MIZ 2/20 erschienen:

Die Pandemie und der Glaube

Muss sich denn grad alle Welt mit Corona beschäftigen? Inklusive der MIZ, die sich doch der Analyse und Kritik von Religionen und deren gesellschaftlichen Folgen verschrieben hat? Ja, muss sein, meinte die Redaktion und wählte die Pandemie zum Schwerpunkt des soeben erschienenen Heftes. Denn im Verhalten gegenüber Covid-19 zeigte sich nicht nur, dass gerade streng Religiöse sich oft freigestellt von den für alle geltenden Regeln sahen, es war und ist auch die Stunde irrationaler Erklärungsmuster.

Frank Welker verweist in seinem einführenden Beitrag darauf, dass religiöse Großveranstaltungen massiv zur Verbreitung des Virus beigetragen haben. Die dort praktizierte Sorglosigkeit könnte nicht zuletzt auf die Haltung von Geistlichen wie dem Churer Weihbischof Eleganti zurückzuführen sein, dass das Virus im religiösen Kontext, beispielsweise der "heiligen Eucharistie", nicht übertragen werden könne bzw. niemanden bedrohe.

Andere, die an der Debatte um die Pandemie teilnehmen, begnügen sich nicht mit der Leugnung von biologischen Fakten. Bei ihnen schlägt die Kritik am aktionistischen, repressiven und teils auch widersprüchlichen Krisenmanagement der Politik in Verschwörungstheorie um. Bernd Harder stellt einige der "Erzählungen" vor und analysiert die dahinterliegenden psychologischen und sozialen Mechanismen.

Inwieweit der ausbeuterische Umgang mit Tieren und Umwelt zu Entstehung und Verbreitung der Pandemie beigetragen hat, beleuchtet Daniela Wakonigg. Ihr Fazit lautet, dass eine Änderung dieses Verhaltens längst keine Frage der Tierethik mehr ist, sondern (etwa im Hinblick auf Antibiotikaresistenzen) im Eigeninteresse der Menschen liegen müsste.

Die Menschen als Gefahr für sich selbst

Das Editorial lenkt den Blick darauf, dass Covid-19 eine Situation herbeigeführt hat, die in Europa längst Vergangenheit schien: Der Mensch ist wieder zur Gefahr für den Menschen geworden. Nicht mehr nur metaphorisch (durch seinen Lebenswandel, der seine Existenzgrundlagen bedroht), sondern (zumindest für die Risikogruppen) auch ganz direkt. "Homo homini lupus", schreibt Christoph Lammers.

Die Corona-Pandemie, so der MIZ-Chefredakteur, könnte Anstoß sein, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Sie hat aber auch das Potential, Entwicklungen auszulösen, welche die Gesellschaft spalten und die Errungenschaften vergangener Jahrzehnte zurückdrängen können.

Militärseelsorge und Rechtsstaat

Die neu eingeführte jüdische Militärseelsorge in der Bundeswehr sieht Gunnar Schedel kritisch. Er vergleicht die Stellungnahmen mit der Debatte Anfang der 1990er Jahre, als Militärseelsorge im Wirkungsbereich des "Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR" installiert werden sollte. Doch während damals eine kritische Perspektive vorherrschte, ist die Militärseelsorge mittlerweile genauso selbstverständlich wie Kampfeinsätze der Bundeswehr.

Um "Erinnerungskärtchen" geht es im Beitrag von Jacqueline Neumann. Als im November 2019 das Bundesjustizministerium den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland für eine Rechtsstaatskampagne heranzog, stellte das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) sieben "Verfassungsfragen". Da diese bis heute unbeantwortet sind, gibt es sie nun auf illustrierten Erinnerungskärtchen – zum Nachhaken.

Judenfeindschaft und Islamfeindschaft

In der Serie zur Aufklärung nimmt Dieter Fauth eine von deren Schwächen in den Blick. Denn die Aufklärung brachte zwar die Emanzipation der Juden, schaffte es aber nicht, die Judenfeindschaft vollständig zu überwinden, und legte sogar die Grundsteine für deren Verwissenschaftlichung.

Dem Islam hingegen schlägt von rechts nicht nur Feindschaft, sondern zugleich auch Bewunderung entgegen. Wie diese auf den ersten Blick sehr widersprüchliche Haltung sich erklärt, stellt Christoph Kopke in seinem Beitrag dar. Dabei nimmt er vor allem Bezug auf die Theorien der "Neuen Rechten".

Altötting und Tenochtitlan

Ende Juni jährte sich zum 500. Mal der Todestag des aztekischen Herrschers Moctezuma. Sabine Lippert erinnert an die Zerstörung des Aztekenreiches durch die Konquistadoren und die kulturellen Folgen.

Einen ganz anderen Untergang beschreibt Gerhard Rampp: das Verdunsten des traditionellen Katholizismus in Deutschland. Als Symbole für dessen Bedeutungsverlust betrachtet er die beiden Zeitungen Rheinischer Merkur und Altöttinger Liebfrauenbote.

Daneben gibt es ein Interview über das kürzlich gegründete Hans-Albert-Institut sowie die üblichen Rubriken Netzreport, Buchbesprechungen, Internationale Rundschau und die Glosse Neulich... (im Land der Weihwasserspender).

Weitere Informationen unter: www.miz-online.de

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