Der Zeichner, Schriftsteller und Kinderbuchautor Janosch wird heute 90 Jahre alt. Michael Schmidt-Salomon gratuliert dem Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und erinnert dabei unter anderem an eine amüsante Auseinandersetzung zwischen Janosch und dem ehemaligen CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber.
Janoschs Bücher und Zeichnungen sind etwas ganz Besonderes, irgendwie skurril, aber zugleich von einer solchen Herzenswärme und Weisheit durchdrungen, dass man sich ihnen kaum entziehen kann. Ganz besonders ist allerdings auch der Mensch, der hinter den Büchern und Zeichnungen steht. Als ich Janosch, der mit bürgerlichem Namen "Horst Eckert" heißt und 1931 in Hindenburg (Zabrze, Polen) geboren wurde, das erste Mal traf, war ich gleich fasziniert von der erstaunlichen Kongruenz zwischen seiner Persönlichkeit und seinem Werk. In jeder seiner Zeichnungen steckt ein Teil von ihm. Sie sind so ungewöhnlich, weil Janosch ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnlicher Mensch ist, dessen Eigenschaften man kaum in Worte fassen kann.
Gut erinnere ich mich an eine Episode aus dem Jahr 2007, als wir gemeinsam auf die Angriffe des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber reagieren wollten. Stoiber hatte Janosch als "falschen Propheten" bezeichnet und behauptet, man dürfe nicht zulassen, dass Janosch mit seinen antireligiösen Zeichnungen und Kommentaren "Zugang zu unseren Kinderzimmern erlangt". Anlass der scharfen Attacke war offensichtlich der Abdruck einer Janosch-Zeichnung im Magazin Der Spiegel. Das Bild mit dem Titel "Taufe", dessen Original heute im gbs-Stiftungssitz hängt, zeigt einen Geistlichen, der einem Säugling über dem Taufbecken mit einem Hammer das Kreuz in den Bauchnabel treibt – eine einprägsame Darstellung des "kleinen Exorzismus", der mit der Taufe nach katholischem Verständnis verbunden ist. In dem dazugehörigen Spiegel-Artikel wurde Janosch als Beiratsmitglied der Giordano-Bruno-Stiftung auch kurz mit den Worten zitiert: "Katholisch geboren worden zu sein, ist der größte Unfall meines Lebens."
"Schwergewichtliche Politiker wie Herr Sträuber"
Unsere Aufgabe bestand darin, eine kurze Pressemitteilung als Antwort auf Stoibers Attacke zu formulieren. Doch das war gar nicht so einfach. Statt eines zusammenhängenden Textes erhielt ich von Janosch Dutzende von Mails mit lustigen Formulierungen und Zeichnungen, die zwar allesamt köstlich waren, aber kaum zu einem verwertbaren Pressetext führen konnten. Wir einigten uns schließlich darauf, einige Passagen zu verwenden, in denen Janosch erklärte, dass es ihn sehr gefreut habe, "von einem so enorm 'schwergewichtlichen' Politiker wie Herrn Sträuber [Anm.: Janosch bestand darauf, den Namen 'Stoiber' immer wieder kreativ zu variieren, um die Leute nicht zu langweilen!] überhaupt wahrgenommen und damit wohl als bedeutend anerkannt zu werden."
Außerdem brachten wir in dem Text einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten unter, den Janosch, wie er schrieb, jedoch nicht abschickte, da er "leider nicht die passende Marke zur Hand hatte". Am Schluss des Briefes übermittelte Janosch dem empörten CSU-Chef "saufröhliche Ketzergrüße" und klärte den "Herrn Streusel" (!) darüber auf, dass falsche Propheten wie er "Profeten" genannt werden sollten: "Mit f wie Fogel..."
Das "antiklerikale Tigerentenbuch"
Selten habe ich so gelacht wie in diesen Tagen. Zu danken habe ich Janosch allerdings noch in anderer Hinsicht. Denn Janosch hat 2007 den Anstoß für das Kinderbuch "Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel" gegeben. Seine ursprüngliche Idee war, mit mir gemeinsam ein "antiklerikales Tigerentenbuch" zu produzieren. Also nahm ich die Grundidee von "Oh, wie schön ist Panama" und schrieb eine Geschichte, in der die kleinen Helden ausziehen, um Gott zu suchen, aber am Ende wieder glücklich und zufrieden zuhause ankommen.
Da aber gab es ein Problem: Janosch wollte sich in dem angedachten Buch auf die katholische Kirche konzentrieren, die ihn in seiner Kindheit so schrecklich terrorisiert hatte, während ich in der Geschichte (schon aus Fairnessgründen) alle "abrahamitischen Religionen" auf die Schippe genommen hatte. Da wir uns in dieser Hinsicht nicht einigen konnten (anders als bei unserer späteren Pressemitteilung zu "Stoiber/Sträuber/Streusel"), bliesen wir das gemeinsame Projekt ab. In der Folge wurden aus den ursprünglichen Helden der Geschichte "Tiger und Bär" die neuen Helden "Ferkel und Igel" – und die Zeichnungen zum Buch schuf letztlich Helge Nyncke statt Janosch. Fakt ist aber, dass das "kleine Ferkel" ohne Janosch gar nicht erst das Licht der Welt erblickt hätte, wodurch mir viel Ärger (allerdings auch eine Menge "Heidenspaß") erspart geblieben wäre...
Mit großer Freude habe ich wahrgenommen, dass Janosch mit seiner Ines äußerst entspannte Tage auf Teneriffa verbringt und seiner alten Lebensweisheit "Wer fast nichts braucht, hat alles!" treu geblieben ist. In diesem Sinne sende ich meine allerherzlichsten, "saufröhlichen Ketzergrüße" an den "falschen Propheten"! Lieber "Herr Jott", bleibe weiterhin so tiefenentspannt und erfreue uns bitte hin und wieder mit einer deiner grandiosen Zeichnungen!
Erstveröffentlichung auf der Website der Giordano-Bruno-Stiftung.
3 Kommentare
Kommentare
Christian Meißner am Permanenter Link
"Falsche Propheten schreiben sich mit f wie Fogel..."
Sehr schön. Dann habe ich - im Rückgriff auf Karl Popper - auch eine Geschichte anzubieten:
Karl Farce, der "Füllosoph", ließ die zwei Goldhamster seines Vermieters Georg Wilhelm Friedrich Flegel sich selbst fragen: "Wo bitte geht´s zum ´Reich der Freiheit´"? So brachen sie aus ihrem Käfig aus. Irgendwann kehrten sie jedoch enttäuscht nach Hause zurück. Dort hatte nämlich der listige kleine Enkel des Wohnungsvermieters ihnen eine Krankenversicherung, ein Discovery-Channel-Abo und einen Einjahresvertrag als Hamsterrad-Artisten im Hamsterzirkus versprochen.
Das des Nachts sich drehende Hamsterrad generiert übrigens jetzt Strom und lässt somit die auf den Käfig gerichteten Infrarotkameras funktionieren. So kehrte im Mietshause Flegel Ruhe und Sicherheit ein. Wenigstens bis zum nächsten "Füllosophen".
Und solange kein Bildungsministerium die Geschichte auf den Index setzt, ist ja och allet jut..
Im Übrigen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und alles Gute!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Der Vogel, scheint mir, hat Humor. (W. Busch)
Christian Meißner am Permanenter Link
Humor ist weit häufiger ein evolutionärer Vorteil als es falsche Prophezeiungen sind.