EGMR lehnt Beschwerden ab

Fliegendes Spaghettimonster: Diskriminierung österreichischer Pastafaris

In zwei Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Klagen österreichischer Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters zurückgewiesen. Diese fühlen sich vom Gericht nicht ernst genommen.

Warum werden Anhängern religiöser Weltanschauungen eigentlich so oft Sonderrechte zugebilligt – Sonderrechte, die man Anhängern nicht-religiöser oder politischer Weltanschauungen niemals in diesem Maße zubilligen würde? Und wer bestimmt, was eine Religion ist und was nicht? Ist eine Glaubensüberzeugung, egal wie skurril sie sein mag, nicht eine zutiefst persönliche Angelegenheit, über die Staat und Gerichte nicht zu urteilen haben? Dass das Fliegende Spaghettimonster Seine Nudeligen Anhängsel in die offene Wunde dieser Fragen legt, dafür sollte man ihm eigentlich dankbar sein. Leider ist das viel zu oft nicht der Fall, wie die gestern veröffentlichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zeigen.

Sowohl die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Österreich (KdFSMÖ) als auch der Pastafari Niko Alm hatten beim EGMR Beschwerde eingelegt, weil sie sich von den Behörden und Gerichten der Republik Österreich in ihrer Religionsfreiheit verletzt sahen.

Kampf um die Anerkennung als Bekenntnisgemeinschaft

Seit 2014 kämpft die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters (KdFSM) in Österreich um ihr Recht, staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft zu werden. Der österreichische Staat unterscheidet prinzipiell zwischen "gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften" und "staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften". Gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften besitzen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und müssen unter anderem über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren im Inland als Bekenntnisgemeinschaft existieren sowie eine Mitgliederzahl von mindestens 0,2 Prozent der österreichischen Bevölkerung nachweisen können. Eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft ist keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, besitzt jedoch Rechtspersönlichkeit. Voraussetzung für die Anerkennung ist unter anderem, dass der Bekenntnisgemeinschaft mindestens 300 Personen mit Wohnsitz in Österreich angehören. Der Status einer eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft kann bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auf Antrag beim österreichischen Kultusamt erlangt werden. Einen solchen Antrag stellte die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Österreich 2014. Er wurde vom Kultusamt abgewiesen. Es folgte ein langwieriges Verfahren. Doch obwohl die KdFSMÖ die zentralen formalen Kriterien der Republik Österreich für die Anerkennung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft nachweislich erfüllte – das Vorhandensein einer religiösen Lehre sowie von mindestens 300 eingetragenen Mitgliedern –, blieb sie mit ihren Klagen vor österreichischen Gerichten erfolglos. Im November 2019 reichte sie deshalb Beschwerde ein beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

Die Pastakrone als religiöse Kopfbedeckung

Während traditionelle Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters Piratenkleidung tragen, um ihrem Glauben Ausdruck zu verleihen, gibt es seit geraumer Zeit auch Pastafaris, die ein Nudelsieb auf dem Kopf tragen, um dies zu tun. Diese Tradition geht zurück auf den Österreicher Niko Alm, dem es 2011 gelungen war, einen offiziellen Führerschein zu erhalten, dessen Foto ihn mit einem Nudelsieb auf dem Kopf zeigte. Kopfbedeckungen sind in Österreich auf den Fotos offizieller Dokumente nur entweder aus medizinischen oder aus religiösen Gründen erlaubt.

Als man bei den Behörden im katholischen Österreich erkannte, dass man mit dieser Genehmigung letztlich den Pastafarianismus als Religion anerkannt hatte, änderte man die Strategie und billigte fürderhin nur noch "gesetzlich anerkannten Religionen" das spezielle fotografische Kopfbedeckungsrecht zu. Einige weitere Führerscheine in Österreich mit Nudelsieb oder anderen Kopfbedeckungen wurden deshalb auch nicht mehr genehmigt.

Um die nach wie vor bestehende Diskriminierung erneut zu thematisieren, beantragte Niko Alm 2018 sowohl einen Reisepass als auch einen Personalausweis mit religiöser Kopfbedeckung – diesmal mit einer Pastakrone. "Da der Pastafarianismus eine modische und dynamische Religion ist, brachte ich mir bei, eine Pastakrone aus Nudelteig zu flechten. Das Ergebnis war von schmerzhafter Schönheit. Die Zacken der Pastakrone bohrten sich wie Stacheldraht in meine Haut und sollten fürderhin das Leiden der langen Behördenwege symbolisieren", so Alm. Der lange Leidensweg führte nicht nur durch Behörden, sondern auch vor Gerichte und war nicht von Erfolg gekrönt. Im April 2021 reichte Alm deshalb Beschwerde beim EGMR ein, da er durch die Republik Österreich sein Recht auf Religionsfreiheit verletzt sah.

EGMR lehnt Beschwerden ab

In seinen gestern veröffentlichten Entscheidungen lehnte der EGMR beide Beschwerden ab. Das Gericht beruft sich in seiner Ablehnung der beiden Beschwerden vor allem auf das Urteil "De Wilde v. the Netherlands", das von niederländischen Pastafaris betrieben worden war und mit dem sich der EGMR im vergangenen Jahr beschäftigt hatte. Beide Beschwerdeführer bemängeln, dass es sich das Gericht damit zu leicht gemacht habe. In den vorliegenden Fällen hätte die spezifische Ausprägung des Pastafarianismus in Österreich berücksichtigt werden müssen, was nicht in ausreichendem Maße geschehen sei. Überdies, so die Beschwerdeführer, habe sich das EGMR rein auf die Argumentationen der österreichischen Gerichte und des Kultusamts bezogen, und keine Argumente der Beschwerdeführer gewürdigt. 

Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Österreich äußert sich in einer Pressemitteilung enttäuscht über die Entscheidung des Gerichts. "Es stimmt mich traurig, dass auch der EGMR den Pastafarianismus nicht ernst nimmt und unseren Glauben in Frage stellt", so der Oberste Maccherone der KdFSMÖ Philip Sager. Auch die Fast Oberste Maccherona, Nadja Entner, ist erschüttert: "Meiner Meinung nach ist das Urteil des EGMR ungerecht, fast schon diskriminierend. Unsere Religionsgemeinschaft und die Anliegen unserer Kirchenmitglieder werden nicht ernst genommen. Junge, innovative Weltreligionen, wie der Pastafarianismus, haben gar keine Chance auf Anerkennung, obwohl alle staatlich definierten Kriterien erfüllt sind. Trotz allem werden wir auch weiterhin für die Religionsfreiheit und für die Gleichbehandlung und Gleichberechtigung der Religionsgemeinschaften kämpfen."

Für den zweiten Beschwerdeführer Niko Alm kommt die neuerliche Zurückweisung der Pastafaris vor Gericht nicht überraschend: "In sämtlichen Verfahrensschritten, sowohl bei der Anerkennung der KDFSM als religiöse Bekenntnisgemeinschaft so wie jetzt auch bei Personalausweis und Reisepass mit Pastakrone haben sich die Behören und Gerichte als verständnislos und unkooperativ herausgestellt. Diese Ablehnung kann ich weder aus einem menschlichen noch einem demokratischen Blickwinkel heraus nachvollziehen, dulden oder akzeptieren. Ganz offensichtlich ist das Tragen von Kopfbedeckungen aus religiösen, also im weitesten Sinn ideologischen oder Gewissensgründen erlaubt. Wenn Pastafaris oder Nicht-Pastafaris aus welchen Gründen auch immer diese Freiheit auch nützen, dann wird niemandem Schaden zugefügt, keinem Menschen und keinem Staat. Die Ausübung dieser Freiheit verursacht auch keine Kosten. Warum vom Kultusamt über Magistrate, Verwaltungs- und Höchstgerichte bis nunmehr zum EGMR soviel Energie in nicht-nachvollziehbare, absurde und unlogische Argumente bis hin zur blanken Lüge versenkt wird, erschließt sich mir nicht." Alm betrachtet die anti-pastafarianischen Entscheidungen der Behörden und Gerichte als "Ausdruck der undemokratischen Verankerung von organisierter Religion in unseren Gesetzen, die ihre Privilegien bis hin zu ihren Glaubenshüten mit Hilfe der weltlichen Gerichtsbarkeit absichern will".

Entmutigen lassen sich die leidgeprüften Pastafaris jedoch nicht. Der Führungskreis der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Österreich hat bereits erklärt, dass man nun hinsichtlich der Anerkennung der KdFSMÖ als Bekenntnisgemeinschaft erneut den Rechtsweg in Österreich beschreiten werde. "In den vergangenen 8 Jahren, in denen wir um unser Grundrecht gekämpft haben, konnten wir viel lernen und nachbessern. Ich bin hoffnungsvoll, mit dem Kultusamt bald zu einem positiven Ergebnis zu kommen", so das Oberhaupt der KdFSMÖ Philip Sager.

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