Spaghettimonster schlägt Jesus

Seit Jahren schrumpfen im deutschsprachigen Raum die Mitgliederzahlen der christlichen Großkirchen. Wie massiv das Desinteresse am Christentum inzwischen ist, lässt sich auch an einem kuriosen Fakt ablesen: Bei der deutschsprachigen Internet-Enzyklopädie Wikipedia haben in den vergangenen Jahren mehr Menschen nach dem Fliegenden Spaghettimonster gesucht als nach Jesus Christus.

1966 erklärte John Lennon in einem berühmten Interview, dass das Christentum verschwinden würde und die Beatles bereits populärer seien als Jesus. Diese Aussage sorgte damals vor allem im US-amerikanischen "Bible Belt", den konservativ-christlichen Südstaaten, für Empörung. Über 30 Radiosender boykottierten die Songs der Beatles, in Memphis wurde zum öffentlichen Verbrennen ihrer Platten aufgerufen und der Ku-Klux-Klan schmiedete Pläne, den dortigen Tournee-Auftritt der britischen Band zu verhindern.

Recht behielt John Lennon trotzdem. Längst sind den Menschen andere Dinge wichtiger als das Christentum. Wie massiv das Desinteresse im deutschsprachigen Raum inzwischen ist, lässt sich nicht nur an den seit Jahren stetig sinkenden Mitgliederzahlen der beiden christlichen Großkirchen ablesen, sondern auch an einem kuriosen Fakt: Bei der deutschsprachigen Internet-Enzyklopädie Wikipedia haben in den vergangenen Jahren weniger Menschen nach Jesus Christus gesucht als nach einem Kult, der – zur postumen Genugtuung John Lennons –  mit dem amerikanischen Bible Belt aufs Engste verknüpft ist – dem Fliegenden Spaghettimonster.

Als 2005 christliche Fundamentalisten im US-Bundesstaat Kansas versuchten durchzusetzen, dass im Schulunterricht des Landes die christliche Schöpfungstheorie des Intelligent Design gleichberechtigt mit der wissenschaftlichen Evolutionstheorie unterrichtet wird, wendete sich der 24-jährige Physiker Bobby Henderson mit einem Brief an die Schulkommission von Kansas. Sollte die christliche Schöpfungslehre in gleichgestellter Weise mit der Evolutionstheorie Einzug in den wissenschaftlichen Unterricht des Landes halten, so Henderson in seinem Brief, dann müsse noch eine weitere Schöpfungstheorie gleichberechtigt unterrichtet werden – nämlich, dass die Welt von einem Fliegenden Spaghettimonster geschaffen wurde. Diese Theorie, die Henderson in seinem Brief zunächst kurz skizziert und ein Jahr später im "Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters" weiter ausgeführt hatte, gewann in kurzer Zeit weltweit viele Anhänger.

Auch im deutschsprachigen Raum ist das Interesse am Fliegenden Spaghettimonster groß. Größer jedenfalls als an Jesus Christus. Das geht aus einer Statistik der Wikipedia-Seitenaufrufe der vergangenen Jahre hervor. So wurde der Wikipedia-Eintrag über das Fliegende Spaghettimonster in den vergangenen sechs Jahren – seit Beginn der abrufbaren Aufzeichnungen – durchschnittlich 977 mal pro Tag aufgerufen, der Eintrag über Jesus Christus dagegen nur 896 mal am Tag.

Deutlich höher als am Spaghettimonster ist das Interesse an Jesus Christus alljährlich nur für wenige Tage rund um Weihnachten und Ostern. Möglicherweise sind viele Wikipedia-Nutzer bereits so christentumsfern, dass sie erst einmal nachschlagen müssen, wer dieser Jesus Christus eigentlich ist, mit dem sich zu diesen Zeiten alle Medien so intensiv beschäftigen.

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