis von Zwangssterilisationen gehabt zu haben, noch Order in die Richtung gegeben zu haben. 2014 konnte die Staatsanwaltschaft keine Hinweise auf Mitwirkung Fujimoris finden. Für die Menschenrechtsorganisationen sowie die Überlebenden der Sterilisationen steht die Schuld jedoch fest.

Ein staatliches Register soll den Überlebenden der Zwangssterilisationen Unterstützung und Zugang zu Entschädigungen gewähren. El Diario berichtet jedoch, wie schwer es für arme Menschen ist, vom Register zu erfahren und sich eintragen zu lassen. Wer kein Geld für eine Reise hat, ist auf die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen angewiesen oder verliert selbst diese Möglichkeit einer minimalen Wiedergutmachung.

Die Ärzte und Krankenschwestern, die Menschen gegen ihren Willen sterilisierten, sind teilweise noch immer in Krankenhäusern und Gesundheitszentren tätig. Wenige erhielten milde Strafen wie zum Beispiel ein Jahr Hausarrest.

Peru ist leider nicht das einzige Land, in welchem indigene Personen systematisch gegen ihren Willen sterilisiert wurden. Der Guardian berichtet, dass in Kanada bis ins Jahr 2017 noch immer Zwangssterilisationen durchgeführt wurden.