Kommentar zum 25. Subventionsbericht der Bundesregierung

Wann ist der Steuerhimmel der Kirchen erreicht?

BERLIN. (hpd) Die Bundesregierung hat am 26. August 2015 den 25. Subventionsbericht beschlossen. Darin enthalten sind die Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen im Zeitraum von 2013 bis 2016. Demnach nehmen die staatlichen Subventionen an die Kirchen eine Spitzenposition ein und steigen ungebremst.

Kirchensubvention an Nr. 1 mit 10 Prozent Wachstum

Die Subvention Nr. 1 im Einkommensteuerbereich richtet sich an die Kirchen (25. Subventionsbericht, lfd. Nr. 5, A 31). Die steuerzahlenden Kirchenmitglieder und damit die Kirchen als Institutionen profitieren mehr als jede andere gesellschaftliche Gruppe oder Branche: die staatliche Subventionierung der Kirchensteuer liegt 2016 mit knapp 4 Mrd. EUR auf dem ersten Platz der Subventionsliste aller 36 Regelungsbestände in der Rubrik Einkommen- und Körperschaftsteuer – bei wachsendem Abstand von über 2 Mrd. EUR auf den zweitgrößten Subventionsposten.

Bei dem kirchlichen Subventionsposten handelt es sich um die "Begünstigung anerkannter Religionsgesellschaften und ihnen gleichgestellter Religionsgemeinschaften aus kirchen‑ und sozialpolitischen Erwägungen".

Konkret, Steuermindereinnahmen durch die unbegrenzte Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Einkommenssteuergesetz (EStG). Der 25. Subventionsbericht weist bei den steuerlichen Sonderregelungen Mindereinnahmen als subventionsähnlichen Tatbestand aus: Die entgangenen Einnahmen der öffentlichen Haushalte lagen im Jahr 2013 bei 3.540 Mio. EUR und 2014 bei 3.650 Mio. EUR. Das Bundesfinanzministerium rechnet für 2015 mit einer Erhöhung auf 3.770 Mio. EUR und 2016 auf 3.890 Mio. EUR. In den vier Jahren der aktuellen Legislaturperiode erwächst aus den derzeitigen gesetzlichen Regelungen eine Steigerung des Defizits der öffentlichen Hand und des Profits für die Mitglieder der Religionsgesellschaften von 10 Prozent.

Der Anstieg ist zum einen auf die Einkommensstruktur der Kirchenmitglieder und das insgesamt wachsende Aufkommen bei der Lohn- und Einkommensteuer zurückzuführen. Zum anderen gilt jedoch eine spezielle gesetzliche Regelung für die Kirchenmitglieder, mit der die Kirchen diese Subventionsspitze erreicht haben und ausbauen.

Von den 3.890 Mio. EUR im Jahr 2016 trägt der Bund 1.653 Mio. EUR. Auf die Länder entfallen 2.237 Mio. EUR. Damit gehen 58 Prozent der Subvention zu Lasten der Länderhaushalte – von Hamburg bis Bayern, von NRW bis Sachsen.

Sogar die Bundesländer mit mehrheitlich konfessionsfreier Bevölkerung tragen in vergleichbarer Weise die Kosten der Kirchensubventionen. Dies führt teilweise dazu, dass die Länder wichtige Bildungs- und Sozialausgaben, oder auch aktuell für die Flüchtlingshilfe, nicht in einem Umfang leisten können, wie wenn das Geld in den Landeskassen wäre.

Welche kirchen‑ und sozialpolitischen Erwägungen?

Als Begründung dieser Kirchensubvention gelten "kirchen‑ und sozialpolitische Erwägungen". Diese beiden Kriterien sind vor folgendem Hintergrund kaum haltbar:

Die Subventionen steigen einerseits mit einer zweistelligen Wachstumsrate. Andrerseits steigt der gesellschaftliche und soziale Anspruch der Kirchen auf allgemeine Steuermittel – so es ihn je gab – nicht gleichermaßen. Im Gegenteil: erst im Juli 2015 meldeten die katholische Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) neue Rekordzahlen des Mitgliederschwundes. Auch der kirchlich finanzierte Anteil am Sozial- und Gesundheitssystem ist immer geringer geworden, wie Horst Herrmann bereits in dem Buch "Caritas-Legende" von 1993 aufdeckte. Spätestens seit Carsten Frerks Grundlagenwerk "Violettbuch der Kirchenfinanzen. Wie der Staat die Kirchen finanziert" von 2010 ist allgemein zugänglich, dass ohnehin ein Drittel der Kirchensteuer durch allgemeine Steuergelder finanziert wird (Frerk, Kirchenfinanzen, S. 41).

Ein Kostenausgleich für kirchliche Sozialleistungen kann nicht als Begründung für Subventionen und Steuernachlass gelten. Alle öffentlich von Kirchenlobbyisten benannten sozialpolitischen Ziele der Subventionen an die Kirchen erscheinen vorgeschoben. Denn wie Frerk nachwies, bleibt angesichts der Tatsache, dass die Kirchen heutzutage die sozialen Leistungen der Caritas und Diakonie nur zu einem Bruchteil aus eigenen Mitteln wie der Kirchensteuer bezahlen. Die Kirchen bringen oft gar keinen Eurocent und in der Regel weniger als 2 Prozent an den Gesamtkosten für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen auf.

Die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer hat sich deutlich zum Nachteil der öffentlichen Haushalte entwickelt. Bei "sozialpolitischen Erwägungen" bleibt am Ende der Haushaltsjahre 2015 und 2016 ein Milliardenminusgeschäft nicht nur für die konfessionsfreien Steuerzahler, sondern für den Staat insgesamt.

Das ungebremste Wachstum der Kirchensubventionen ist keinesfalls allgemeinen Rechtsprinzipien geschuldet. Indem die Kirchensteuer gewissermaßen als "Mitgliedsbeitrag und Spende" des Steuerpflichtigen an die evangelische oder katholische Kirche in unbegrenzter Höhe steuerlich absetzbar ist, sind die Kirchen bessergestellt als beispielsweise

  • Bildung: Denn das Einkommensteuergesetz kennt sehr wohl das Prinzip der Deckelung. Zum Beispiel können nur maximal 30 Prozent des Schulentgelts von der Einkommenssteuer abgesetzt werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG).
  • Parteien: Mitgliedsbeiträge und Spenden an politische Parteien sind nur bis zu einem Höchstbetrag von 1.650 Euro abzugsfähig. Unabhängige Wählervereinigungen sind bei der Absetzbarkeit für Spenden und Mitgliedsbeiträge gleichgestellt. Hier besteht noch eine weitere Diskriminierung. Denn unabhängige Religionsgruppen oder Weltanschauungsgemeinschaften sind vom Gesetzgeber nicht den "anerkannten Kirchen" (also der evangelischen und katholischen Kirche) gleichgestellt.
  • Gemeinnützige Organisationen: Mitgliedsbeiträge und Spenden an gemeinnützige Organisationen können steuerlich nur bis zu einem Anteil von 20 Prozent  an den Gesamteinkünften geltend gemacht werden. Von Kirchenlobbyisten wird vielfach die Position vertreten, dass die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer nicht an diesen Prozentsatz heranreicht; also de facto eine Gleichstellung vorläge. Wenn dem so wäre, dann brauchen die Kirchen zukünftig auf keine Sonderregelung im Einkommenssteuergesetz zu beharren, die sie besser stellt als gemeinnützige Organisationen.

Demnach kann die folgende politische Aussage getroffen werden: Steuerpolitisch ist dem Staat die Bildung von Kindern, die Förderung demokratischer Parteien und die Unterstützung gemeinnütziger Organisationen weniger wichtig als die Begünstigung von Kirchenmitgliedern.

Einer der weiteren Subventionstatbestände ist im Körperschaftssteuergesetz (KStG) § 5 Abs. 1 Nrn. 3, 8 und 9 mit der "Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke sowie beruflicher Interessen" angelegt. Bemerkenswert ist in dieser Aufzählung im Gesetzestext die Sonderstellung der Kirchen. Wenn kirchliche Zwecke vollumfänglich gemeinnützig oder mildtätig wären, müssten sie nicht mit einem "oder" gesondert abgesichert zu werden. Bestehen an der kirchlichen Gemeinnützigkeit und Mildtätigkeit begründete Zweifel?

Die Gesetzgeber bei Bund und Ländern bleiben die Antwort schuldig, warum Kirchenmitglieder einseitig gegenüber den Mitgliedern von Parteien, Vereinen und Genossenschaften oder von anderen Weltanschauungsgemeinschaften bevorteilt werden. Unbestritten ist, dass sich derzeit die Landschaft der auf Steuergelder fixierten Religionsgruppen jenseits der beiden christlichen Kirchen weiter auffächert. Da es sich bei der Bundesrepublik nicht um einen christlichen Staat handelt, werden die Vorrechte und finanzielle Vorteile der evangelischen und katholischen Kirche kaum auf Dauer beispielsweise den muslimischen Gruppen vorenthalten werden können. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz der Verfassung ist diese Ausweitung rechtlich unvermeidlich. Sie ist nur vermeidbar, wenn rechtzeitig politisch entschieden wird, die kirchlichen Vorrechte abzuschaffen und Gesetze zu ändern. In diesem Fall wäre vor allem das Einkommenssteuergesetz der heutigen pluralen Gesellschaft anzupassen.

…bis in den Steuerhimmel?

Sofern die Trennung von Staat und Kirche nicht durch die Anpassung des Einkommenssteuergesetzes abgesichert wird, werden sich die Kirchensubventionen in ungekannte Höhen verselbstständigen. In diesem Sinne lautet die Realität der Kirchen in der Bundesrepublik: "Die Kirchen leben von finanziellen Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren können." Ernst-Wolfgang Böckenfördes berühmte Stellungnahme zu den Voraussetzungen des freiheitlich, säkularen Staates aus dem Jahr 1964 ist also in ihrer kolportierten Kernaussauge umzukehren. Dann passt sie auf die heutigen Zustände.

Wie Gerhard Czermak im hpd schrieb, war Böckenfördes Aussage vor knapp 50 Jahren für die Bundesrepublik wegweisend, wurde aber meist bewusst fehlgedeutet, um damit Böckenfördes Autorität als Bundesverfassungsrichter zugunsten einseitiger Vorrechte für die Kirchen wie der kirchlichen Dominanz im Sozialwesen, Gehaltszahlungen an Geistliche und Bischöfe mit allgemeinen öffentlichen Geldern, Zahl und Umfang der Theologischen Fakultäten, Einseitigkeiten im Rundfunkwesen, staatlich finanzierte Militärseelsorge usw. zu instrumentalisieren.

In dieser Tradition der Kirchenlobbyisten steigt auf Grund einseitiger Gesetze und mangelnder öffentlicher Aufsicht die Kirchensubventionierung durch den Steuerzahler bis in den Steuerhimmel – nachzulesen im 25. Subventionsbericht der Bundesregierung.