Abtreibung ist in Kolumbien nur in wenigen Ausnahmen legal möglich. Während Menschenrechtsgruppen für einen bedingungslosen straffreien Schwangerschaftsabbruch in den ersten Wochen kämpfen, hat eine rechtskonservative Senatorin nun ein Projekt angekündigt, welches die Zustimmung des Erzeugers zur Beendigung der Schwangerschaft erfordern soll. Eine gefährliche Forderung, die für Empörung sorgt.
In Kolumbien gibt es kein Recht auf einen sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch. Wer trotzdem abtreibt oder eine Abtreibung unterstützt, riskiert ein bis drei Jahre Haft. Ausnahmen sind die Gefahr für Gesundheit und Leben der schwangeren Person, schwere Deformation des Fötus oder, wenn die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung ist. Unzählige Frauen und Menschenrechtsorganisationen kämpfen seit Jahren für eine Erweiterung der Straffreiheit auf eine Abtreibung ohne Bedingungen in den ersten Schwangerschaftswochen.
Erst im März dieses Jahres war ein Gesetzes-Vorstoß zum straffreien Schwangerschaftsabbruch bis zur 16. Woche abgelehnt worden.
Nun hat sich die rechtskonservative Politikerin María del Rosario Guerra zu Wort gemeldet. Die Politikerin der rechten Partei Centro Democrático (Demokratische Mitte) plant ein Projekt zur Anhörung des Erzeugers vor Genehmigung einer Abtreibung. Dabei beruft sie sich auf den Fall eines Studenten, der gegen die Abtreibung seiner damaligen Partnerin protestierte. Nach breiter Kritik erklärte Guerra, dass nur das Einverständnis des potentiellen Vaters eingeholt werden solle, wenn die Schwangerschaft nicht Folge eines sexuellen Übergriffes sei. Ein Punkt, der schwer wiegt. Gab es doch in den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 bereits 7.544 medizinische Untersuchungen nach sexualisierter Gewalt. 6.479 davon betraf Minderjährige.
Mit der Ankündigung des Projektes verkennt die Senatorin nicht nur die Wichtigkeit der Selbstbestimmung von Frauen, die Tatsache, dass niemand aus Spaß oder Langeweile abtreibt, sondern auch die Gefahr, die eine Entscheidung Dritter über den Körper einer Frau mit sich bringt.
Im schlimmsten Fall könne das Leben der bereits existierenden schwangeren Person weniger Wert sein als das potentiell werdende Leben des Fötus. Ein Erzeuger könne sich also einem aus medizinischen Gründen notwendigen Abbruch einer Schwangerschaft entgegenstellen und die Schwangere sterben lassen, um dann womöglich ein Kind zu erhalten.
Während Guerra Unterstützung anderer rechter Politiker erhält, kämpfen Organisationen wie Mesa por la Vida y la Salud de las Mujeres dafür, dass keine Frau illegal und unter medizinisch unsicheren Bedingungen abtreiben muss. Dafür, dass Frauen selbst bestimmen könne, ob und wenn ja, wann sie Kinder haben möchten.
Reproduktive Selbstbestimmung ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung. Eine Gleichberechtigung, wie sie noch immer nicht erwünscht ist.
2 Kommentare
Kommentare
Christian Meißner am Permanenter Link
Aus dem Vanguardia-Artikel (1. Link des obigen Textes):
"Der Vertreter des Demokratischen Zentrums im Repräsentantenhaus, José Jaime Uscátegui, forderte den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, in einem Brief auf, die Hilfe für Kolumbien einzustellen, falls der vollständigen Entkriminalisierung der Abtreibung bis zur 16. Schwangerschaftswoche in diesem Land zugestimmt werden würde."
Kein Wunder, dass viele Menschen, die mit einer derart reaktionären Politik nicht einverstanden sind, ihr Heil in sozialistisch-linkspopulistischen Bewegungen suchen - mit den einschlägigen Hintergrundmächten dieser Welt als Unterstützer.
Es ist traurig, aber die Politik in Lateinamerika wird zum großen Teil von ideologischen Rattenfängern, die ausschließlich auf ihren eigenen materiellen Vorteil bedacht sind, dominiert.
José Jaime Uscátegui ist übrigens Sohn eines Generals, der im Zusammenhang mit einem Massaker von rechtsnationalen Paramilitärs an Zivilisten zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Kritische Rationalität - für dieses Ideal erntet man in weiten Teilen Lateinamerikas bestenfalls Kopfschütteln. Die Luft ist dünn für die Freunde von Freiheit und Selbstbestimmung auf dem Subkontinent.
Christian Meißner am Permanenter Link
Nachtrag:
Im Gegensatz zu anderen lateinamerikanischen Ländern wie Ecuador oder Bolivien ist in Kolumbien der politische Einfluss von Sozialisten und Linkspopulisten begrenzt.
Stattdessen verzeichnet das Land geschätzt knapp 400.000 illegale Abtreibungen jährlich, bei welchen das Leben der Frau großen Gefahren ausgesetzt ist.
Die gesellschaftliche Stigmatisierung der Abtreibung hat häufig schwere Folgen für die psychische Gesundheit der betroffenen Frauen.
In den kollektivistisch geprägten Gesellschaften Lateinamerikas für evidenzbasiertes Denken und individuelle Freiheiten einzustehen, bleibt ein mit hohem Risiko behaftetes Unterfangen - egal, ob "rechte" oder "linke" Regierungen an der Macht sind.