Zum Ende des letzten Jahres ist der Bevölkerungsanteil der konfessionsfreien Menschen auf 38,8 Prozent angestiegen, der Anteil der Katholiken und Protestanten hingegen auf 27,1 beziehungsweise 24,9 Prozent gesunken. Dies geht aus der heute veröffentlichten Statistik "Religionszugehörigkeiten 2019" der "Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland" (fowid) hervor. Erstmals enthält das Datenblatt auch eine Analyse der "gelebten Religion", die aufzeigt, dass nur 7,9 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen als "praktizierende Gläubige" einzustufen sind.
Im Jahr 2019 sind jeweils rund 270.000 Katholiken und Protestanten aus ihrer Kirche ausgetreten, in der Summe 542.000 Personen. Die Zahl der Neueintritte oder Wiederaufnahmen lag – zusammengerechnet für beide Kirchen – bei nur 33.669 Personen. Negativ auf die Kirchenmitgliedsstatistik wirkte sich zudem das starke Missverhältnis zwischen neu getauften und verstorbenen Kirchenmitgliedern aus. Insgesamt verloren beide christlichen Großkirchen rund 800.000 Mitglieder gegenüber dem Vorjahr.
Die Gruppe der konfessionsfreien Menschen ist dagegen im gleichen Zeitraum um etwa 900.000 Personen angewachsen, wodurch sich ihr Anteil in der deutschen Bevölkerung von 37,8 (2018) auf 38,8 Prozent (2019) erhöht hat. Zu dieser Gruppe der Konfessionsfreien zählen, wie fowid-Leiter Carsten Frerk erklärt, auch die sogenannten "Kultur-Muslime", die sich selbst als "nicht-religiös" verstehen, nicht beten und auch nicht an religiösen Veranstaltungen teilnehmen. Die Forschungsgruppe schätzt den Anteil der "Kultur-Muslime" innerhalb der Gruppe der Personen, die gemeinhin als "Muslime" bezeichnet werden, konservativ auf 20 Prozent, wobei Frerk allerdings anmerkt, dass dieser Prozentsatz mit Blick auf neuere Untersuchungen künftig möglicherweise nach oben korrigiert werden müsse.
Die "Konfessionsgebundenen Muslime", die sich selbst als "religiös" begreifen, stellen inzwischen einen Bevölkerungsanteil von 5,2 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr ist diese Gruppe um etwa 70.000 Personen angewachsen. Nur wenig Veränderungen gab es demgegenüber bei den anderen religiösen Gemeinschaften: Die größte Gruppe, die orthodoxen Christen, hat einen Bevölkerungsanteil von knapp 2 Prozent, die sonstigen christlichen Gemeinschaften (u.a. Freikirchen, Neuapostolische Kirche und Zeugen Jehovas) stellen zusammen einen Anteil von etwa einem Prozent der Gesamtbevölkerung. Auf einen ähnlichen Bevölkerungsanteil kommen die anderen religiösen Gemeinschaften (Juden, Buddhisten, Hinduisten, Jesiden etc.).
Nur eine Minderheit praktiziert den Glauben
Da die nominelle Konfessionszugehörigkeit kaum etwas darüber aussagt, welche Rolle der religiöse Glaube tatsächlich im Leben der Menschen spielt, hat die "Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland" in ihrer heutigen Veröffentlichung erstmals auch die "Glaubenspraxis in Deutschland" unter die Lupe genommen. Als "praktizierende Gläubige" definiert fowid-Leiter Carsten Frerk dabei jene Menschen, die regelmäßig, d.h. mindestens einmal im Monat, an Gottesdiensten, etwa christlichen Messen oder dem muslimischen Freitagsgebet, teilnehmen.
Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz besuchten 2019 nur 9,1 Prozent der Katholiken regelmäßig einen Gottesdienst. In den evangelischen Landeskirchen lag der Anteil der Gottesdienstbesucher schon 2017 bei mageren 3,4 Prozent und dürfte sich seither kaum erhöht haben. Unter den Muslimen hingegen besuchen rund 50 Prozent regelmäßig die Moschee (etwa zum Freitagsgebet). Eine ähnlich hohe Quote setzt Frerk aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten (Minderheitenposition, hoher Wert des Kontakts zu Gleichgesinnten) für die anderen christlichen und nicht-christlichen Religionsgemeinschaften an.
Rechnet man diese religionsinternen Quoten auf die Gesamtbevölkerung um, so zeigt sich, dass nur noch eine Minderheit von 7,9 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen den eigenen Glauben regelmäßig praktiziert. Hierbei stellen die "Konfessionsgebundenen Muslime" mit 2,6 Prozent der Gesamtbevölkerung inzwischen die größte Gruppe, gefolgt von den Katholiken (2,5 Prozent), den Mitgliedern sonstiger christlicher wie nicht-christlicher Religionsgemeinschaften (2 Prozent) sowie den Protestanten (0,8 Prozent).
Von "gelebter Religiosität" kann man in Deutschland kaum noch sprechen: Inzwischen bleiben 92,1 Prozent der hierzulande lebenden Menschen religiösen Veranstaltungen regelmäßig fern. Dass die Deutschen inzwischen mit überwältigender Mehrheit "Glaubenspraxis-Abstinenzler" sind, ist dabei nicht allein auf die stetig wachsende Gruppe der Konfessionsfreien zurückzuführen. Immerhin sind 25 Prozent der Bevölkerung nicht-praktizierende Katholiken, 24 Prozent nicht-praktizierende Protestanten.
Innerhalb beider Kirchen stellen die "Gottesdienst-Verweigerer" inzwischen mehr als 90 Prozent der Mitglieder. Dass die Protestanten zu 96,6 Prozent auf regelmäßige Gottesdienstbesuche verzichten, erstaunt dabei weniger als die Tatsache, dass dies auch 90,9 Prozent der Katholiken tun. Schließlich ist die Teilnahme an der "Heiligen Eucharistiefeier" nach katholischer Überzeugung ein wesentlicher Garant des "ewigen Seelenheils". Möglicherweise ist es um die Glaubensfestigkeit der Katholiken inzwischen noch schlechter bestellt als um die Glaubensfestigkeit der Protestanten.
Der fortschreitende Bedeutungsverlust der Kirchen
Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, aus der die "Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland" (fowid) hervorgegangen ist, hat die aktuelle fowid-Analyse folgendermaßen kommentiert: "Die Daten zeigen eindrucksvoll, dass sich der Trend zur Entkirchlichung der Gesellschaft weiter fortsetzen und angesichts der marginalen Bedeutung der ‚gelebten Religiosität‘ und der Altersstruktur der Gläubigen wahrscheinlich sogar beschleunigen wird. Es wäre zu hoffen, dass dieser fortschreitende Bedeutungsverlust der Kirchen auch von Politikerinnen und Politikern wahrgenommen wird, so dass sie sich nicht länger von religiösen Lobbyisten einspannen lassen, die tatsächlich weit weniger Menschen repräsentieren, als gemeinhin unterstellt wird."
Auf den Bedeutungsverlust, den die Kirchen in den letzten Jahrzehnten vor allem in jungen, aufgeklärten, weltoffenen Bevölkerungskreisen erlitten haben, hat Schmidt-Salomon unlängst auch in einem ausführlichen Radio-Interview hingewiesen, das am vergangenen Montag vom Deutschlandfunk ausgestrahlt wurde. Dort nutzte er für die Beschreibung der zugrundeliegenden sozialen Wandlungsprozesse eine recht einprägsame Formulierung: Die "aufgeklärte Religion" sei eine "absterbende Kulturerscheinung – vergleichbar mit Männergesangsvereinen, die 'Am Brunnen vor dem Tore' singen."
Hier finden Sie die Originalmeldung der "Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland", in der fowid-Leiter Carsten Frerk die Daten der Analyse ausführlich erläutert.
Erstveröffentlichung auf der Webseite der Giordano-Bruno-Stiftung.
15 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Na da sind ja auch die Muslime schon auf dem richtigen Weg, weiter so bis die Menschheit endlich das Joch der Religion abgeworfen hat.
Heide am Permanenter Link
"Es wäre zu hoffen, dass dieser fortschreitende Bedeutungsverlust der Kirchen auch von Politikerinnen und Politikern wahrgenommen wird, so dass sie sich nicht länger von religiösen Lobbyisten einspannen lassen, d
Gerade deshalb ist die Kirchensteuer wichtig. Ohne sie hätten wir zwar jede Menge Glaubenspraxis-Abstinenzler, wären aber wahrscheinlich noch zu über 90% Kirchenangehörige.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Es wäre interessant zu wissen, was für einen Einfluss auf diese Zahlen die Corona-Krise hat.
Petra Pausch am Permanenter Link
Und wie bitte soll das aus den Zahlen von 2019 herauszulesen sein? Warten wir doch erst mal ab, bis fowid das aktuelle Jahr auswertet.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Ja, richtig. Ich habe meinen Beitrag ein Jahr zu früh gepostet.
Roland Weber am Permanenter Link
Ich frage mich nun, was ich mir unter einem "praktizierenden Gläubigen" vorzustellen habe. Allein ein Kirchenbesuch ist zwar zählbar, macht aber niemanden zu einem "praktizierenden Gläubigen".
Dieser Aspekt steht somit auf der gleichen Stufe, wie die Frage nach den "christlichen Werten". Bislang habe ich leider noch nie eine Antwort auf diese Frage gefunden, geschweige denn einen Hinweis (Bibeltext?!) erhalten. Die Ausflucht findet man stets in "humanistischen Werten", die man ohne weiteres zu "christlichen Werten" erklärt. Während ein Humanist auf literarische Quellen (z.B. Werke der Aufklärung oder die Grundrechte) verweisen kann, findet sich auf christlicher Seite nichts Originäres oder auch nur Vergleichbares. Nicht einmal die "Nächstenliebe" (die auch nur ein Evangelist überhaupt kennt!) ist christlichen Ursprungs, sondern hat ihren Ursprung in der Tora.
Allein die Sprache ändert nie die Verhältnisse, aber die Sprache kann dazu dienen, die Verhältnisse deutlich zu machen.
Jürgen Lösche am Permanenter Link
Gibt es – wie Roland Weber schreibt – wirklich nur einen Evangelisten, der die „Nächstenliebe“ kennt?:
Mt 5,43 („Bergpredigt“: Die Jesusfigur spricht zu einer Volksmenge und zu seinen Jüngern)
„Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.“
Mt 19,19 (Die Jesusfigur antwortet einem Mann)
„ehre Vater und Mutter! Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“
Mt 22,39 (Die Jesusfigur antwortet einem Gesetzeslehrer)
„Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Mk 12,31 (Die Jesusfigur antwortet einem Schriftgelehrten in Vers 31 und 33)
„Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“
Mk 12,33 „und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer.“
Lk 10,27 (Die Jesusfigur antwortet einem Gesetzeslehrer)
„Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst.“
Roland Weber am Permanenter Link
Der Einwand erfolgt zu recht und ich muss dies natürlich anerkennen! Ich habe dies hier mit der "Feindesliebe" verwechselt.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Wie kam es eigentlich - vor Corona - dazu, dass in den TV-Gottesdiensten die Kirchenbänke immer voll besetzt waren ? Wurden da die Gläubigen aus dem ganzen Bistum mit Bussen angekarrt ?
Junius am Permanenter Link
Das ist ja alles sehr erfreulich, und gib zu den schönsten Hoffnungen Anlaß. Eine Zahl fehlt mir allerdings: die der praktizierenden Nicht-Gläubigen!
Sascha Larch am Permanenter Link
Die Zahl der praktizierenden Nichtgläubigen ist ungefähr so groß wie die Zahl der praktizierenden Nichtbriefmarkensammler.
Junius am Permanenter Link
*lach* Ja, aus der reinen Sicht eines Kirchenkritikers ist da etwas dran.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Endlich vernünftige Nachrichten!
Holger Buntrock am Permanenter Link
Oh Schreck lass nach! Es darf nicht sein was nicht sein kann, die Kirchen sind nicht mehr systemrelevant. Leider ist das bei unseren Politikern aller Couleur noch nicht angekommen.
betrachtet werden. Bis dahin haben wir leider noch einen weiten Weg vor uns, denn die Kirchenfürsten verstehen es immer noch excellent sich gegenüber der Politik als Scheinriesen (siehe Jim Knopf...) zu präsentieren und dem entsprechend ihre Forderungen zu formulieren. Der Staat gibt leider allzu bereit von Geldern, die dem Volk
gesamt gehören und sicherlich woanders viel sinnvoller gesetzt werden könnte als bei den Märchenonkels.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Genau so ist es, darum wurden die beiden Glaubensmafiosi Marx und Bedford-Strom mit einem Preis ausgestattet für ihr vorbildliches Wirken in der Ökumene.