Was ist das "Hufeisen-Modell"?

Bei der Diskussion über die Entwicklungen im Thüringer Landtag und die Distanz gegenüber AfD und "Linke" wurde immer mal wieder vom "Hufeisen-Modell" gesprochen. Doch was ist das überhaupt und ist das sinnvoll? Der hpd fragte den Extremismusforscher Armin Pfahl-Traughber.

Bei der Diskussion über das Extremismusverständnis wird gelegentlich auf das Hufeisen-Modell affirmativ oder negierend verwiesen. Insofern soll es hierzu eine Erläuterung und Kommentierung geben, wobei sowohl der Erkenntnisgewinn wie die Kritik thematisiert werden. Zunächst bedarf es aber einer beschreibenden Darstellung: Es geht um die Differenzierung von politischen Ideologien und Organisation, wobei eine zweidimensionale Einteilung hinsichtlich einer demokratischen und extremistischen und einer linken und rechten Orientierung im Zentrum steht. In der optischen Darstellung wird die erstgenannte Differenzierung horizontal und die zweitgenannte Differenzierung vertikal vorgenommen. Mitten in das so entstandene Bild zweier Graden in unterschiedliche Richtungen, also links und rechts sowie oben und unten, zeichnet man ein Hufeisen, das entsprechend der Differenzierung demnach einen demokratisch-linken, demokratisch-rechten, extremistisch-linken und extremistisch-rechten Teilbereich optisch und sachlich voneinander trennt.

Der damit beanspruchte Erkenntnisgewinn besteht darin, dass man eine Einteilung in eine der vier Kategorien vornehmen kann. Die damit verbundene Grundaussage findet sich übrigens auch in der Literatur, die nicht von einem Hufeisen-Modell spricht. Demnach kann man diese Auffassung auch ohne ein solches Bild nutzen und vertreten. Bei dem Hufeisen-Modell kommt noch hinzu, dass sich die beiden unteren Enden leicht annähern, letztendlich aber getrennt bleiben. Beim Blick in die einschlägige Literatur zum Thema zeigt sich, dass der beabsichtigte Erkenntnisgewinn dadurch aber erschöpft ist. Es fehlt meist an Erläuterungen, welcher weitere Nutzen sich hiermit letztendlich verbinden soll. Ein solcher wäre durch weiterführende Reflexionen durchaus gegeben, steigt doch die Extremismusintensität, je tiefer man an den Enden nach unten geht. Indessen findet man nur selten einen Bezug auf das Hufeisen-Modell, wobei politische Akteure dort genau mit einem Standpunkt verortet werden. Insofern endet hier der Erkenntnisgewinn des Hufeisen-Modells.

Damit besteht bereits ein Kritikpunkt, wonach der konkrete Nutzen nicht darüber hinausgeht. Zwar wird außerdem darauf verwiesen, dass sich die Enden des Hufeisens annähern, aber eben nicht erläutert, welche Einsichten sich daraus allgemein oder konkret ergeben würden. Zwei Einwände aus der Kritik sind indessen unangemessen: Eine Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus erfolgt nicht, würde diese doch eine Einordnung der gemeinten Objekte nötig machen, welche aber gerade nicht erfolgt. Und darüber hinaus ist in der eigentlichen Fassung nicht von einer "Mitte" die Rede. Eine solche findet nur gelegentlich Erwähnung, wobei sie auf dem Hufeisen an der oberen Rundung verortet wird. Dies würde aber bedeuten, dass links- und rechtsdemokratische Akteure weniger demokratisch als die gemeinte "Mitte" wären. Diese Annahme bedürfte indessen einer Begründung, diskreditiert sie doch derartige politische Kräfte. Und schließlich verdient noch Kritik, dass das "Hufeisen-Modell" zwar einen linken und rechten, aber keinen religiösen Extremismus kennt.

Unterstützen Sie uns bei Steady!