Hexenglauben ist in Afrika noch immer weit verbreitet. Im vergangenen Jahr gründete der nigerianische Menschenrechtsaktivist Leo Igwe eine Organisation, die sich für die Aufklärung über den Hexenglauben und den Schutz von Opfern der Hexenverfolgung einsetzt.
Obwohl die Coronavirus-Pandemie den Gesundheitssystemen und der Wirtschaft weltweit einen schweren Schlag versetzt hat, gab es 2020 auch einige positive Entwicklungen, einige Zeichen der Hoffnung für die Menschheit und Hinweise auf eine bessere Zukunft. Eine dieser Entwicklungen ist der Start einer Kampagne gegen Hexenverfolgung auf dem afrikanischen Kontinent. Hexereivorwürfe stellen dort eine Art Todesurteil für die Beschuldigten dar. Und das sollte nicht der Fall sein, denn Hexerei ist eine Form des Aberglaubens. Seit Januar 2020 arbeitet die Advocacy for Alleged Witches (AFAW) ("Anwaltschaft für vermeintliche Hexen") daran, die Lücken im Aktivismus gegen Hexereivorwürfe in Afrika zu schließen. Der Hexenglaube wird schon viel zu lange mit dem afrikanischen Kontinent in Verbindung gebracht. Laut westlicher Anthropologen hat Hexerei in Afrika eine Gatekeeper-Funktion und bildet den Rahmen, um Afrika sowie die afrikanische Denkweise und Kultur zu studieren und zu verstehen. Aber diese Definition ist nicht mehr hilfreich – falls sie es jemals war – und es ist an der Zeit, diese Vorstellung zu verwerfen.
Obwohl es Berichte über ungeheuerliche Missstände im Zusammenhang mit der Hexenverfolgung in Afrika gibt, wird sehr wenig getan, um diese soziale Bedrohung auszumerzen. Lokale und internationale Programme zur Bekämpfung der Hexenverfolgung lassen an allen Fronten viel zu wünschen übrig. Westliche NGOs dominieren und treiben die Bemühungen zur Beendigung der Hexenverfolgung in der Region voran. Leider verfolgen viele dieser NGOs eine Agenda, die den Abbau von Hexenängsten in Afrika verhindert. Im Namen dessen, was sie "Respekt für afrikanische religiöse und kulturelle Überzeugungen" nennen, haben diese Organisationen die Sache der Beendigung der Hexenverfolgung in Afrika verraten, weil diese Organisationen afrikanische Hexerei nicht bei ihrem Namen nennen können: Aberglaube. Also organisieren diese westlichen NGOs Wischiwaschi-Programme, die das Problem der Hexereivorwürfe übertünchen.
Um die Hexenverfolgung in Afrika zu beenden, braucht die Region robuste und effektive Kampagnenprogramme mit einer klaren und kategorischen Position gegen Hexereivorwürfe und Hexenverfolgung. Afrika braucht NGOs, die ohne Doppelmoral agieren, Organisationen, die sich aufrichtig und ohne Vorbehalte für die Ausrottung dieses dunklen und zerstörerischen Phänomens einsetzen.
Für das Jahrzehnt 2020–2030 hat die AFAW eine Vision zur Beendigung von Misshandlungen im Zusammenhang mit Hexereivorwürfen bis zum Jahr 2030 skizziert. Ihre Kampagne zielt darauf ab, eine kritische Masse von Fürsprechern gegen Hexenverfolgung in allen afrikanischen Ländern zu erreichen. Eine Frist für das Ende von Hexereivorwürfen in der Region setzt die AFAW, um sicherzustellen, dass die Hexenverfolgung mit der gebührenden Dringlichkeit angegangen wird. Erwartungsgemäß hat dieses Aktionsjahrzehnt gemischte Reaktionen hervorgerufen. Einige Menschen sind der Meinung, dass das Ziel unrealistisch ist und angesichts der enormen Größe des Problems nicht erreicht werden kann. Diese Personen begrüßen zwar die Vision, die Hexenverfolgung bis 2030 zu beenden, fragen sich aber, woher die AFAW die Mittel nehmen will, um dieses Ziel zu erreichen. Andere sind der Meinung, dass das Ziel 2030 durchaus realisierbar und ein Ende der Hexenverfolgung in Afrika längst überfällig sei. Der britische Wissenschaftler und Humanist Richard Dawkins twitterte, dass wir nicht so lange warten sollten, um diesen gewalttätigen und entsetzlichen Missbrauch zu beenden.
Seit Januar 2020 ist die Kampagne der AFAW in vollem Gange. Trotz der Einschränkungen durch die globale Pandemie hat sie an verschiedenen Fronten Fortschritte gemacht. Die AFAW war in den lokalen und internationalen Medien sichtbar. Sie hat Berichte und Artikel, Pressemitteilungen und Erklärungen veröffentlicht, um die Narrative des Hexenglaubens zu hinterfragen. Der Hexenglaube hält sich in Afrika hartnäckig, weil Hexereierzählungen selten in Frage gestellt oder kritisch hinterfragt werden. Ziel der AFAW ist es, diese Kultur des dogmatischen und blinden Glaubens zu verändern.
Über die Erklärung der AFAW, dass Hexerei ein Mythos und eine Form des Aberglaubens ist, wurde breit berichtet. Die Medien fanden die Erklärung berichtenswert, weil es die vorherrschende Vorstellung ist, dass Hexerei real sei und Hexen existierten. In Kirchen und Moscheen, Schulen, Hochschulen und Universitäten, im Radio und Fernsehen, in Print- und elektronischen Medien wird den Afrikanern beigebracht, dass Hexen und andere dämonische und okkulte Kräfte Tatsachen und keine Hirngespinste sind. Viele von denen, die diese Erzählungen verbreiten, sind Priester, Pastoren und Mallams, Quasi-Kleriker und Spiritualisten, die behaupten, im Namen des traditionellen, christlichen oder islamischen Gottes zu sprechen. Die weitgehend unwidersprochen bleibenden, zweifelhaften Ansichten dieser Gottesmänner und -frauen werden in den Medien berichtet. Und sie verstärken den Hexenglauben und die Ängste in den Köpfen der Menschen. Die AFAW hat die Predigten und fragwürdigen Behauptungen der hexenjagenden Geistlichen kritisiert. Die AFAW hat Geistliche herausgefordert, die behaupteten, sie hätten Covid-19-Patienten geheilt oder könnten sie heilen. Diese Herausforderung löste wochenlang Debatten und Diskussionen in den sozialen Medien aus. Die AFAW wird auch weiterhin in den Medien aufklären, um die Afrikaner dazu zu bewegen, Hexereivorstellungen zu hinterfragen und kritisch zu prüfen.
"Teufelskreis von Unwissenheit, Armut und Krankheit"
Im vergangenen Jahr hat die AFAW in mehreren Fällen von Hexenverfolgung interveniert. Sie hat Beschuldigte gerettet und ihnen bei der Umsiedlung geholfen. Die AFAW unterstützt weiterhin minderjährige Opfer und hält die Polizei und andere staatliche Behörden dazu an, mutmaßliche Hexenjäger zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen. Über Nigeria hinaus hat die AFAW die Polizei und andere staatliche Behörden in Kenia, Sambia, Ghana, Malawi und Liberia aufgefordert, gegen Hexenmörder und Hexenjäger vorzugehen.
Leider war das Jahr 2020 von tragischen Vorfällen im Zusammenhang mit dem Hexenglauben geprägt. Vermeintliche Hexen wurden in verschiedenen afrikanischen Ländern gelyncht und gesteinigt. In Ghana hat ein lokaler Mob die der Hexerei beschuldigte Akua Denteh verbrannt. In Nigeria lynchten einige Hexenjäger, darunter ein Lokalpolitiker, 15 der Hexerei verdächtigte Personen in Boki im Bundesstaat Cross River. Mobs verbrannten angebliche Hexen in der Region Kisii in Kenia und steinigten sie zu Tode in Dedza, Malawi. Und die Liste der Opfer reicht noch weiter. Dass sich diese schrecklichen Vorfälle auch im 21. Jahrhundert noch ereignen, ist ein Grund zur Besorgnis und zu entschiedenerem Handeln. Es sind dringend proaktive Maßnahmen auf lokaler und globaler Ebene erforderlich, um dieses Problem anzugehen.
Mit Blick auf das Jahr 2021 wird die AFAW die Aufklärung der afrikanischen Öffentlichkeit fortsetzen. Sie wird weiterhin Druck auf die staatlichen Behörden ausüben, damit diese die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Ängste und Befürchtungen in Bezug auf Hexerei zu zerstreuen. Die AFAW wird sich dafür einsetzen, die Straflosigkeit für Verbrechen im Zusammenhang mit dem Hexenglauben zu beenden und sicherzustellen, dass Hexenmörder und Hexenjäger vor Gericht gestellt werden. Das Internet hat dazu beigetragen, dass der AFAW Fälle von Hexenverfolgung gemeldet werden. Die AFAW wird mit ihren Partnern, den Familien der Opfer und den Gemeindeleitern in den Regionen zusammenarbeiten, um eine schnelle Reaktion auf jeden Fall von Hexenverfolgung zu gewährleisten. Sie wird sich bemühen, den Opfern Unterstützung zukommen zu lassen und Hexerei-Gläubige zu informieren und aufzuklären. Hexenverfolgung kommt häufiger in ländlichen Gemeinden vor, wo es nur wenige staatliche Einrichtungen und Dienste gibt.
Die AFAW wird mit allen betroffenen Gemeinden zusammenarbeiten, um gezielt die Ursachen und Treiber von Hexereivorwürfen zu bekämpfen. Die AFAW ist sich einiger komplexer Gründe für die Hexenverfolgung in Afrika bewusst. In "A Short Textbook of Preventive Medicine for the Tropics" (Kurzes Lehrbuch der Präventivmedizin für die Tropen) wiesen Lucas und Gilles (1982) auf einige Merkmale afrikanischer Länder hin: "Begrenzte zentrale Organisation von Dienstleistungen, verstreute Bevölkerungen, die in kleinen, in sich abgeschlossenen Einheiten leben, niedriges Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung, begrenzte Bildungseinrichtungen und unzureichende Kontrolle der häufigsten Krankheitserreger." Sie stellten fest, dass "einige dieser Gemeinschaften immer noch fest im Teufelskreis von Unwissenheit, Armut und Krankheit gefangen sind".
Leider treffen diese Merkmale der afrikanischen Gesellschaft der 1970er und 80er Jahre auch auf das heutige Afrika zu. Hinzufügen muss man noch den Aberglauben, denn Unwissenheit, Armut und Krankheit bilden den Nährboden für die Verbreitung irrationaler Ängste und Befürchtungen. Während das Jahrzehnt des Aktivismus der AFAW in sein zweites Jahr geht, wird die Bewegung ihre Vision und Mission weiter vorantreiben. Sie wird die Aufmerksamkeit globaler, regionaler und lokaler Institutionen auf diesen Teufelskreis und andere katastrophale sozioökonomische Bedingungen lenken, die Hexenverfolgung und -mord begünstigen.
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Roland Fakler am Permanenter Link
„In Kirchen und Moscheen, Schulen, Hochschulen und Universitäten, im Radio und Fernsehen, in Print- und elektronischen Medien wird den Afrikanern beigebracht, dass Hexen und andere dämonische und okkulte Kräfte Tatsac
Klaus Weidenbach am Permanenter Link
Am 16. September 2016 verstarb lt. SPIEGEL (Nr. 39/2016, S.133) der Exorzist der Diözese Rom, Gabriele Amorth. Ich zitiere aus dem Nachruf: "Eine Eisenwarenhandlung hätte der Exorzist aufmachen können.