Heilige Bienen, transformierte Gehirne und Selbst-OPs:

Der Wahn der Zürcher Esoterikmesse

Zu den stärksten Kräften unseres Bewusstseins gehört die Einbildung. Wir sind von Ängsten und Sehnsüchten gesteuert, weshalb unser Hirn Bilder, Ideen und Hoffnungen produziert, die aus tiefen unbewussten Schichten stammen und oft wenig mit den eigentlichen Lebensumständen oder der realen Welt tun haben. Die Folge: Der Aberglaube beherrscht unser Denken.

Hautnah erleben kann man das Phänomen nächste Woche in Zürich. Am kommenden Donnerstag beginnt der viertägige Jahrmarkt der Einbildungen und Wunder. Die Esoterikmesse "Lebenskraft" zieht wohl einmal mehr Tausende spirituelle Sucher in ihren Bann, die sich nach Heil, Heilung und Heiligung sehnen.

Neben den vielen Ausstellern bietet die rührige Messeleiterin Angelika Meier ein voll bepacktes Rahmenprogramm mit spirituellen Meistern, Geistheilern und hellsichtigen Medien.

Am Freitagabend channelt zum Beispiel die Österreicherin Ingrid Auer live Energien und Botschaften von Engeln, aufgestiegenen Meistern, Göttinnen und Schutzpatronen. Die Besucher kommen also in den Genuss von authentischen Botschaften aus dem Himmel.

Am Samstagmorgen erklärt der esoterisch angehauchte Arzt Matthias Kampschulte alternative Methoden der omnipotenten Zellverjüngung. Angeblich eine günstige Art der Lebensverlängerung.

Der russische Meister Alexander Kalen hat gleich zwei Auftritte. Ein Workshop behandelt die "bessere Anbindung an die höheren Ebenen des Bewusstseins". Außerdem werden die Zellen der DNS, das Hirn und der Körper der Besucher transformiert.

Beim zweiten Auftritt neutralisiert Kalen gleich seine eigene kollektive Hirnwäsche. Er verspricht, die Manipulationsprogramme durch die Medien, religiöse Einrichtungen und anderes mehr loszuwerden. Und er bietet auch Schutz vor weiteren Manipulationen.

Auch vor Ort: der umstrittene Heiler Christos Drossinakis. Er betont, dass die Heilung nicht durch ihn passiere, sondern durch eine göttliche Kraft. Eine Vorsichtsmassnahme, um nicht gegen das Gesundheitsgesetz zu verstoßen. Denn Heiler dürfen keine Krankheiten im medizinischen Sinn behandeln und keine Heilung versprechen.

Eine besondere Methode stellt der Herzheiler Thomas Young aus Hawaii vor. "Autonome Heilbewegungen der Seele werden möglich", verspricht er. Vielleicht sollte Young die Seele zuerst verorten, bevor er sie in die heilende Bewegung versetzt.

Annabelle Bakic präsentiert die Matrix des Bewusstseins der Bienen. Diese würden ein ganz ursprüngliches, reines Wissen für diese Welt bewahren. Und wörtlich: "Die Biene gilt seit Urzeiten als spirituelle Führerin, verbunden mit den heiligsten Prinzipien des Seins, die als Mysterienwissen von Generation zu Generation weitergegeben wurde." Du heiliger Bimbam. Was wohl die Bienen dazu sagen?

Auffällig und überraschend ist, dass die russische Heilpraktikerin Tatjana Lackmann einen Auftritt bekommt. Sie wird als Ärztin vorgestellt und trägt den Titel "Prof. Dr. med.".

Prof. Dr. Tatjana Lackmann "operiert" mit bloßen Händen:

Lackmann betreibt paranormale Chirurgie und zeigt bei ihrem Auftritt in Zürich "Selbst-Operationen, speziell für die Halswirbelsäule, Lendenwirbelsäule, zum Stärken des Kreuzbereiches, Gelenke, Leber und andere innere Organe."

Ist das nur eine spirituelle oder virtuelle Operation? Auf ihrer Homepage schreibt sie: "Die 'Paranormale Chirurgie nach Methode Tatjana Lackmann®' ähnelt einer Operation ohne Messer. Der Patient ist in einem Trancezustand, doch bei klarem Bewusstsein. Bei dieser Methode werden mit bloßen Händen etwa drei nacheinander folgende Schnitte, durch Streichen mit dem Finger über die Haut, vorgenommen. Anschliessend erfolgt das 'Herausnehmen’ des 'kranken Gewebes', bis der Patient das Gefühl von Leichtigkeit und Leere verspürt. Als Letztes wird der behandelte Teil wieder 'geschlossen und zugenäht'."

So weit, so klar. Oder doch nicht? Was man von den paranormalen Operationen halten muss, kann Messechefin Meier gleich selbst beurteilen. Sie liess sich 2011 von der "Professorin" die Gallensteine operieren, begleitet von einem Team des Schweizer Fernsehens.

Um die lange Geschichte kurz zu machen: Nach der "Operation" liess sich Meier schulmedizinisch untersuchen. Das wenig überraschende Resultat: Die Gallensteine lagen nicht in der Nierenschale von Lackmann, sondern schlummerten weiterhin im Bauch der leichtgläubigen Patientin.

Diese Pleite hat Meier nicht daran gehindert, die Chirurgin ohne Skalpell auch an die diesjährigen Esoterik-Tage einzuladen. Womit es überflüssig wird, über die Qualitätsstandards der viertägigen Veranstaltung zu diskutieren.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.