Impfen ist Selbstschutz und Solidarität in einem. Es ist wirksam und sicher. Aber zu glauben, für eine gute Entwicklung müsse ein Kind Krankheiten durchmachen, ist falsch. Und gefährlich.
Impfen kann die Gemüter auf Social Media und Familientreffen gleichermaßen erregen. Eine der Behauptungen der Kritiker: Impfen solle nicht schützen, sondern krankheitsanfällig machen, gar krank. Doch gibt es dafür wirklich Belege?
In überwältigender Menge gibt es zunächst einmal Belege dafür, dass geimpfte Kinder um Größenordnungen weniger an den Krankheiten leiden, gegen die sie geimpft wurden. Masern. Keuchhusten. Mumps. Dahinter steht der größte Datenbestand, den es für eine einzelne medizinische Maßnahme überhaupt gibt.
Zwar gibt es in Deutschland nur wenige echte Impfgegner. Doch so manche Menschen sind zögerlich, weil sie sich noch nicht richtig mit dem Thema auseinandergesetzt haben oder gleich zu Beginn im Internet auf durchaus irritierende Informationen stoßen. Viele klicken sich interessiert durch Foren, Blogs und Social-Media-Gruppen mit emotionsgeladenen Beiträgen, statt sich auf den nüchternen, aber eben wirklich hilfreichen Seiten wie denen der Ständigen Impfkommission zu informieren.
So gibt es noch immer Leute – darunter einige Ärzte und Ärztinnen –, die behaupten, Impfen würde nicht nur nicht schützen, sondern sogar schaden. Da heißt es etwa, eine Impfung würde das Immunsystem von kleinen Kindern viel zu stark belasten, weil es noch nicht voll ausgereift ist. Aber das trifft nicht zu. Das Immunsystem der Kleinen ist dafür ausgerüstet, sich mit Krankheitserregern auseinanderzusetzen.
Korrekte Auswertung zeigt keine signifikanten Unterschiede
Daneben findet insbesondere die Parole, ungeimpfte Kinder wären gesünder als geimpfte, immer wieder Anklang. Es wird behauptet, dass ungeimpfte Kinder seltener unter Allergien, Infekten, Herzkrankheiten oder multipler Sklerose leiden würden und seltener autistisch seien. Doch dafür gibt es keinerlei Beweis.
Im Gegenteil: Die Behauptung geht auf einen Rechenfehler sowie die fehlerhafte Interpretation einer großen Untersuchung zurück durch, sagen wir mal vorsichtig, impfskeptische Personen. Gegenstand der Diskussion sind die Daten der ersten umfassenden und bundesweit repräsentativen Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS), durchgeführt von Mai 2003 bis Mai 2006 vom Robert Koch-Institut (RKI).
Liest man, was das RKI zu Anfang als Ergebnis der reinen Auszählung der KiGGS-Studie präsentiert hat, so könnte man durchaus meinen, dass es einen Unterschied zu Ungunsten der geimpften Kinder gäbe: "Bei den ungeimpften Ein- bis Fünfjährigen traten im Mittel 3,3 Infekte im letzten Jahr auf, bei den Geimpften waren es 4,2. Bei den 11- bis 17-Jährigen traten 1,9 beziehungsweise 2,2 Infekte auf." Und weiter heißt es: "Die Lebenszeitprävalenz von mindestens einer atopischen Erkrankung betrug bei ein- bis fünfjährigen Ungeimpften 12,6 Prozent und bei den Geimpften 15,0 Prozent."
Mancher mag nun denken: Da steht ja also wohl ganz eindeutig, dass die Geimpften mehr Krankheiten haben! Doch langsam. Medizinische Statistik ist eine komplexe Wissenschaft. Bei den oben zitierten Zahlen handelt es sich um Rohdaten, die in dieser Form noch nicht vergleichbar sind. So hatten die betrachteten Gruppen beispielsweise unvergleichbare Größen. Die Gruppe der komplett Ungeimpften betrug nur wenig mehr als ein Prozent der insgesamt Erfassten. Das bedeutet, einzelne Ausreißer wirken sich massiv aus und damit wiederum neigt die Gruppe mehr zur Zufallsverteilung als die in der größeren Kohorte der Geimpften. Um die Zahlen vergleichbar zu machen, sind spezielle statistische Verfahren nötig.
Diese haben die Autorinnen und Autoren der KiGGS-Studie denn auch nach international gültigen Wissenschaftsstandards angewendet. Das Ergebnis, das sich weiter unten im Bericht findet: "Die geringen Differenzen zwischen den Impfstatusgruppen sind nicht statistisch signifikant." Die Unterschiede sind also mit größter Wahrscheinlichkeit dem Zufall geschuldet und keineswegs eine "krasse Auffälligkeit", wie der Laie denken könnte. Und so heißt es auch im Fazit des RKI sehr klar: "Erwartungsgemäß ist das Erkrankungsrisiko bei Geimpften deutlich geringer." Es seien keine der befürchteten gesundheitlichen Unterschiede wie das Auftreten von Allergien und die Häufigkeit von Infekten zu beobachten. Zahlreiche ausführlich geprüfte Studien aus aller Welt stützen diese Aussage.
Impfen ist eine gesellschaftliche Verantwortung
Wir sollten deshalb die Macht des Wortes nutzen und wieder von "Schutzimpfungen" sprechen. Trivial? Gar nicht. Man tut damit nicht einmal nur sich selbst etwas Gutes. Werden genügend Menschen geimpft, schützt das auch diejenigen, die nicht geimpft werden können.
Wer seinen Nachwuchs trotzdem lieber Erkrankungen durchmachen lassen möchte, weil das Gerüchten zufolge zu einem positiven Entwicklungsschub führt, sei hiermit gewarnt: Das ist ebenso falsch wie gefährlich und hat mehr mit Ideologie als mit den realen Auswirkungen einer Krankheit zu tun. Neuere Studien zeigen, dass beispielsweise das Durchmachen einer Maserninfektion das Immunsystem bereits vorhandene Immunitäten vergessen lassen kann. Betroffene sind dann nicht nur für Wochen und Monate anfälliger für Infekte, sie könnten sogar die Immunität gegen bereits durchgemachte Krankheiten auf Jahre hin verlieren.
Bei einer so gut erforschten, sicheren und erfolgreichen Maßnahme wie dem Impfen tritt der Glaube, man könne das als fürsorgendes Elternteil selbst und individuell abwägen, eindeutig in den Hintergrund. Wer das für sich in Anspruch nimmt, handelt irrational. Das heißt nicht, für jeden und jede wäre jede Impfung sinnvoll. Die Entscheidung jedoch sollten die Erziehungsberechtigten nicht allein, sondern mit dem gut informierten Arzt treffen.
Sie wollen mehr über die Wirksamkeit und Sicherheit von Impfungen erfahren? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts liefern Antworten zu den 20 häufigsten Einwänden gegen das Impfen.
12 Kommentare
Kommentare
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Zu diesem Thema gehört auch die Corona-Impfung.
Gerd Kruse am Permanenter Link
So etwas kommt in den Untersuchungen der Stufe 2 immer wieder vor. Die Reaktion ist dabei genau nach"Plan", Unterbrechung der Studie und EXTERNE Untersuchung, warum hier diese Infektion aufgetreten ist.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Es sollte keine Impfpflicht geben, aber eine Vernunftbasierte Einsicht in die Notwendigkeit von Impfungen.
Norbert Normalo am Permanenter Link
das ist das Problem mit dem Humanismus : er ist in sich widersprüchlich. wie kann man für Selbstbestimmung sein und nicht gleichzeitig gegen Impfzwang ?
M.S. am Permanenter Link
Nein, es kann sich eben NICHT jeder impfen lassen, der Angst hat.
Darüber hinaus kann man auch kein neugeborenes Kind mal eben gegen alles mögliche impfen. Es gibt also zwangsläufig viele (noch) ungeimpfte sehr kleine Kinder, die durch infizierte Menschen angesteckt werden können und aufgrund ihres Alters ein hohes Risiko für schwere Verläufe haben. Mein Onkel wäre am Keuchhusten fast gestorben, denn er war selbstverständlich nicht geimpft, weil gerade erst geboren. So viel zu "wer Angst hat kann sich ja impfen lassen"!
Norbert Normalo am Permanenter Link
Impfungen sind wie Schuhe , die einen passen, die anderen nicht. Ich will selber entscheiden, welche Schuhe ich anziehe.
Klaus am Permanenter Link
Waeren ab etwa 1950 nicht die meisten Schulpflichtigen Kinder Geimpft worden gegen die oben aufgefuehrten und andere Krankheiten, waeren in der Folge und heute viel Tote zu beklagen und ein Teil der Bevoelkerung wuerd
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Ich bin für rechtzeitige, flächendeckende Impfpflicht.
CnndrBrbr am Permanenter Link
Ich finde die Idee gut, bewußt das Wort "Schutzimpfung" zu benutzen, um die Sinne für den (kausalen!) Zusammenhang von Impfung und Schutz zu schärfen.
Ingrid Schmall am Permanenter Link
Schweinegrippe_Drosten_Tamiflu_Narkolepsie_TiBmolbiol war aber doch irgendwie ein Schnellschuss_Flopp, oder?
Die Schweden haben hohe Entschädigungen geleistet für die durch Narkolepsie geschädigten Kinder.
Wo ist die Schweinegrippe jetzt?
Man kann doch nicht alle Impfungen über einen Kamm scheren. Da gibt es schon unterschiedliche Empfehlungen und der Nutzen muss immer größer sein, als der mögliche Schaden/Nebenwirkung.
Gibt es Leute, die sich nicht gegen Tetanus impfen lassen? Das kann ich mir kaum vorstellen.
Es ist doch schön, dass sich jeder impfen lassen kann, der will. Es werden Freiwillige gesucht.
CnndrBrbr am Permanenter Link
> Wo ist die Schweinegrippe jetzt?
Ganz einfach, weg.
Die Impfung hat funktioniert!
HFRudolph am Permanenter Link
„Gibt es Leute, die sich nicht gegen Tetanus impfen lassen?“
Das RKI schreibt: „In einigen Impfstoffen sind Formaldehyd, Aluminium, Phenol oder Quecksilber enthalten – allerdings in äußerst geringen Konzentrationen (weit unterhalb toxikologischer Grenzwerte). Die Substanzen dienen beispielsweise dazu, um Impfviren abzutöten (Formaldehyd), die Immunantwort zu verstärken (Aluminiumhydroxid) oder den Impfstoff haltbar zu machen (Phenol).“ Bei derart geringem Nutzen müsste man dann aber auch die Nebenwirkungen inklusive derer der Konservierungsstoffe in Millionengröße auswerten, um einen Nutzen sinnvoll nachzuweisen. Ein Krebstoter auf 1 Mio Einwohner wegen Formaldehyd im Blut lässt sich durch keine aktuelle Statustik belegen oder widerlegen, nur erwecken die genannten Stoffe ja durchaus Aufmerksamkeit, wenn sie injeziert werden.