Religiöses Weltbild des Bundespräsidenten
Alle, die vielleicht erwartet haben, dass Bundespräsident Christian Wulff sich auf die Aufgaben seines Amtes besinnt, alle Deutschen, also auch das Drittel der Konfessionsfreien zu repräsentieren, sollten sich an dem Brunnenbeispiel orientieren. Das religiöse Wasser wird in keinen säkularen „Garten Epikurs“ fließen können, denn das würde wohl nur die „Reinheit des Glaubens“ verschmutzen, und wie sollen denn ‚säkulare Pflanzen’ durch die „unerschöpfliche, göttliche Liebe zu den Menschen“ wachsen und gedeihen?
Insofern hätte der Bundespräsident auch noch die Hindus und die Buddhisten nennen können, aber das sind vermutlich zu wenige Wählerstimmen für die CDU/CSU.
Diese Grundhaltung der Koexistenz der verschiedenen Religionen in Deutschland – Mission und Glaubenskämpfe finden irgendwo außerhalb Deutschlands statt – zeigt sich ebenfalls in der Hamburger Variante des Religionsunterrichts.
Religionsunterricht der Weltreligionen
In Hamburg befindet sich, wie auch in anderen deutschen Großstädten, die Anzahl der christlichen Kirchenmitglieder in einem stetigen Gleitflug nach ‚unten’. Die Katholiken bleiben zwar (durch Zuwanderung) recht stabil bei zehn Prozent Bevölkerungsanteil, die Evangelischen haben indessen nur noch einen 30 Prozent Anteil. Insofern machten die evangelischen Religionslehrer schon vor Jahren die Erfahrung, dass einerseits immer weniger Evangelische in ihrem Religionsunterricht saßen aber andererseits immer mehr Konfessionslose und Muslime. Nun machte man aus der Not eine Tugend und bevor die Evangelische Theologie in der Versenkung der Bedeutungslosigkeit verschwand, öffnete man den anderen Religionen die Tür zum evangelischen Religionsunterricht, der nun als „dialogischer Unterricht“ verschiedener Religionen angeboten wird. Ein möglicherweise Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten Unterricht, der Bekenntnisgebunden zu sein hat. So schreibt das Bundesinnenmisterium zum Religionsunterricht (RU): „Der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach ist Bekenntnisunterricht, d. h. er soll die Werte und Glaubenslehren der jeweiligen Religionsgemeinschaft vermitteln. Ein religionskundlicher Unterricht, der lediglich neutral über eine oder mehrere Religionen informieren soll, ist kein Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetzes.“
Christliches Primat
Dass diese Öffnung und Toleranz nur ein Trick ist, um die Existenz des evangelischen Religionsunterricht in Hamburg zu retten, zeigt eine Stellungnahme in der Fachzeitschift theo-web in der das Primat des Christentums betont wird: „Unbeschadet seiner inhaltlichen und intentionalen Offenheit für die Vielfalt der Religionen und Weltanschauungen sowie für die Vielzahl der religiösen Orientierungen der Schülerinnen und Schüler kommt im Hamburger RU der Begegnung und Auseinandersetzung mit der christlichen Tradition besondere Bedeutung zu. Aufgrund der besonderen Stellung der christlichen Tradition und Kirchen im gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Leben Europas ist ein aufgeklärtes Selbst- und Weltverständnis junger Menschen sowie die mündige Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ohne eine lernende Begegnung und Auseinandersetzung mit der christlichen Tradition nicht denkbar.“
Das wird konsequent durchgehalten. Die Katholiken arbeiten zwar an einem eigenen Religionsunterricht, aber die Anfrage säkularer Verbände in Hamburg, ebenfalls etwas zu diesem Unterricht besteuern zu können und zu wollen, wurde freundlich aber entschieden abgelehnt. Die Religiösen wollen kuschelig unter sich bleiben.
Insofern ist es die Übereinstimmung des christlichen Primats, die sich in diesem ‚multireligiösen’ Religionsunterricht zeigt wie auch in der Ansiedlung der religiösen Gartenareale für die Internationale Gartenschau 2013 im Umfeld einer dominierenden christlichen Kirche. Ebenso sagte Christian Wulff genau: „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Mehr nicht.
Ob Christian Wulff seinen eklatanten Nachholbedarf als Bundespräsident noch lernen wird, nämlich der Bundespräsident aller Deutschen zu sein, d. h. die Nicht-Religiösen nicht beständig zu übersehen, und seine politische Amtsführung vielleicht auch einmal ohne Gottes Hilfe probiert, das wird sich zeigen. Sehr wahrscheinlich ist es jedoch nicht.
Ein Beginn dieses Lernprozesss für den Bundespräsidenten könnte sein, die Reden nicht mit „Gott schütze Deutschland“ zu beenden. Ein Blick ins Grundgesetz würde ihm verdeutlichen können, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 GG) und keines Schutzes eines „himmlischen Vaters“ bedarf.
Carsten Frerk.