Mahnwache für Raif Badawi

Für Reporter ohne Grenzen hielt Christian Mihr gestern vor der Botschaft von Saudi-Arabien in Berlin eine Rede für Raif Badawi. Vor acht Jahren wurde er in dem Königreich verhaftet, im Mai 2014 zu zehn Jahren Gefängnis und 1.000 Stockhieben verurteilt. Der hpd gibt die Rede im Wortlaut wieder.

Heute vor acht Jahren – am 17. Juni 2012 – wurde in Saudi-Arabien der Blogger Raif Badawi verhaftet. Sein Verbrechen: Er hatte ein Online-Diskussionsforum zu Liberalismus ins Leben gerufen, und er hatte in seinen Veröffentlichungen die religiösen Institutionen des wahhabitischen Königreichs kritisiert.

Im Mai 2014 wurde Raif unter anderem wegen "Beleidigung des Islam" zu zehn Jahren Gefängnis, 1.000 Stockhieben, zehn Jahren Ausreiseverbot und einer Geldstrafe verurteilt. Die öffentliche Vollstreckung der ersten 50 Stockhiebe löste einen internationalen Aufschrei der Empörung aus. Weitere 950 Stockhiebe hätten sehr wahrscheinlich eine langsame, qualvolle Hinrichtung bedeutet. Nach der heftigen internationalen Kritik wurde ihre Vollstreckung jahrelang immer wieder aufgeschoben.

Was ist seitdem in Saudi-Arabien geschehen? 2017 wurde der junge, als Reformer geltende Mohammed bin Salman zum Kronprinzen ernannt. Er begann seine Regentschaft mit einer Repressionswelle gegen Kritikerinnen und Kritiker im Königreich. In mehreren Wellen wurden seitdem immer mehr Bloggerinnen und Blogger, Journalistinnen und Journalisten festgenommen. Die meisten von ihnen sitzen bis heute im Gefängnis, einige im Hausarrest. Viele wurden höchstwahrscheinlich gefoltert.

2018 ermordeten Agenten Saudi-Arabiens den Exil-Journalisten Jamal Khashoggi im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul. Spätestens seitdem sollte endgültig jeder Beobachterin und jedem Beobachter klar sein, dass das Königreich keine Gnade und keine Skrupel kennt, wenn es darum geht, seine Kritikerinnen und Kritiker mundtot zu machen.

Und heute? Aktuell ist Saudi-Arabien Präsident der G20, der Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer – aller internationalen Kritik an seiner monströsen Repression zum Trotz. Im November will das Königreich seine G20-Präsidentschaft mit einem Gipfel in Riad krönen und hofft darauf, glanzvolle Bilder zu produzieren, die zeigen, wie seine Herrscher unter den mächtigsten Männern und Frauen der Welt als ihresgleichen behandelt werden.

Immer wieder produziert das Königreich Schlagzeilen mit Schritten seiner vermeintlichen Liberalisierung, die doch nur zeigen, wie repressiv dieses Regime ist: Da wird eine vorsichtige Öffnung für den Tourismus zelebriert, werden große Wirtschaftsreformen angekündigt und werden Frauen nicht mehr rundheraus vom Autofahren ausgeschlossen – während jene Bloggerinnen weiter im Gefängnis sitzen oder unter Hausarrest stehen, die genau dies seit Jahren gefordert hatten.

Mindestens 32 Journalistinnen und Journalisten, Bloggerinnen und Blogger sitzen derzeit in Saudi-Arabien wegen ihrer Arbeit im Gefängnis oder stehen unter Hausarrest.

Nur sehr wenig ist darüber bekannt, wie es Raif Badawi in Haft geht. Selbst die normalerweise wöchentlichen Anrufe seiner Frau und Kinder werden teils offenbar monatelang unterbunden. Vergangenen Dezember soll Raif in Isolationshaft gesteckt worden sein, im März kam er nach einem Hungerstreik offenbar ins Krankenhaus.

Und doch gibt es immer wieder Anzeichen, dass selbst das repressive, hermetische Königreich Saudi-Arabien nicht immun gegen Kritik ist: Ende April schaffte es endlich die Bestrafung durch Stockhiebe ab. Zumindest diese besonders grausame Art der Bestrafung dürfte Raif Badawi damit endgültig erspart bleiben.

Das ist viel zu wenig – aber es zeigt, dass Kritik und Protest wirken, selbst wenn es nur quälend langsam ist. Und der Protest geht weiter – hier und an vielen anderen Orten, an denen auch heute wieder Menschen zeigen, dass Raif Badawi nicht vergessen ist.

Wir werden weiter protestieren, bis Raif Badawi frei ist und bis auch all die anderen Medienschaffenden in Saudi-Arabien frei sind.

Freiheit für Raif Badawi!

Free Raif!

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