Italien

Recht auf Abtreibung unter Druck von rechts

Seit etwa 40 Jahren hat Italien ein Gesetz zur legalen Abtreibung. Es ist dem deutschen Gesetz mit Frist, Beratung und Wartezeit ähnlich. Nun droht ihm Gefahr durch die Politik, die katholische Kirche und fanatische Abtreibungsgegner. Weniger ÄrztInnen trauen sich Abtreibungen durchzuführen. ItalienerInnen müssen fürchten, nicht mehr fristgerecht abtreiben zu können. Die Anzahl der Reisen ins frauenfreundlichere Ausland und die Gefahr heimlicher und gefährlicher Abtreibungen steigen.

Mit durchschnittlich 1,34 Kindern pro Frau hat Italien die niedrigste Geburtenrate Europas. Die aktuelle Regierung, bestehend aus den Parteien MoVimento 5 Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) und Lega Nord (Liga Nord), möchte das gern ändern. Unterstützt wird sie dabei von der katholischen Kirche, die ihren Einfluss auszubauen sucht.

Bereits im Jahr 2018 versuchte die Regierung Familien zu einer höheren Kinderzahl zu bewegen, indem kinderreichen Menschen Ackerland versprochen wurde. Nach Angaben des Standard sah eine von der Lega ausgearbeitete Maßnahme vor, Ackerland für die Dauer von 20 Jahren an Familien zu vergeben, die zwischen 2019 und 2021 ihr drittes Kind bekommen.

Da das Ergebnis der Maßnahme wohl ähnlich karg ausfällt, wie die zur Verteilung stehenden Flächen, wurde nun auch der Druck auf die legale Abtreibung erhöht. Derzeit können Frauen in den ersten 90 Tagen der Schwangerschaft legal abtreiben, wenn sie ein Beratungsgespräch absolvieren und eine Woche Wartezeit zwischen Beratung und Schwangerschaftsabbruch einhalten. ÄrztInnen, die Abtreibungen durchführen, haben jedoch bereits in großem Umfang mit Anfeindungen zu rechnen. Laut Weltspiegel führen mittlerweile 70 Prozent der GynäkologInnen und AnästhesistInnen keine Abtreibungen mehr durch. Das Gesetz erlaubt ihnen die Verweigerung aus Gewissensgründen.

Für in Not geratene Frauen eine dramatische Situation. In der Landeshauptstadt Rom führen nur noch zwei staatliche Kliniken Abtreibungen durch. Die Warteschlangen sind lang und ungewollt Schwangere stehen schon um vier Uhr morgens an, um behandelt zu werden. Durch lange Anreisen und Wartezeiten bei Kliniken und Praxen wächst die Angst, die Frist zu verpassen. Nach Entdeckung der Schwangerschaft muss ein Beratungstermin vereinbart und absolviert werden, darauf folgt die verpflichtende Woche Wartezeit. Dann kommt die Wartezeit auf die tatsächliche Abtreibung hinzu.

Frauen, die die Ausgaben finanziell stemmen können, reisen zum Beispiel in die Niederlande, um abtreiben zu können. GynäkologInnen fürchten aber auch einen Anstieg illegaler, heimlicher Abtreibungen unter unhygienischen Bedingungen, die zahlreichen Frauen Gesundheit und Leben kosten könnten. Diese kamen seit der Möglichkeit legaler Schwangerschaftsabbrüche kaum noch vor.

In der im nordöstlichen Italien gelegenen Stadt Verona wurde der von der Lega eingebrachte Vorschlag, Frauen eine Abtreibung auch mittels Geldleistungen auszureden, angenommen. Wer ein Kind austrägt, statt es abzutreiben, soll 18 Monate lang 160 Euro städtisches Geld erhalten. Der Vorschlag wurde auch in anderen Städten wie Rom und Mailand kopiert und durchgesetzt.

FrauenrechtsaktivistInnen fürchten um das Recht auf und die Möglichkeit zu legaler und sicherer Abtreibung durch ÄrztInnen. Sie kämpfen gegen die Diskriminierung von Frauen und politische sowie kirchliche Eingriffe in die Fortpflanzungsrechte. Jedoch fürchten sie eine Zunahme von Verletzten und Toten, sollten heimliche Schwangerschaftsabbrüche aus Mangel an Alternativen wieder zum Alltag werden.