Impfpflicht gegen Masern

Gestern hat das Bundeskabinett ein Gesetz für eine Impfpflicht gegen Masern auf den Weg gebracht. Ab März 2020 gilt eine Impflicht für Kinder in Kita und Schule. Der hpd sprach darüber mit Dr. Natalie Grams.

Vor einer Aufnahme in eine Kita oder Schule müssen ab dem März kommenden Jahres Eltern nachweisen, dass diese geimpft sind. Diese Impfpflicht gilt auch für Tagesmütter und das gesamte Personal in Kitas, Schulen, in der Medizin und in Gemeinschaftseinrichtungen wie Flüchtlingsunterkünften.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BfG) teilte dazu mit: "Kinder, die schon jetzt im Kindergarten und in der Schule oder in anderen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden, müssen den Nachweis (Impfausweis, die Red.) bis zum 31. Juli 2021 erbringen. Wurde die Krankheit schon einmal durchlitten, kann der Nachweis durch ein ärztliches Attest erbracht werden."

Künftig müssen Eltern, die ihre in Gemeinschaftseinrichtungen betreuten Kinder nicht impfen lassen, mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 2.500 Euro rechnen. Bußgeld kann auch gegen Kindertagesstätten verhängt werden, die nicht geimpfte Kinder zulassen. Es ist auch vorgesehen, dass nicht geimpfte Kinder vom Besuch des Kindergartens ausgeschlossen werden können.

Die Einführung der Impfpflicht soll zudem durch eine verstärkte Aufklärung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung begleitet werden.

Wir baten Dr. Natalie Grams um eine Einschätzung des kommenden Gesetzes.

hpd: Warum wurde eine gesetzliche Regelung notwendig?

Dr. Natalie Grams: Die Impfquoten, um die Masern weltweit und speziell in Deutschland auszurotten, sind immer noch und trotz viel Aufklärung zu gering. Das Bundesgesundheitsministerium sieht hier die Notwendigkeit, die Quote über eine Impfpflicht zu erhöhen und uns darüber langfristig alle von den Masern zu "befreien".

Kann man davon ausgehen, dass damit die Vernunft über die Unvernunft gesiegt hat?

Das würde ich so nicht sagen, denn immerhin gibt es so viele vernünftige Argumente für das Impfen, dass man eigentlich nicht erst durch eine Pflicht dazu gezwungen werden sollte.

Wie hoch sind die Chancen, damit eine Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen?

Aus meiner Sicht, wäre es wichtiger gewesen, die Aufklärung zu verstärken und das Impfen zu erleichtern. Immer noch ist das Impfen irgendwie für viele ein schwerer Akt – sei es aus irrationalen Ängsten heraus oder organisatorisch.

Nun setzt man aber auf eine Pflicht im Kindesalter, und unter anderem bei medizinischem Fachpersonal.

Damit erreicht man zwar zwei wichtige Zielgruppen, die Erwachsenen, bei denen die Impfquote zu niedrig liegt, erreicht man dadurch jedoch nicht. Auch sie stellen ein Risiko dar. Auch sieht man in manchen guten wissenschaftlichen Erhebungen, dass wenn eine Impfung zur Pflicht wird, andere vernachlässigt und als nicht mehr so wichtig erachtet werden. Die Durchimpfung könnte also schlimmstenfalls insgesamt sogar sinken.

Wenn im März 2020 die Impfpflicht beginnt: Wann etwa ist mit einem sichtbaren Ergebnis – also dem Eindämmen der Krankheit – zu rechnen?

Die Erhöhung der Impfquoten und das Absinken der Masernerkrankungen wird man sicherlich erst nach einigen Monaten bis Jahren sicher feststellen können. International gilt das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Masern komplett auszurotten. Dieses Ziel ist erst erreicht, wenn die Masern wirklich gar nicht mehr auftreten und das kann tatsächlich noch einige Jahre dauern und erfordert auch eine internationale Zusammenarbeit wie damals bei den Pocken.

Hintergrund:

Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten. Europaweit wurden im Jahr 2018 12.352 Maserfälle gemeldet. 2019 wurden in Deutschland bis Mitte Juni bereits 429 Fälle registriert. Im gesamten Jahr 2018 betrug die landesweite Zahl der gemeldeten Erkrankungen 544 Fälle. Masern bringen häufig Komplikationen und Folgeerkrankungen mit sich. Dazu gehört im schlimmsten Fall eine tödlich verlaufende Gehirnentzündung. Eine Masern-Infektion ist damit anders als vielfach angenommen keine "harmlose Kinder-Krankheit". Den besten Schutz vor Mastern bieten Impfungen. Sie sorgen für eine lebenslange Immunität.

Trotz aller Aufklärungskampagnen sind die Impflücken bei Masern in Deutschland aber weiterhin zu groß, wie aus neuen Auswertungen des RKI zu Impfquoten hervor geht. Zwar haben 97,1 Prozent der Schulanfänger die erste Impfung bekommen. Aber bei der entscheidenden zweiten Masernimpfung gibt es große regionale Unterschiede, so dass auf Bundesebene die gewünschte Impfquote von 95 Prozent noch immer nicht erreicht wird. Erst mit dieser Quote kann die Herdenimmunität erreicht werden. Nach den neuen Daten des RKI sind gut 93 Prozent der Schulanfänger 2017 zweimal gegen Masern geimpft. (Quelle: Bundesministerium für Gesundheit)