"Die Machtelite"

Mit C. Wright Mills soziologischem Klassiker "Die Machtelite" von 1956 wurde die kritische Eliteforschung maßgeblich mit geprägt. Die neue Ausgabe dieses Buches erinnert nicht nur an Mills, der als einer der Mitbegründer der Neuen Linken gilt, sondern macht auch auf Fehlentwicklungen in den westlichen Ländern aufmerksam, welche sich heute noch mehr als Bedrohungen für die Demokratie erwiesen haben.

Elite-Kritik ist gerade "in", wobei sich ebenso gute Gründe wie platte Ressentiments ausmachen lassen. Insofern sollte man idealtypisch zwischen einer populistischen und einer sozialwissenschaftlichen Variante unterscheiden. Für die letztgenannte Blickrichtung steht ein soziologischer Klassiker, der auf dem deutschsprachigen Büchermarkt endlich wieder in einer Neuausgabe greifbar ist. Gemeint ist C. Wright Mills "Die Machtelite" von 1956. Darin werden durchaus noch aktuelle Probleme nicht nur der US-Gesellschaft thematisiert.

Aber zunächst zum Autor, der in Deutschland meist nur noch bei Soziologen bekannt ist. Der 1916 geborene Charles Wright Mills hatte eine Professur für Soziologie an der Columbia Universität in New York inne. Sein Denken war nur leicht von Marx, mehr aber von Weber geprägt. Ab 1948 erschienen von ihm voluminöse Bände über gesellschaftliche Gruppen in den USA, zunächst über die Arbeiter, dann über die Mittelschicht und dann über die Machtelite. 1962 starb er sehr früh an den Folgen eines Herzinfarkts.

Cover

Das letztgenannte Buch "The Power Elite" erschien in seinem Todesjahr auch erstmals in einer deutschsprachigen Übersetzung. Bereits zu Beginn wird das Gemeinte definiert: "Die Zentralisierung sämtlicher Macht- und Informationsmittel bringt es mit sich, dass einige Wenige in unserer Gesellschaft bestimmte Positionen einnehmen, von denen aus sie sozusagen auf die anderen herabsehen und die Alltagswelt der Durchschnittsmenschen mit ihren Entscheidungen beeinflussen können" (S. 48). Und dann betonte Mills: "In der amerikanischen Gesellschaft sind Wirtschaft, Politik und Militär die eigentlichen Machtzentren" (S. 52).

Diese Grundauffassung prägt dann auch die Struktur des Textes. Denn die folgenden Ausführungen widmen sich jeweils einer solchen Gruppe. Es geht um die "Oberschicht der Provinzstädte", die "oberen 400 der Metropolen", die "Stars und Berühmtheiten", die "Superreichen", die "Topmanager", die "Konzernreichen", die "Kriegsherren", die "militärische Vorherrschaft" und das "politische Direktorat".

Dabei werden differenziert Bedeutung, Einflüsse, Relevanz und Zusammenwirken untersucht. Potentiellen Einwänden begegnete Mills bereits in einem präventiven Sinne. Denn der Autor stellte von Beginn an klar, dass es ihm nicht um Auffassungen von einem Geheimplan der Mächtigen gehe, von einem derartigen Denken wie es etwa im Vulgär-Marxismus vorkomme, distanzierte er sich. Darüber hinaus kritisierte Mills gesondert das, was die "Theorie vom Gleichgewicht der Kräfte" genannt wird. Für eine entwickelte Demokratie wie offene Gesellschaft gehört der wertgebundene Pluralismus zu den konstitutiven Selbstverständlichkeiten. Gleichwohl entspricht dieser nicht unbedingt der gesellschaftlichen Realität. Mills hob hierauf spöttisch mit der Rede von einem "romantischen Pluralismus" (S. 334) ab. Der von ihm konstatierte "Aufstieg der Elite vollzog sich nicht durch ein Komplott" (S. 395). Indessen hätten "die höheren Kreise Amerikas" so ein System geschaffen, das eines "der organisierten Verantwortungslosigkeit geworden" (S. 458) sei.

Die Aktualität von Mills Studie wird nicht nur anhand des letztgenannten Satzes deutlich. Die Herausgeber der deutschen Neuausgabe, hier Marcus B. Klöckner, Michael Walter und Björn Wendt, stellen in einer langen Einführung Mill und seine Studie vor. Darin gehen sie auch auf die Kritik an ihm von liberalen wie marxistischen Soziologen ein. Deutlich wird darüber hinaus, dass von dem Buch ein prägender Einfluss auf die kritische sozialwissenschaftliche Eliteforschung erfolgte. Die von Mills hervorgehobene Wirkung, die auf die Politik durch die Wirtschaft ausgeübt wird, ist noch von größerer Relevanz nicht nur in den USA geworden. Insofern sind die Fragen des sozialwissenschaftlichen Klassikers nach wie vor aktuell und seine Neuausgabe mehr als nur begrüßenswert. Gleichwohl hätte es bereits beim erstmaligen Erscheinen noch anderer kritischer Rückfragen bedurft: Welche sozioökonomischen Bedingungsfaktoren erklären die Etablierung dieser Machtelite? Und worin bestehen für den Bestand einer Demokratie eigentlich die Gefahren durch eine solche?

C. Wright Mills, Die Machtelite, herausgegeben von Björn Wendt, Michael Walter und Marcus B. Klöckner, Frankfurt/M. 2019 (Westend-Verlag), 574 S., 29,99 Euro

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