In einer Pressemitteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom 18. Oktober wird die Berufung eines Antisemitismus-Beauftragten bekanntgegeben. Der Titel: "Judenfeindschaft und christlicher Glaube schließen einander aus". Eine steile These angesichts der Fakten, selbst wenn man das Neue Testament und die Zeit der römisch-katholischen Alleinherrschaft abzieht.
"Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat auf seiner Sitzung in Hannover erstmals einen 'Beauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus' berufen", heißt es in dem Text. Ein begrüßenswerter Schritt der EKD, denn leider sind die Zeiten so, dass dies notwendig ist. Doch wo engagiert sich der Berliner Theologe Christian Staffa, dem dieses Amt übertragen wurde? "Nicht erst der zutiefst beschämende Anschlag von Halle hat das bedrohliche Ausmaß antisemitischer Gewaltbereitschaft gezeigt", verrät uns EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm. Offenbar sieht er den Balken im eigenen Auge nicht. Oder ist Antisemitismus wirklich nur ein Problem vereinzelter Wirrköpfe, die aktuell glauben, Aufwind zu haben, wenn sie einer vermeintlichen politischen Alternative nacheifern? "Zu den Aufgaben des Beauftragten gehört die Unterstützung der Kirchenleitungen bei ihren Anstrengungen im Kampf gegen Antisemitismus", heißt es weiter in dem Pressetext. Bedford-Strohm präzisiert: "Antisemitismus widerspricht allem, wofür das Christentum steht."
Meinte der Ratsvorsitzende das gleiche Christentum, dessen grundlegendes Buch das Neue Testament ist, als dessen Religionsstifter Jesus Christus genannt wird und zu dessen Begründern Paulus gehören soll? Dieses Christentum soll glaubhaft gegen Antisemitismus kämpfen? Sicher, Jesus Christus wurde als Jude geboren, wie Martin Luther bereits 1523 feststellte. Und doch übersetzte jener Luther dem gleichen Jesus in den Mund: "Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Begierden wollt ihr tun." (Joh 8,44, nach der Lutherbibel 2017)
Gegen wen wandte sich dieser Jesus? Gegen Wirrköpfe, die Synagogen angreifen? Nein, dieser Jesus agitierte gegen die Juden. Da sich diese negative Sicht auf das semitische Volk wie ein roter Faden durch das Neue Testament zieht, könnte man schlussfolgern, dass Jesus der erste christliche Antisemit gewesen sei, hätte es damals schon ein Christentum gegeben. Laut dem erst viele Jahrzehnte später entstandenen Neuen Testament hätten Juden ihre Schuld als Christusmörder sogar eingestanden. "Da antwortete alles Volk und sprach: 'Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!'" (Mt 27,25) Wenn das keine Bestätigung ihrer Verderbtheit ist. Jedenfalls beeinflussten diese und viele weitere Textstellen im Neuen Testament die Adversus Iudaeos-Literatur, also Werke gegen die Juden, die einen großen Einfluss auf die christliche Volksfrömmigkeit nahmen – sprich auf den christlichen Antisemitismus.
Auch wenn dies gerne verharmlosend als "Antijudaismus" bezeichnet wird, handelt es sich nicht um bloße theologische Unstimmigkeiten, die Gelehrte untereinander ausdiskutieren könnten. Das hat auch kaum ein Christ so verstanden, seit 381 unserer Zeitrechnung das Christentum Staatsreligion wurde und die Macht errang. Seine Anhänger praktizierten dessen Antisemitismus mit gnadenloser Freude: durch Pogrome und blutige Verfolgung jüdischer Gemeinden im nun christlichen Abendland, durch Ausgrenzung und Stigmatisierung der "Christusmörder". Viele Kirchenväter und Päpste schütteten in der Folge Öl ins lodernde Feuer dieses Judenhasses – und entzündeten manche Synagoge und manchen Scheiterhaufen.
Selbst theologisch einander näherstehende Gruppen, wie Katholiken und Protestanten, bezeugen durch anhaltende Feindschaft (siehe den Dreißigjährigen Krieg oder den Nordirland-Konflikt), was tiefe theologische Differenzen bewirken, wenn sie Gesellschaften und Familien durchdringen und spalten. Noch vor zwölf Jahren nannte Bischof Wolfgang Huber die offizielle Nichtanerkennung der evangelischen Kirchen durch Papst Benedikt XVI. laut welt.de "ökumenisch brüskierend". Wieviel schrecklicher wirkten sich dann theologische Differenzen zwischen monotheistischem Judentum und trinitarischem Christentum aus? Das schließt ja nicht aus, dass sich immer wieder Einzelpersonen beschwichtigend einmischten oder Freundschaften zu Juden pflegten. Doch dies waren rare Ausnahmen, die eher die bittere Regel bestätigten.
Gerade Martin Luther, der Mitbegründer der Reformation, die jedoch nach der Trennung von West- und Ostkirche zur erneuten Kirchenspaltung führte, schlug verbal nicht nur auf die Papstkirche ein. Sogar seine reformatorischen Brüder in der Schweiz griff er an. Aber am liebsten hetzte er in bester christlicher Manier gegen Juden und Muslime, weil alle den rechten Weg zu Gott verlassen hätten – seinen Weg, wie er oft genug klarstellte. So schrieb er während 23 Jahren seines Lebens viele Schmähschriften gegen die Konkurrenten des Christentums und riet 1543 seiner Obrigkeit zu einem Sieben-Punkte-Programm zur Vernichtung des deutschen Judentums, das er "scharfe Barmherzigkeit" nannte. Dargelegt in seiner Schmähschrift "Von den Juden und ihren Lügen".1
Bedford-Strohms Aussage ist theologisch und historisch grundfalsch
Luther verehrte die Juden Jesus und Paulus, die im Neuen Testament antijüdisch sprechen und schreiben sowie Augustinus von Hippo, der während des ersten Ausschwungs des Christentums lebte und über die Juden schrieb, "in euren Vätern habt ihr Christus getötet." Er nannte sie "bösartig, wild und grausam", beschimpfte sie als "zu Essig ausgearteten Wein der Propheten", als "eine triefäugige Schar" oder als "aufgerührten Schmutz". Da erwies sich Luther wahrlich als gelehriger Schüler, der seinen Meister allerdings noch übertraf und alles ausschöpfte, was die deutsche Fäkalsprache hergab. Außerdem ließ der Doktor der Theologie die alten Brunnenvergifter- und Ritualmordlegenden sowie den angeblichen Hostienfrevel durch Juden wieder aufleben. Darüber hinaus hat der hochberühmte Übersetzer der Bibel sein Werk – wie die jüdische Germanistin und Übersetzerin Miriam Magall nachwies – an sehr vielen Stellen judenfeindlich verfälscht. Dazu ein Beispiel aus der Jüdischen Rundschau: "Von den insgesamt 150 Psalmen sind in Luthers Psalter lediglich zwei (!) frei von polemischen oder abwertenden Aussagen über die Juden oder die Synagoge (Ps 97 und 112)."
Es fehlt hier der Platz, die ganze Geschichte des antisemitischen Christentums auszuführen. Daher sei auf das kleine Büchlein "Von Golgatha nach Auschwitz"2 verwiesen, das die christliche Judenfeindschaft bis 1945 ausführlich dokumentiert. Erst nach dem zweiten Weltkrieg, als Deutschland zwangsdemokratisiert wurde, passte sich die neu gegründete EKD dem neuen Geist an und demokratisierte auch die evangelischen Landeskirchen, die sich unter ihrem Dach zusammenschlossen. Zumindest wurden sie demokratischer als die katholische Kirche. Leider vergaß man, sich im Oktober 1945 im "Stuttgarter Schuldbekenntnis" zur unermesslichen Schuld an den Juden zu bekennen: "Aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben."
Trotzdem soll heute niemand die EKD in die Nähe von Antisemitismus rücken, auch wenn – als pikante Note – deren revidierte Lutherbibel 1975 (!) eine Paulus-Stelle judenfeindlich verfälschte: "Im Hinblick auf das Evangelium sind sie (die Juden) zwar Feinde um euretwillen, aber im Hinblick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen." (Rom 11,28) Dies wurde zu: "Im Hinblick auf das Evangelium sind sie (die Juden) zwar Feinde Gottes …" Die Juden als Feinde Gottes? 1975? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Erst die nächste Revision 1984 hat diese antisemitische Verfälschung, die diesmal weder Paulus noch Luther zu verantworten hatten, bereinigt. Hätte also Bedford-Strohm geäußert: "Antisemitismus widerspricht allem, wofür die EKD steht – bis auf kleine Ausnahmen", dann hätte man ihm folgen können. Doch die Aussage "Antisemitismus widerspricht allem, wofür das Christentum steht" ist theologisch und historisch grundfalsch. Das Christentum war immer antisemitisch, auch immer in einem völkischen Sinne, denn Juden wurde misstraut, selbst wenn sie konvertierten. "Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinabstoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams." Das sprach Martin Luther, überliefert in der Tischrede Nummer 1795.
"Die Einrichtung der Beauftragung bringe zum Ausdruck, dass die evangelische Kirche unverrückbar an der Seite ihrer jüdischen Schwestern und Brüder stehe. Sie mache aber auch deutlich, dass die evangelische Kirche nicht zuletzt aus der Verantwortung für eigenes jahrhundertelanges Versagen jeder Form von Judenfeindschaft und Verachtung wachsam gegenübertreten werde." – Hätte dieser Satz am Schluss der Pressemitteilung gestanden, wäre nichts daran auszusetzen gewesen. Eventuell noch ergänzt mit einer deutlichen Distanzierung von einem der größten Hassprediger und Antisemiten, auf den sich bis heute lutherische Gemeinden und die EKD beziehen.
Doch Bedford-Strohm sah sich bemüht, dann noch eine Begründung für den Antisemitismus-Beauftragten nachzuschieben, die falscher kaum sein könnte: "Christlicher Glaube und Judenfeindschaft schließen einander aus." Schließlich gibt es den christlichen Glauben nicht erst seit 1945. Außerdem nutzt er bis heute ein nachweislich antisemitisches Buch für seine Predigten: das Neue Testament. Wäre es nicht an der Zeit, dass die EKD nicht nur nach Wirrköpfen mit alternativen politischen Ideologien Ausschau hält, sondern den Balken im eigenen Auge entfernt und den christlichen Glauben einer Rundumerneuerung unterzieht?
Ob das Ergebnis dieser echten Reform noch Gläubige anlocken würde, darf kein Kriterium sein. Eine in ihrem Quelltext antisemitische Ideologie, die erst durch gesellschaftlichen Druck ein wenig demokratischer wurde, sollte in dieser Form nicht in einem modernen Rechtsstaat bestehen. Es gibt zu viele christliche und evangelikale Fundamentalisten, die zur Begründung ihres Judenhasses nur in die Bibel schauen müssen. Dabei schließen sie sich mit chauvinistischen und nationalistischen Rechten zusammen, um gegen die angeblichen Christusmörder mobil zu machen. Dürften wir dann immer noch von vereinzelten Wirrköpfen sprechen?
21 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Alle Vorurteile und Anschuldigungen des klassischen Antijudaismus/Antisemitismus sind im Neuen Testament zu finden : Gottesmördervorwurf; Prophetenmördervorwurf; Christusmördervorwurf; Dämonisierung der Juden (Vorwurf
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Die Rundumerneuerung wäre aus meiner Sicht ganz einfach: Die Bibel ins Archiv verbannen, das Christentum als Aberglauben entlarven und dann eine Satzung für einen Sozialverein schreiben, die auf dem Boden der allgemei
Das wäre Evolution: Das nicht mehr Lebensfähige (vormoderne Mythen, unethische Ideologie) wird von seinem irdischen Dasein erlöst und das Brauchbare (Gemeindebildung, soziales Engagement) bleibt erhalten, überlebt...
Roland Fakler am Permanenter Link
Lieber Bernd Kammermeier, jeder Kegelverein und jeder Briefmarkensammlerverein ist ein SozialVerein, der sich an die Menschenrechte hält, aber die Leute wollen halt auch noch auserwählt sein und unsterblich und einen
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ganz einfach? Schöne Illusion, Bernd; das wäre ja nicht Evolution, sondern Revolution unter (freiwilliger?) Aufgabe des Markenkerns.
Du meinst das nicht im Ernst.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Hans, ich hänge keiner Illusion an, dass dies Realität wird. Die Kirchen dürfen ihren Markenkern nicht aufgeben, weil sie dann auch noch den Rest ihrer Kundschaft verlieren. Aber das kommt sowieso...
Hans Trutnau am Permanenter Link
Warum schiebst du denn 'ganz einfach'?
Martin Mair am Permanenter Link
Was für ein Geplappere. Mindestens 1/3 der Evangelien sind reine fromme Erfindung zur Abrundung der Erzählungen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Hier muss ich Feuerbach widersprechen. Religion ist unmenschlich, allzu unmenschlich. Dafür ist sie göttlich, allzu göttlich.
Ob es in der ganzen Mythenwolke des Christentums ein paar auf Realität basierende Moleküle gibt, ist völlig irrelevant. Es zählt einzig, was die Menschen daraus gemacht haben. Und das war in Bezug auf das Christentum nichts Gutes.
Herr Bedford-Strohm hat das Christentum nicht in Varianten differenziert. Er sieht es also wie der Fundamentalist Luther oder wie es "wahre oder wiedergeborene Christen" heute sehen: Die eigene Sichtweise ist die richtige! Das ist sicher der Verknappung der Pressemeldung geschuldet, doch berufen sich alle Varianten auf den gleichen unethischen Schmarrn, der in einem ersten Anflug christlich-antisemitischen Größenwahns "Neues Testament" genannt wurde...
Andrea Diederich am Permanenter Link
Das christliche Abendland war seit seinem Bestehen stark antijüdisch geprägt.
Daran ändert auch nichts, wenn Kirchenmänner heute behaupten Christentum und Antisemitismus schließen einander aus.
A.S. am Permanenter Link
Hat sich die Kirche je um historische Fakten geschert? Es geht ihr doch nur um "bella figura" gegenüber ihren Gläubigen und versucht, jeden gesellschaftlichen Fortschritt als ihr Werk darzustellen.
David Z am Permanenter Link
"Es gibt zu viele christliche und evangelikale Fundamentalisten, die zur Begründung ihres Judenhasses nur in die Bibel schauen müssen.
Ich bin ja ganz bei Ihnen, Herr Kammermeier, wenn es darum geht, Religionen bzw ihre Vertreter dazu zu bringen, sich ehrlich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Aber zu behaupten, diese Vergangenheit in Form von Luther hätte heutzutage noch irgendeine wirkmächtige Relevanz und würde eine antisemitische Bewegung befeuern oder gar begründen, halte ich dann doch für ziemlich überzogen. Diesen Zusammenhang zwischen den schlechten Ideen der Gründungsfigur und der Gegenwart sehen wir vielmehr bei einer anderen Religion - tagtäglich, weltweit und ziemlich deutlich.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich verfolge etliche Blogs, in denen es um Religion oder Religionskritik geht.
Die Kirchen erhalten unfreiwillig diesen potentiellen Hass durch Tradierung der Quellschriften. Und sie sehen nicht ihren Teil der Verantwortung ein. Das ist das Ergebnis religiöser Verblendung und des Versuchs, den eigenen Laden möglichst lange am Leben zu halten.
Nur radikales Umdenken könnte die Organisationsstrukturen der Kirchen in einem Sozialverein erhalten und sinnvoll nutzen - ohne den ideologisch implementierten und erst seit 1945 nicht mehr gelebten Antisemitismus...
David Z am Permanenter Link
"Selbst die Veröffentlichung unserer judenfeindlichen Lutherschriften zu Aufklärungszwecken hat zu Kommentaren geführt, die es gut fanden, dass Luther mal die Wahrheit über Juden geschrieben hätte."
Das glaube ich Ihnen gern. Mir scheint aber, dass dies genau die Frage aufwirft: Finden diese Personen eine antisemitische Haltung deshalb richtig, weil Luther es auch tat, oder stammt die Motivation möglicherweise nicht doch woanders her? Argumentieren diese Personen in Ihrer Rechtfertigungslogik etwa mit Luther? Würden sie ohne Luther keine Antisemiten sein? Und als Falsifikation: Gibt es unter Atheisten, die von gruseligen Gründungsfiguren intellektuell befreit sind, signifikant weniger Antisemiten?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Finden diese Personen eine antisemitische Haltung deshalb richtig, weil Luther es auch tat, oder stammt die Motivation möglicherweise nicht doch woanders her?"
Sicher muss jemand (durch Erziehung?) antisemitisch "grundverdorben" sein, und sich dann evtl. bei Luther oder der Bibel eine Rechtfertigung abzuholen.
"Argumentieren diese Personen in Ihrer Rechtfertigungslogik etwa mit Luther?"
Im Dritten Reich hat man dezidiert mit Luther argumentiert. Ich zitiere als Beispiel ein Plakat von 1933: "Hitlers Kampf und Luthers Lehr - dem deutschen Volk zur guten Wehr."
"Würden sie ohne Luther keine Antisemiten sein?"
Christsein reicht völlig aus, oder Menschenfeind, Arschloch, egal... Menschen finden immer Gründe, warum sie andere ausgrenzen und verfolgen.
"Und als Falsifikation: Gibt es unter Atheisten, die von gruseligen Gründungsfiguren intellektuell befreit sind, signifikant weniger Antisemiten?"
Das ist eine unzulässige Zuweisung. Atheismus hat nichts mit der Frage der politischen Einstellung zu tun. Atheismus ist einfach die Negierung eines Gottes.
David Z am Permanenter Link
"Sicher muss jemand (durch Erziehung?) antisemitisch "grundverdorben" sein, und sich dann evtl. bei Luther oder der Bibel eine Rechtfertigung abzuholen."
Also ist der Antisemitismus Luthers doch nicht originär für den heutigen Antisemiten?
"Im Dritten Reich hat man dezidiert mit Luther argumentiert. Ich zitiere als Beispiel ein Plakat von 1933: "Hitlers Kampf und Luthers Lehr - dem deutschen Volk zur guten Wehr.""
Das mag vor 80 Jahren so gewesen sein. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es aktuell auch so ist. Gibt es aktuell also keine Person, die mit Luthers Antisemitismus seinen eigenen rechtfertigt?
"Christsein reicht völlig aus, oder Menschenfeind, Arschloch, egal... Menschen finden immer Gründe, warum sie andere ausgrenzen und verfolgen."
Stimmt. Mir scheint dann aber, dass dies abermals einen Luther als originären Hort des Antisemitismus eher ausschliesst.
"Das ist eine unzulässige Zuweisung. Atheismus hat nichts mit der Frage der politischen Einstellung zu tun. Atheismus ist einfach die Negierung eines Gottes."
Warum unzulässig? These: Luther ist für Antisemtitismus grundlegend bzw verstärkend. Falsifikation: Menschen, die Luthers Religion bzw seinen Ideen nicht anhängen, sind weniger antisemitisch. Und das sind im westlichen Kulturkreis für gewöhnlich Atheisten.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Also ist der Antisemitismus Luthers doch nicht originär für den heutigen Antisemiten?"
Wer behauptet das?
"Das mag vor 80 Jahren so gewesen sein. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es aktuell auch so ist. Gibt es aktuell also keine Person, die mit Luthers Antisemitismus seinen eigenen rechtfertigt?"
Viele Menschen nach Luther wurden nachweisbar durch ihn zu ihrem Antisemitismus angeregt, z. B. Johann Sebastian Bach. Bis 1945 wurden viele hochrangigen Politiker durch Luther in ihrem Antisemitismus bestärkt. Auch Medien, wie Julius Streichers "Der Stürmer" (mit dem Luther-Zitat: "Die Juden sind unser Unglück"). Letzterer wünschte sich sogar Luther auf die Nürnberger Anklagebank, da der es war, der zum Verbrennen der Synagogen und zum Vernichtung des Judentums aufgerufen hat - und dies theologisch begründet hat.
Warum sollte das, nachdem Luther 400 Jahre lang Menschen zum Antisemitismus inspirierte, plötzlich nach 1945 aufgehört haben? Sicher traut sich in einer demokratischen BRD kaum noch jemand offen antisemitisch zu sein, wie es bis 45 gefordert war. Trotzdem kenne ich Personen, die ihren Antisemitismus zumindest mit Luther unterfüttern.
"Stimmt. Mir scheint dann aber, dass dies abermals einen Luther als originären Hort des Antisemitismus eher ausschliesst."
Noch mal: Von "originär" hat niemand geschrieben. Luther selbst war Antisemit, weil er in einem christlichen Umfeld aufgewachsen ist, als Franziskaner die Bibel als Quelle der Wahrheit kennenlernte und so aus dem Christentum selbst seinen Antisemitismus herausfilterte. Als Augustinus-Anhänger kannte er natürlich auch dessen Schriften.
"Warum unzulässig? These: Luther ist für Antisemtitismus grundlegend bzw verstärkend. Falsifikation: Menschen, die Luthers Religion bzw seinen Ideen nicht anhängen, sind weniger antisemitisch. Und das sind im westlichen Kulturkreis für gewöhnlich Atheisten."
Was hat der Nichtglaube an einen "Gott" mit dem Nichthass auf andere Menschen zu tun? Natürlich gilt Weinbergs Zitat, dass es die Religion braucht, damit gute Menschen böse Dinge tun. Aber wahr ist auch, dass es trotzdem böse Menschen gibt, die böse Dinge tun. Und das können natürlich auch Atheisten sein.
So gesehen wird der Atheismus zu einer Verringerung von Hass gegen Dritte führen, weil alle die wegfallen, die zwar gut sind, sich aber wegen religiöser Gefühle aufgerufen sehen, gegen andere Menschen Böses zu tun. Trotzdem führt Atheismus nicht automatisch zum besseren Menschen. Auch Religion führt nicht automatisch zum schlechteren Menschen. Aber es gibt eben diese "Weinberg'sche Schnittmenge" von Menschen, die eigentlich gut sind, aber wegen der Religion Böses tun. Diese Schnittmenge existiert im Atheismus nicht...
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Gläubige anlocken" wird es eher wenige Leute.
'Glaube' ich.
Oh shit - ich glaube ja nicht.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Herr Bedford-Strohms Aussage ist nicht nur theologisch und historisch grundfalsch, sie ist schlicht und ergreifend eine faustdicke Lüge und Geschichtsverfälschung zum Zweck des
Christlicher Glaube und Judenfeindschaft schließen einander aus?, im Gegenteil, dieser hat
diese Feindschaft erst ermöglicht und gefördert, sowie im neuen Testament verewigt.
Dies Doppelzüngigkeit der Kirchen ist unerträglich.
Martin am Permanenter Link
Würde Martin Luther heute noch leben, er würde die protestanische Kirchen Deutschlands verdammen und sich einer radikalen christlichen Sekten anschließen.
Die protestianischen Kirchen Deutschlands werden noch lange Martin Luther huldigen und die Wiedersprüche ignorieren. Da hilft keine Aufklärungen, aber die Öffentlichkeit sollte über diesen Fanatiker, der an Hexen glaubte und derren Ermoderung forderte.
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
ja, die evangelischen Christen werden immer den größten Brandstifter des Holocaustes, der Hitlers Idol war, verehren, gedenken, feiern, usw., denn dieser Verbrecher wird als Gründer ihrer Religionsgemeinschaft angesehen.
Solange die evangelische Führungsebene den wirkmächtigen Reformator nicht als Judenhasser, Frauenfeind, Bauernfeind, Behindertenfeind usw. bezeichnet, werden
Menschenrechte von dieser Religionsgemeinschaft mit Füßen getreten.
Viele Grüße
Arno Gebauer
Viele Grüße
Arno gebauer
Ute Soltau am Permanenter Link
Dass die Bibel ins Archiv gehöre, oder in ein historisches Museum, dieser Ansicht bi die ich ebenfalls.
Und ein zugeordnetes Aufarbeitungskommitee..