Symposium zum Weltbild der modernen Physik in Nürnberg
Die Welt und das Leben ohne Religion verstehen
Am Wochenende 20.–22.9.2019 findet in Nürnberg das Symposium "Unbestimmt und relativ? Das Weltbild der modernen Physik" statt, bei dem renommierte Physiker und Philosophen vortragen. Brynja Adam-Radmanic hat für den hpd mit Organisator Helmut Fink gesprochen.
hpd: Der Titel des Symposiums klingt recht ambitioniert. Was ist die Grundidee?
Helmut Fink: Die Physik des 20. Jahrhunderts ist durch zwei bedeutende wissenschaftliche Revolutionen gekennzeichnet: die Relativitätstheorie und die Quantentheorie. Unser heutiges Verständnis von der Struktur des Universums und vom Aufbau der Materie ist davon durch und durch geprägt.
Aber diese Theorien sind mathematisch formuliert und gelten als unanschaulich. Die Idee ist, Grundzüge beider Theorien von ausgewiesenen Fachleuten so erklären zu lassen, dass die Faszination der modernen Physik spürbar wird – und dabei offene Fragen, Voraussetzungen und Grenzen der Theoriebildung mit Philosophen diskutiert werden können.
Wie sieht das Verhältnis von Physik und Philosophie heute aus? Können Philosophen noch etwas beitragen zur Theoriebildung in der Physik?
Es kann sehr wohl einen fruchtbaren Dialog geben zwischen der Physik als grundlegendster Naturwissenschaft und der Philosophie als grundlegendster Geisteswissenschaft. Man darf aber nicht erwarten, dass die Philosophen die besseren Physiker wären. Das ist nicht ihre Rolle und nicht ihr Anspruch. Es ist eher eine Art Arbeitsteilung: Für Theorie und Experiment sind und bleiben die Physiker zuständig, aber Methodenfragen und Deutungsfragen sind eine Domäne der Philosophen, und es kann für die Einordnung physikalischer Erkenntnisse sehr hilfreich sein, den Austausch über die Fachwissenschaft hinaus zu pflegen und zum Beispiel wissenschaftstheoretische Argumente zu kennen. Nicht umsonst gibt es "Philosophie der Physik" als eigenes Spezialgebiet.
Wie muss ich mir das konkret vorstellen? Worum kümmert sich die Philosophie der Physik?
Sie ist ein Teilgebiet der Wissenschaftsphilosophie, die besonders die Erkenntnismethoden der Physik im Blick hat. Man kann sie einteilen in wissenschaftsgeschichtliche, wissenschaftstheoretische und wissenschaftssoziologische Aspekte, und es gibt auch Bezüge zur Naturphilosophie.
Aber auf dem Symposium wird es eher um die spannenden Streitfragen gehen, die auch in der populären Literatur immer wieder eine Rolle spielen: Wo liegen die Kontroversen bei der Interpretation der Quantentheorie? Was sagt uns die Quantentheorie über die Natur? Wie kann man über das Verhalten von Quantensystemen so reden, dass nicht dauernd falsche Vorstellungen transportiert werden? Wie fundamental sind unsere Konzepte von Raum und Zeit? Lassen sich bald alle physikalischen Wechselwirkungen in einer vereinheitlichten Theorie beschreiben? Gibt es womöglich viele Universen?
Kann man solche Themen verständlich aufbereiten, so dass auch Nichtphysiker eine Chance haben? Wer ist die Zielgruppe des Symposiums?
Es ist ein populärwissenschaftliches Symposium. Ziel ist die Darstellung der "großen Fragen" für ein Nichtfachpublikum.
Die Referenten wissen, dass sie nicht auf einer Fachkonferenz reden. Viele von ihnen sind schon durch populäre Vorträge oder Bücher in Erscheinung getreten. Einige wie Sibylle Anderl oder Rüdiger Vaas sind sogar hauptamtlich im Wissenschaftsjournalismus tätig.
Ich denke, es wird auf jeden Fall bereichernd, bei diesen Themen den Profis zuzuhören. Mir fällt da die Ankündigung eines Seminars an der Uni vor vielen Jahren ein: Bei "Voraussetzungen", wo etwa stehen konnte, dass man dies und das schon gelesen haben sollte, hieß es da nur "wacher Verstand und Interesse am Thema". Das würde ich für das Symposium auch sagen.
Wer ist denn der Veranstalter?
Es sind sogar drei: Hauptveranstalter sind die Heisenberg-Gesellschaft e.V. und die Arbeitsgruppe Philosophie der Physik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG).
Werner Heisenberg war ja einer der wichtigsten "Gründerväter" der Quantentheorie, und es ist ein Anliegen der Heisenberg-Gesellschaft, sein Lebenswerk und die Bedeutung der Quantenphysik für unser Weltbild lebendig zu halten. Und die DPG ist die deutsche Fachgesellschaft für Physiker, sogar weltweit die größte. Sie hat viele verschiedene Sektionen und ein paar Arbeitsgruppen, darunter seit 2004 auch eine zur Philosophie.
Da ich zur Zeit im Vorstand der Heisenberg-Gesellschaft aktiv bin und zugleich einige Kollegen aus der AG Phil gut kenne, lag es nahe, hier die Interessen zu bündeln und die philosophisch aufgeschlossenen Physiker mit den physikalisch kompetenten Philosophen zusammenzubringen. Eine wichtige Rolle spielt drittens das Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs "Kortizes" – denn ein Symposium dieser Größe kann man nicht allein organisieren. Da bin ich für die Erfahrung dankbar, die wir in den letzten Jahren im Kortizes-Team erarbeitet haben und die diesmal nicht für die Neurowissenschaft, sondern für die Physik genutzt werden kann.
Gibt es eigentlich Bezüge zur säkularen Weltsicht? Wieso sollten gerade hpd-Leser das Symposium besuchen?
Wer die Welt und das Leben ohne Religion versteht und meistert, wird wohl in der Regel an Naturwissenschaften interessiert sein. Jedenfalls würde ich mir das wünschen, denn woher sollen sonst verlässliche Erkenntnisse über den Aufbau der Welt, in der wir uns bewegen und die wir gestalten müssen, kommen?
Religionskritik oder überhaupt Weltanschauliches im engeren Sinn wird aber auf dem Symposium überhaupt keine Rolle spielen. Es geht um "Weltbild"-Fragen, die sich aus der Wissenschaft ergeben, und es ist ja ein großer Fortschritt der Neuzeit, dass sich die Wissenschaften hier unabhängig von weltanschaulichen Vorgaben jeder Art entwickeln können. Wenn man an Giordano Bruno oder Galileo Galilei denkt, weiß man, dass das nicht immer so war.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Physik-Symposium "Unbestimmt und relativ? – Das Weltbild der modernen Physik
20.–22. September 2019, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Infos und Programm: physik-symposium.de
Normalpreis 160,- Euro (ermäßigt 120,- Euro)
mit Frühbucher-Rabatt (verlängert bis 04.08.): 150,- Euro (ermäßigt 110,- Euro)
Anmeldung über Reservix
Logischerweise NICHT, denn wie könnte es mehr als ein Alles geben (ganz zu schweigen von der Frage, wie es überhaupt zu erkennen wäre)? Es ist höchstens denkbar, daß dieses EINE Universum in mancherlei Hinsicht völlig anders strukturiert ist, als wir es uns heute vorstellen.
Oh, wir haben hier einen theoretischen Physiker unter uns Kommentatoren! Der zudem mehr weiß als die Mehrheit aller anderen theoretischen Physiker. Denn die diskutieren sehr ernsthaft die Idee von Multiversen.
…
Aber sie sind halt alle nicht so klug und denken alle nicht so logisch wie Thomas R.
Wir müssen davon ausgehen, daß dieses EINE unser Universum existiert, aber es könnte EIN "Multiversum" sein (wenn man diesen noch immer leicht mißverständlichen Begriff unbedingt verwenden möchte).
Wer gibt uns das Recht von einer Endlichkeit auszugehen? Der Mensch neigt zu der Annahme, dass alles Anfang und Ende hat. Frage: und was kommt hinter den Grenzen; in welchem unendlichen Raum "schwimmen" wir?
Wir Menschen halten unsere Wahrnehmungen und Handlungen gern für durchweg bewusst und überlegt. Doch die Forschung der letzten Jahrzehnte hat diesen angenehmen Glauben gehörig ins Wanken gebracht. Diesem spannenden Thema widmet sich das "Symposium Kortizes", das vom 4. bis 6. Oktober im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg stattfindet.
Die Veranstaltung, die fünfte ihrer Art, versammelte am vergangenen Wochenende (7. bis 9. Oktober) rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Nürnberg.
Hochbegabung, Kreativität und Intelligenz – das sind die Forschungsschwerpunkte der Psychologieprofessorin Tanja Gabriele Baudson. Dazu wird sie auch auf dem Symposium Kortizes 2022, das am kommenden Wochenende, 7. bis 9. Oktober, in Nürnberg stattfindet, sprechen. Im Vorfeld unterhielt sich Inge Hüsgen mit ihr über die Situation von Hochbegabten in Deutschland sowie die Rolle der Wissenschaftskommunikation in der Gesellschaft.
In der zweiten Hälfte des Kortizes-Symposiums "Hirn im Glück" ging es in sechs Vorträgen aus Psychologie, Wirtschaftswissenschaften und Philosophie um Fragen wie: Was passiert neuronal, wenn wir singen oder im Takt wippen? Welche Widrigkeiten lauern auf dem Weg zum Lebensglück? Und: Ist Weisheit mit Glück vereinbar?
Brauchen wir Sinnerfüllung? Wie finden und halten wir innere Balance? Um die Wissenschaft menschlichen Wohlbefindens ging es Mitte April beim Kortizes-Symposium "Hirn im Glück". Dies ist Teil 1 des Berichts über die Veranstaltung mit einem Überblick über die ersten 6 Vorträge aus Psychologie, Psychiatrie und Biologie.
8 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Die Welt und das Leben ohne Religion verstehen" - ich empfehle da immer gerne das Buch "Naturalismus" von Martin Mahner.
Thomas R. am Permanenter Link
"Gibt es womöglich viele Universen?"
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Petra Pausch am Permanenter Link
Oh, wir haben hier einen theoretischen Physiker unter uns Kommentatoren! Der zudem mehr weiß als die Mehrheit aller anderen theoretischen Physiker. Denn die diskutieren sehr ernsthaft die Idee von Multiversen.
Thomas R. am Permanenter Link
Unüberlegte Reaktion. Bitte nochmal nachdenken! Es ist nämlich gar nicht SO schwer zu verstehen, was ich meine.
Manfred H. am Permanenter Link
Es könnte sein, dass es kein Universum gibt...sondern ein Multiversum.
Thomas R. am Permanenter Link
Wir müssen davon ausgehen, daß dieses EINE unser Universum existiert, aber es könnte EIN "Multiversum" sein (wenn man diesen noch immer leicht mißverständlichen Begriff unbedingt verwenden möchte).
Dieter Bauer am Permanenter Link
…. Wir müssen davon ausgehen …
Thomas R. am Permanenter Link
"Recht"? "Endlichkeit" <-> "In einem UNendlichen Raum schwimmen"? Was hat das mit meinen Feststellungen zu tun?