Robert Claus veranschaulicht in seinem etwas unpassend betitelten Buch "Ihr Kampf. Wie Europas extreme Rechte für den Umsturz trainiert", dass Kampfsport für Rechtsextremisten immer attraktiver wird und man auch länderübergreifend zusammenarbeitet. Das Buch macht dies in eher journalistisch gehaltenen Berichten anhand von vielen Beispielen deutlich und plädiert berechtigt für mehr Aufmerksamkeit für solche Kontexte.
"Um … Gewalt zu trainieren, haben extrem rechte Kader und Schlüsselorganisationen über die vergangenen Jahre gezielt und strategisch in den Kampfsport investiert. Durch Veranstaltungen, internationale und lokale Trainings, eine mediale Debatte in ihren Publikationen und über eigene Modelabels konnten sie Strukturen aufbauen. Es ist ein professionelles Geschäft mit der Gewalt" (S. 9). Gleich zu Beginn seines Buchs schreibt Robert Claus diese Sätze. Der Autor ist als Experte für Fankulturen bekannt geworden und hatte über das Hooligan-Phänomen eine der wenigen Monographien veröffentlicht. Sein neuster Band, woraus die zitierten Einschätzungen stammen, ist mit "Ihr Kampf. Wie Europas extreme Rechte für den Umsturz trainiert" überschrieben. Dies dürfte indessen nicht die beste Auswahl sein, denn das eigentlich Gemeinte wird so nicht wahrgenommen. Es geht dem Autor und einigen Gastautoren um den Kampfsport und den Rechtsextremismus – und eben diesen Zusammenhang. Dabei wird auch der Blick über Landesgrenzen hinaus geworfen.
So geht es Claus darum, "über die Strukturen des Kampfsports in der deutschen sowie europaweit vernetzten extremen Rechten aufzuklären" (S. 14). Nach einer Einführung ins Thema, wobei die Inszenierung der Rechtsextremisten in Krisenzeiten den inhaltlichen Rahmen liefert, finden sich unterschiedliche Texte. Meist stammen sie von Claus selbst, zumindest im ersten Teil. Darin geht es um die Aktivitäten von gewaltgeneigten Neonazis in Kampfsport-Kontexten, wo eben für den Tag X eines Umsturzes trainiert werde. Als besonders bedeutsam gelten hier die "Kampf der Nibelungen"-Veranstaltungen, besteht doch um diese herum ein länderübergreifendes Netzwerk einzelner Rechtextremisten. Claus verweist dabei auch auf den Ableger "Tiwaz" als "sächsisches Kleinformat" (S. 63). Er macht bei alldem ebenso auf interne Konflikte aufmerksam, geht es doch nicht nur um "Kameradschaft", sondern auch um Geld. Bezogen auf Gruppenkampfsport ist außerdem die Hooligan-Szene in diesen Zusammenhängen bedeutsam. Die Kooperation und Netzwerkbildung verläuft dabei ähnlich wie im "Rechtsrock", was erneut den Erkenntnisgewinn durch vergleichende Perspektiven veranschaulicht. Und dann wird noch aufgezeigt, wie rechtsextremistische Kampfsportler in der Securitybranche untergekommen sind.
Das zweite größere Kapitel widmet sich anderen Ländern, wo es ebenfalls zwischen Kampfsport und Rechtsextremismus einschlägige Zusammenhänge gibt. Diese Beiträge stammen von Gastautoren, meist aus den genannten Ländern, also hier Frankreich, Griechenland, Italien, Polen, Russland, aber auch Thailand. Deutlich zeigt sich dabei die internationale Dimension des Phänomens, zumal auch deutsche rechtsextremistische Kampfsportler mit dortigen einschlägigen Rechtsextremisten kooperieren. Die letzten kürzeren Aufsätze stammen wieder von Claus selbst. Darin geht es um mögliche Gegenstrategien für Kampfsport ohne Nazis, aber auch zunächst einmal um die bloße Aufmerksamkeit für und Diskussion über dieses Phänomen.
Bilanzierend betrachtet legt Claus eine Fülle von Informationen vor, welche das Gefahrenpotential auch für den internationalen Kontext veranschaulichen. Er betont dabei immer die Relevanz für den Terrorismus, wobei es aber zu einer Blickverengung kommen kann, denn es dürften eher auf einer niedrigeren Gewaltebene jeweilige Wirkungen erfolgen. Dabei wäre an einschlägige Demonstrationen mit einer Eskalation der Gewalt zu denken. Offenkundig geht es den Akteuren mehr um etwas wie einen "Bürgerkrieg". Damit seien auch noch weitere kritische Aspekte angesprochen: So informativ Claus über Kampfsport schreibt, so liefert er für seine Ausführungen keine Belege, handelt es sich doch um journalistische Texte. Es wäre auch interessant gewesen, die gesamte Kampfsport-Szene im Lichte von rechtextremistischen Strategien zu betrachten. Gleiches gilt für inhaltliche Schnittmengen. Sie erklären die Attraktivität für Kampfsportler wie für Rechtextremisten. Diese Einwände minimieren aber nicht den hohen Informationsgehalt der verdienstvollen Monographie.
Robert Claus, Ihr Kampf. Wie Europas extreme Rechte für den Umsturz trainiert, Göttingen 2020 (Verlag Die Werkstatt), 224 Seiten, 19,90 Euro.
1 Kommentar
Kommentare
M. Landau am Permanenter Link
Wie einst die SA-Horden, die ebenfalls 'trainiert' wurden, damals nach militärischen Gesichtspunkten, was die Sache nicht besser macht.
Gewalt als Mittel der Politik, nicht nur im rechten politischen Spektrum, sondern allgemein, ist kein Novum und der systematische Missbrauch des Sports, nicht nur des Kampfsports, zu politischen Zwecken, ebenso wenig.