Der österreichische Psychoanalytiker Sama Maani hat in dem kleinen Büchlein "Warum wir Linke über den Islam nicht reden können" einige Essays zum Thema versammelt. Diese machen deutlich, dass nicht wenige Liberale und Linke selbst rassistische Positionen reproduzieren und bei all dem nicht selten eine emanzipatorische Religionskritik aufgeben.
Wie hältst Du es mit dem Islam und den Muslimen? Diese neue Gretchenfrage stellt für nicht wenige Linke ein Problem dar. Denn man kann frauendiskriminierende Einstellungen ausmachen, vermeidet aber nicht selten Kritik, da diese ja zu Rassismusvorwürfen führen oder den Rechten nützen könnte. Damit werden dann eigene Ideale, die von der Aufklärung über die Frauenemanzipation bis zur Religionskritik reichen, nicht selten aufgegeben. Es müsste aber genauer heißen: partiell aufgegeben. Damit ist ein Dilemma skizziert, was aber nur hinsichtlich einer gewissen Doppelmoral bezüglich des eigenen Selbstverständnisses aufkommen kann. Es wird dann mehr moralisiert denn reflektiert. Wer eine andere Ausrichtung bevorzugt, der kann jetzt zu einem kleinen Büchlein greifen. Es hat gerade mal knapp über 100 Seiten, besteht aus einer Sammlung von bereits erschienenen Texten und stammt von dem österreichischen Psychoanalytiker Sama Maani. Ein Beitrag gab ihm der Haupttitel: "Warum wir Linke über den Islam nicht reden können".
In diesem ersten Essay findet sich schon eine provozierende Kommentierung. Der Autor deutet nämlich an, dass ein bei vielen Linken kursierendes Muslimen-Verständnis selbst rassistische Vorstellungen reproduziere. Denn man nehme die Gemeinten gar nicht mehr als Individuen, sondern eben aufgrund ihrer Herkunft aus einem Kulturkreis als Muslime wahr. Dann heißt es: "Linke, welche die Ideologie der 'vollen Identität', ohne es zu bemerken, mit den Rechten teilen – eine Ideologie, die zwischen dem Islam und einzelnen Individuen keine Unterschiede macht – und denen folglich die Inschutznahme einer Glaubenslehre 'antirassistisch' erscheint, haben jeden Anspruch auf Religionskritik aufgegeben" (S. 10). Liberale wie linke Diskursteilnehmer würden häufig davor zurückschrecken, zwischen den Glaubensinhalten und -wertvorstellungen des Islam und den Problemen in islamisch geprägten Gesellschaften einen Zusammenhang zu sehen. Dies sei eine "Selbstdemontage vieler Linker in Sachen Religionskritik" (S. 16).
Derartige Auffassungen prägen auch die folgenden Beiträge, wobei hier aus "'Islamophobie', Antisemitismus und eine Frage an Radio Eriwan" noch aussagekräftige Zitate folgen sollen. Es geht darin eigentlich um die Frage, ob der neue Antisemitismus eben in einer Muslimenfeindlichkeit bestehe. Maani verwirft dieses Postulat. Interessanter ist aber, was er dabei sonst noch schreibt: "Wer nicht müde wird, 'Islamophobie' oder 'Islamfeindschaft' als rassistisch zu bezeichnen (…), erklärt den Islam, ohne es zu bemerken, zu einer 'rassischen' quasi genetischen Eigenschaft von Arabern, Türken oder Iranern." Und weiter heißt es: "Hinzu kommt, dass Kampfbegriffe wie 'Islamophobie', indem sie die Kritik an einer oder die Ablehnung einer Glaubenslehre als 'rassistisch', sprich als 'unmöglich' etikettieren, jede substantielle Debatte über den Islam im Keim ersticken. Mit fatalen Folgen. So werden Stimmen, die in islamisch geprägten Gesellschaften … die Emanzipation der Gesellschaft von der Religion fordern, regelmäßig – oft buchstäblich – mundtod gemacht" (S. 40 f.).
Die folgenden Beiträge gehören dann schon nicht mehr zum eigentlichen Thema. Da geht es darum, wie die Bücher von Maani als Migrantenliteratur wahrgenommen werden. Auch kommentiert der Autor kritisch die Identitätspolitik der Linken. Er thematisiert ebenso, dass Kulturen verschwinden können. Und schließlich wird das Erotische im gegenwärtigen Iran angesprochen. Bei all dem erklären der berufliche Hintergrund und die iranische Prägung die inhaltliche Stoßrichtung. Diese letztgenannten Beiträge wirken etwas unpassend, sie wurden wohl nur aufgenommen, um aus den anderen Abhandlungen ein kleines Büchlein zu machen. Der Autor schreibt nicht immer leicht verständlich und bewegt sich nicht selten auf einer sehr abstrakten Ebene. Dann gibt es aber auch wieder Berichte über alltägliche Ereignisse, die den Anlass zu seinen Reflexionen geben. Aber allein schon die erwähnten Aussagen lohnen für eine genaue Lektüre. Darüber hinaus gilt für den Diskurs zum Thema: "Entrüstung setzt hier die begriffliche Auseinandersetzung" (S. 52).
Sama Maani, Warum wir Linke über den Islam nicht reden können. Essays, Analysen, Reflexionen, Klagenfurt 2019 (Drava-Verlag), 103 S., 15,80 Euro
5 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Wer nicht müde wird, 'Islamophobie' oder 'Islamfeindschaft' als rassistisch zu bezeichnen (…), erklärt den Islam, ohne es zu bemerken, zu einer 'rassischen' quasi genetischen Eigens
So ist es. Es ist der nachweisbare Unfug vieler Linken. Gerade Saudi-Arabien, ein Verbreitungsgebiet des Islams, und Syrien, der vermutete Entstehungsort der islamischen Lehre, waren immer - genau wie die Türkei - von religiösem Wandel betroffen.
Bis zur Erfindung des monotheistischen Gottes herrschte dort selbstverständlich Polytheismus, dieser wurde durch Diaspora-Juden partiell durch das Judentum verdrängt, später durch das Christentum (Konstantinopel!) und schließlich durch eine neue Form des östlichen syro-aramäischen Christentums, dem Islam.
Dies geschah nie friedlich, doch die Bevölkerung passte sich stets den neuen Dogmen an - selbstverständlich unter Druck, denn den Glaube der Väter wollte man nicht durch hurrapatriotisches Überlaufen zum neuen Konzept verraten.
Aktuell kann man bei jungen intervernetzten Menschen dieser Länder erkennen, dass sie mit dem Atheismus oder zumindest einer humanistischen Lesart des Islams liebäugeln. Religion steckt halt nicht in Genen fest, ist kein "Rassemerkmal" (es gibt nur eine menschliche Rasse) und kommt von außen in Köpfe wie sie sie auch wieder verlassen kann. Das erleben wir massiv in Industrieländern, in denen Bildung den alten Aberglaube sukzessive verdrängt.
Das spüren die jungen muslimisch konditionierten Menschen: Mir geht es besser, wenn ich mich bilde und friedlich, emanzipiert und gleichberechtigt/gleichberechtigend mit meinen Mitmenschen zusammenlebe. Heute wird eine überalterte Religion nicht durch eine neue ersetzt, sondern durch Rationalität und Demokratie.
Wenn die Linken - denen ich ähnliche Ziele unterstellen mag - dies begreifen, dann erkennen sie ihren Holzweg und helfen Muslimen aus ihrem patriarchalischen geschlechterapartheitlichen und vormodernen Lebensmodell...
A.S. am Permanenter Link
Sehr richtig, Herr Kammermeier, helfen wir denen, die es aus welchen Gründen auch immer nach Europa/Deutschland verschlagen hat, aus den Zwängen überholter Gesellschaftsstrukturen heraus anstatt sie "Vielfalt lie
Gerd Soldierer am Permanenter Link
Dies ist gut geschrieben, allein: Wie sag ichs meinem Kinde ? Mit Bildung u. "friedlich" ist es nicht getan !
Was unter Glaube fällt ist schnell definiert u. nun umschreiben Sie bitte die spezifischen Begrifflichkeiten des "politischen Islam". Nur wenn Sie diese Begriffe gefunden haben, diese Muslimen begreiflich gemacht, entwertet haben, erst dann könnten Muslime eine Vorstellung davon bekommen was überaltert od. rational ist.
Roland Fakler am Permanenter Link
Antimuslimischer Rassismus“, öfter „Antiislamischer Rassismus“ ist ein Kampfbegriff, der von islamischen Propagandisten verwendet wird, um Kritik an der menschenrechtsfeindlichen Ideologie des orthodoxen Islams von vo
„Rasse“ ist eine heute ohnehin nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung genetischer und äußerlicher Merkmale von Menschen, die nicht einfach abgelegt werden können. Die Benachteiligung auf Grund solcher Merkmale ist menschenrechtswidrig, während Kritik an menschenrechtsfeindlichen Denkweisen, auch wenn sie religiös begründet sind, absolut notwendig ist.
Islamkritik ist die Selbstverteidigung mündiger Bürger gegen eine totalitäre Weltanschauung. Kritikwürdig am Islam sind z.B. das Streben nach Herrschaft und Vorrechten von männlichen Muslimen; von Männern vor Frauen; Ablehnung der Demokratie; Verbot der Religionskritik und Religionsfreiheit; Kinderehen und Ehrenmorde; Diskriminierung von Homosexuellen, grausame Strafen… Der Islam kann hier nur akzeptiert werden, wenn er sich der freiheitlich – demokratischen Ordnung anpassen kann. Das können aber nur Muslime, die den Islam lockerer nehmen als die Imame sich das wünschen. Die Dosis macht das Gift! Mein Leserbrief in der Tübinger Zeitung am 6.8.2019
G. Hantke am Permanenter Link
„vermeidet aber nicht selten Kritik, weil …“
Diese Vermeidungsstrategie führt ja schon dazu, dass viele Wähler die AFD geradezu aus Verzweiflung wählen.