Intelligent Design 2.0 - Teil 1

Religions- oder Pseudowissenschaft

RONNENBERG. (hpd) Früher zogen Theologen gegen die Evolutionstheorie zu Felde. Heute bedienen sich religiös motivierte Forscher der Evolution, um sie als Mittel Gottes für ein höheres Ziel zu verkaufen. Die Argumentation ist simpel, bedarf aber einiger Fachkenntnisse, um die rhetorischen Raffinessen zu bemerken. Der Autor Andreas E. Kilian klärt in einer vierteiligen Serie auf.

Wir glauben doch alle an irgendetwas, gelle? Es gibt eine Natur des Glaubens, eine Neurotheologie, ein Gottesteilchen, sogar ein Gottesgen. Theismus und Religiosität sind angeboren und bescheren den Gläubigen Vorteile, die sie im Überlebenskampf fitter machen, sonst hätten sich die Religionen nicht weltweit ausgebreitet. Dies ist doch empirisch bewiesen! Wer will dies abstreiten? Hier wird die Nachwuchszahl einzelner religiöser Sekten ins Feld geführt und von konkreten biologischen Vorteilen gesprochen [Blume 2014, 2015]. Doch wenn Religiosität angeboren ist, dann wird Religionszugehörigkeit und Religionsunterricht zur Pflicht. Dann sind Naturalisten bewiesenermaßen Geisteskranke [Müller 2015] oder zumindest Mangelwesen, denen dass Menschsein abgesprochen werden kann [Schnückel 2012]. Religiöse sind die Auserwählten.

Doch stopp! Die Sophisterei beginnt mit dem ersten Satz. Denn religiöser Glauben ist nicht gleich Glauben im Sinne eines wissenschaftlichen Vermutens. Und wo sind die Beweise für angeborenen Theismus und angeborene Religiosität? Warum wird Religionszugehörigkeit mit Religiosität gleichgesetzt? Wer dieses Gedankenkonstrukt jetzt als wissenschaftliches Ergebnis akzeptiert, der stimmt dem Einfluss der Kirchen in Politik und Schule zu. Eine saubere Trennung zwischen angeborenen Fähigkeiten und kulturellen Konditionierungen suchen wir hier vergeblich. Dabei dürfen die Fähigkeiten, sich Wesen imaginieren zu können und Artgenossen um etwas zu bitten, nicht mit dem kulturell konditionierten Verhalten verwechselt werden, die imaginierten Wesen ebenfalls anzubeten und anzubetteln!

Selbstverständlich arbeiten nicht alle Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung von Religiosität beschäftigen, pseudowissenschaftlich oder mit unseriösen Methoden. Wenden wir dennoch in der folgenden Beitragsreihe Intelligent Design 2.0 die Kriterien der Gesellschaft für wissenschaftliche Untersuchungen von Parawissenschaften (GWUP) an, die von Amardeo Sarma [1997] und von Thomas Waschke [2003] publiziert wurden. Nicht nur um die Spreu vom Weizen zu trennen oder um denen einen Spiegel vorzuhalten, die unbewusst ihr religiöses Wunschdenken in die Wissenschaft einfließen lassen, sondern auch für uns selber, um zu überprüfen, ob wir noch mitdenken.

Seriös vs. pseudo

Es gibt keine fest definierbare Grenze zwischen seriöser und Pseudowissenschaft, wohl aber eine Reihe von Prinzipien, die sich auf Erhebung, Auswertung, logische Argumentation und Schlussfolgerung beziehen [Sarma 1997, Waschke 2003].

Warum vermuten wir, dass eine Aussage wahrscheinlicher ist als eine andere? Woher wissen wir, dass das eine stimmt, während das andere uns skeptisch werden lässt? Wir gleichen neue Aussagen mit unserem bisherigen Weltbild ab. Da sich die Naturwissenschaften in Analyse und Vorhersage bewährt haben, macht es Sinn, neue Aussagen auf die Übereinstimmung mit den bisherigen Erkenntnissen zu überprüfen. Behauptungen sollten daher logisch und/oder empirisch nachvollziehbar sowie überprüfbar sein. Theorien und Hypothesen sollten zudem falsifizierbar sein.

Neue Erkenntnisse der Sozial- und Kulturwissenschaften müssen daher nicht nur in sich konsistent sein, sondern sollten auch den Erkenntnissen der Naturwissenschaften einschließlich der Mathematik nicht widersprechen. Gerade im Wechselspiel zwischen evolutiven und kulturellen Prozessen sollte der Grundsatz gelten, dass der Mensch nur ein Tier unter Tieren ist. Wo Unterschiede vermutet werden, gelten zunächst die Grundlagen der Psychologie und Medizin, nicht die der Theologie.

Woran erkennen wir die Vertreter des Intelligent Designs ?

Laut Waschke [2003] sind die Vertreter der akademischen Variante des Kreationismus häufig daran zu erkennen, dass sie die Selbstpräsentation übertreiben. Sie kommen nicht nur mit Universitätstiteln daher, sondern bringen diese bei jeder Gelegenheit – auch auf Buchtiteln - zur Geltung. Sie benutzen gerne wissenschaftliches Vokabular – allerdings in ihrer eigenen Interpretation – und betonen ausdrücklich, dass sie auch die Fachbegriffe verwandter Disziplinen beherrschen und erklären können. Zudem belehren sie gerne, ohne belehrt werden zu wollen. Religiöse Argumentationen lehnen sie strikt ab, um sich demonstrativ in der Öffentlichkeit von der Theologie zu distanzieren. Trotzdem sehen sie natürlich auch "große" Zusammenhänge und "Wunder" des Lebens, die nicht näher zu erklären sind.

Dr. rer. nat. Andreas E. Kilian

Dr. rer. nat. Andreas E. Kilian

Laut Sarma [1997] argumentieren sie mitunter unfair. Ihre Argumente richten sich häufig nicht gegen Sachverhalte, sondern ad hominem, gegen die Person. Sie fühlen sich leicht beleidigt und schlagen erbarmungslos zurück. Statt Sachfragen zu beantworten, ist häufig von Trollen, Beleidigungen und unsachlichen Argumenten in Blogs die Rede, die die Eliminierung kritischer Beiträge sowie die öffentliche Herabsetzung des Diskussionspartners rechtfertigen. Mitunter werden die Argumente der Gegenseite absichtlich falsch dargestellt, Blogbeiträge gefälscht oder einfach entfernt. Zudem finden sich Appelle an das Wunschdenken der Leser sowie Vorurteile, in dem andere Meinungen als unwissenschaftlich, polemisch, krude oder platt bezeichnet werden. Wenn sie argumentativ mit dem Rücken zur Wand stehen, fordern sie für sich und ihre Erkenntnisse Respekt, Respekt und nochmals Respekt. Zudem appellieren sie an das Mitleid und die Hilfe von Gleichgesinnten, drohen Pseudonyme im Internet öffentlich zu machen, oder nehmen den Feind gleich selber unter einem Pseudonym in die Zange.