Die Deutsche Islamkonferenz zwischen nötiger Integration und parteilicher Religionsförderung

Am Mittwoch tagte nach drei Jahren wieder die Deutsche Islamkonferenz. Es ging und geht bei der DIK um die Integration der Muslime mit einem mehr oder weniger aktuellen Migrationshintergrund, von den gerade angekommenen Geflüchteten bis zur vierten Generation der Arbeitsmigranten. Auf der anderen Seite nutzt der Staat die DIK aber auch, um Religion zu propagieren und dem durch die absterbenden christlichen Kirchen gegebenen Bedeutungsverlust der Religionen entgegenzuwirken.

Die zwei großen Themen, an denen letztlich fast alle Probleme hingen, die angesprochen wurden, waren von staatlicher Seite aus die Integration der muslimischen Gemeinden und Verbände in die bestehenden Staats-Kirchen-Strukturen und von der Seite der muslimischen Gemeinden und Verbände aus das Geld. Beides war auf der DIK nicht neu.

Ein Problemkomplex, an dem man dies gut sehen konnte, war die schon seit langem und hier erneut geführte Debatte um deutsche oder zumindest deutschsprachige Imame in den Moscheegemeinden. Zwar bessert sich die Situation, aber noch immer wird ein Großteil der Imame in den ursprünglichen Herkunftsländern der Muslime ausgebildet, dann nach Deutschland in die Moscheegemeinden geschickt und auch von dem Herkunftsland für die Tätigkeit hier bezahlt; immer noch recht häufig sprechen sie dann auch kein Deutsch. Dies verhindert die Bildung eines "deutschen Islam", also muslimischer Strukturen, die nicht durch die ursprüngliche Herkunft der Muslime geprägt sind. Die bestehenden Dachverbände und die Moscheegemeinden vor Ort sind bis heute durch die Herkunftsländer bestimmt. Es ist bislang unvorstellbar, dass zum Beispiel ein Muslim palästinensischer Herkunft im Vorstand des türkisch geprägten Dachverbandes DITIB sitzen könnte oder in einer von Muslimen türkischer Herkunft gegründeten Moscheegemeinde als Imam arbeiten könnte. Genau dies müsste sich aber ändern, worauf Mouhanad Khorchide hinwies, damit es einen "deutschen Islam" gäbe.

Ein entscheidender Punkt, warum ein solcher Prozess nicht vorankommt, ist das Geld. Die Moscheegemeinden in Deutschland haben weder Geld, Imame auszubilden, noch Geld Imame anzustellen. In Deutschland ausgebildete muslimische Theologen wollen nicht als Imame arbeiten, weil die Bezahlung sehr schlecht ist; sie dürfte sich höchstens auf dem Niveau des Mindestlohns bewegen. Hinzu kommt, dass die Imame dem ehrenamtlichen Moscheevorstand untergeordnet sind und das machen müssen, was dieser ihnen sagt. Wollen zum Beispiel aus dem Ausland abgeordnete Imame Deutsch lernen, so kommt es vor, dass der Moscheevorstand ihnen dann für die Zeit der Deutschkurse das Gehalt kürzt. Mouhanad Khorchide berichtete, dass von 800 Studierenden am Zentrum für Islamische Theologie in Münster – das eigentlich für die Ausbildung deutscher Imame geschaffen worden ist – lediglich zwei überlegen, Imam zu werden.

Nun könnte man sagen: wo ist das Problem? Dann gibt es halt unterschiedliche muslimische Strömungen, die durch die ehemaligen Herkunftsländer geprägt sind. Schließlich gibt es auch unterschiedliche christliche Kirchen. Aber die Bindung der Ausprägung des Islam an die Herkunftsländer der Muslime beeinflusst die inhaltlichen Positionen. Ein Beispiel: In Münster werden jetzt Imame in der Sozialarbeit weitergebildet. Dabei hat sich herausgestellt, dass es kein Empfinden für das Problem des Antisemitismus gibt und die Imame es für normal halten, in der Predigt negativ über die Juden und Israel zu reden. Auf Wunsch der Teilnehmer ist daher jetzt ein Modul "Antisemitismus" in diese Ausbildung aufgenommen worden. Wenn man in der Türkei als Imam ausgebildet worden ist, erfährt man nichts über Antisemitismus.

Das Problem ist das Geld

Man konnte auf der DIK sehen, dass es durchgängig die Bereitschaft gibt, die Abhängigkeit von den ursprünglichen Herkunftsländern zu verringern, aber das Problem ist das Geld.

Wie können die finanziellen Verhältnisse der Moscheegemeinden geändert werden? Derzeit können muslimische Gemeinden wie alle anderen zivilgesellschaftlichen Akteure auch Förderung für Projekte erhalten. Dies reicht aber nicht aus, um hauptamtliche Stellen in den Moscheevereinen zu finanzieren. Das beschränkt ihre Handlungsmöglichkeiten.

Der von den Gemeinden gewünschten strukturellen institutionellen Förderung erteilte der anwesende Leiter der Abteilung "Heimat" im Bundesinnenministerium, Jörn Thießen, ein evangelischer Theologe und laienaktiver evangelischer Christ, eine Absage. Er meinte, er verhandle gerade mit den Kirchen über die Ablösung der Staatsleistungen, und wenn man die Staatsleistungen auf der einen Seite abschaffe, könne man sie auf der anderen Seite nicht neuen Akteuren geben.

Dies ist so nicht richtig, denn ablösen ist nicht abschaffen, sondern abkaufen. Die Rede ist derzeit von – mindestens – dem 18,6-Fachen des Jahresbetrages als Ablösesumme – nur die Linkspartei hat 10 Prozent gefordert –, die Kirchen wollen den 25-fachen Betrag der derzeitigen Leistungen von circa 500 Millionen Euro im Jahr. Damit bekämen sie von Staats wegen einen Kapitalstock, aus dem sie sich finanzieren können. So einen Kapitalstock könnte man dann ja auch den Muslimen und auch den Humanisten geben, wenn man sie denn gleichstellen wollte. Oder aber – was die saubere Lösung wäre – man schafft die Staatsleistungen an die Kirchen wirklich ab, das heißt, man stellt sie entschädigungslos ein, weil die Staatsleistungen an die Kirchen durch die von der Verfassung nicht vorgesehene über hundertjährige Zahlung längst abgelöst sind. Eigentlich müssten die Kirchen Geld an den Staat zurückzahlen.

Hier zeigten sich auf der DIK wieder die allgemeinen Probleme des deutschen Staats-Kirchen-Verhältnisses, die mit den Muslimen nichts zu tun haben. Die Kirche verhandelt, wenn sie mit dem Staat verhandelt, im Grunde mit sich selbst. Und wenn eine nicht-christliche Religion oder eine profane Weltanschauung mit dem Staat verhandelt, verhandelt sie meistens mit den Kirchen. Mehr Christ sein als Herr Thießen kann man nicht. So jemand ist für Verhandlungen in Religions- und Weltanschauungsangelegenheiten auf Grund seiner Befangenheit ungeeignet.

Die Frage der Finanzierung dessen, was es für einen deutschen Islam bräuchte, blieb daher offen.

Je mehr Religionen beteiligt sind, desto stabiler das Kooperationssystem

Allerdings hielt es Herr Thießen für sehr wünschenswert, die Muslime in alle die konkreten Kooperationen mit dem Staat einzubeziehen, die es mit den Kirchen gibt, wie die Militärseelsorge, die Justizseelsorge, die Seelsorge bei der kasernierten Polizei und so weiter. Dies hatte auch bereits die Innenministerin, Nancy Faeser, in ihrer Eröffnungsrede erwähnt. Dahinter dürfte auch der Gedanke stehen: Je mehr Religionen an diesem Staat-Religion-Kooperationssystem beteiligt sind, desto stabiler ist es.

Herr Tießen erklärte dann, dass solche Seelsorgeleistungen nicht primär als religiöse Leistungen für die Mitglieder der Religionsgemeinschaften erbracht würden, sondern dass es um den allgemeinen gesellschaftlichen Nutzen dieser Leistungen gehe. Sie würden verhindern, dass die Gesellschaft auseinanderfalle, weil einzelne Menschen ohne Seelsorge einsam seien und ins Bodenlose fallen würden.

Nun gibt es sicher einen hohen Bedarf an einer Unterstützung von Personen in Krisenlagen. Und es ist gut, wenn der Staat dieses Problem sieht und solche Hilfsangebote unterstützt. Dann aber müsste er sich auch mit dem Problem beschäftigen, dass in Deutschland in naher Zukunft die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr religiös gebunden ist und daher mit der religiösen Praxis der Seelsorge auch gar nichts mehr anfangen kann. Dazu hörte man aber nichts, sodass der Eindruck entstand, dass es bei der Förderung von Seelsorge eher um die Förderung der Religionen als um die Förderung eines Hilfsangebotes für alle Menschen in Problem- und Krisenlagen ging.

Die Deutsche Islamkonferenz ist, wie man daran wieder sah, nicht nur eine Integrationsveranstaltung. Mehr oder weniger direkt geht es auch immer um eine allgemeine Förderung und Stärkung der Religionen.

Aus humanistischer, säkularer Perspektive ergibt sich daher ein zwiespältiges Bild der DIK. Der Islam gehört zu Deutschland, die Muslime haben hier ihre Heimat und es ist wichtig, dass sie wie alle anderen sozialen Gruppen von der Gesellschaft integriert werden. Dafür ist die Deutsche Islamkonferenz eine sinnvolle Veranstaltung.

Auf der anderen Seite nutzt der Staat die DIK aber auch, um Religion zu propagieren und dem durch die absterbenden christlichen Kirchen gegebenen Bedeutungsverlust der Religionen entgegenzuwirken. Dazu dient ihm dann auch der Islam, nach dem Motto: Besser irgendeine Religion als keine Religion.

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