BERLIN. (hpd) Vor einigen Tagen kommentierte Frieder Otto Wolf als Vorsitzender des KORSO den Streit um den Zölibat in der katholischen Kirche. Aber sollte es säkulare Humanisten überhaupt kümmern, wenn sich Kirchenleute um fragwürdige Gebräuche streiten? Allerdings.
Ein heftiger Streit herrscht derzeit unter den Anhängern der Bibel wegen des Priestermangels in der katholischen Kirche. Vor einer knappen Woche forderten einige Unionspolitiker, darunter der CDU-Politiker Norbert Lammert, die Anwendung der „viri probati“.
So könnten verheiratete und in ihrer Lebensweise nach den Regeln des Katechismus vorbildlich bewährte Männer zum Diakon geweiht werden, um anschließend priesterliche Pflichten wahrzunehmen. In der katholischen Kirche in Deutschland besteht, im Gegensatz etwa zur Lage in Italien, ein drastischer Mangel an entsprechendem Nachwuchs.
Eine Ursache könnte unter anderem sein, dass nach dem Regelwerk dieser Glaubensgemeinschaft die Existenz eines Penis zum Kriterienkatalog für die Tauglichkeit bei der Besetzung von Ämtern in diesem Bereich der Seelsorge gehört. Ein anderer Grund könnte sein, dass sich die Kirche zu Recht selbst abschafft.
Den Vorstoß der Politiker beurteilte Frieder Otto Wolf nun als zwar „allerersten, aber immer noch viel zu zögerlichen Schritt“ einer Laieninitiative. Er meinte zugleich, dass mit einer entsprechenden Reaktion seitens des Vatikans nicht zu rechnen sein würde.
Die Tatsache, dass durch die Regeln in dieser Kirche „einer ganzen Berufsgruppe vom Gemeindepfarrer bis zum Kardinal die Möglichkeit einer Eheschließung“ verwehrt werde, sei eine nicht hinnehmbare Diskriminierung, so Wolf weiter.
Er verwies auf die Vorgaben der UN-Menschenrechtserklärung, wie sie auch der Abfassung des Grundrechtekatalogs des deutschen Grundgesetz zum Vorbild dienten und stellte an Lammert & Co. die Frage nach einer Initiative zur Öffnung des Priesteramtes für Frauen und zur vollen Gleichberechtigung von Menschen mit nicht stereotyper Geschlechtsidentität.
Über den Sinn und Unsinn des Zölibats ist schon viel geschrieben worden. Man kann sich auch darüber streiten, ob die Forderung nach einer Reform der Kirchenregeln wirklich Sinn macht.
Denn schließlich steht es hier jedem frei, der Kirche den Abschied zu erklären. Wer um jeden Preis an christlicher Theologie festhalten möchte, kann auch durch einen Wechsel zu den Protestanten einer Lösung der jetzt umstrittenen Probleme näherkommen.
Und wenigsten diesen wichtigen Hinweis kann jeder säkulare Humanist seinem Mitmenschen im Sinne der Aufklärung bei jeder sich bietenden Gelegenheit geben. Denn man kann sich wohl auch durch ein Schweigen mitschuldig am Fortbestand fragwürdiger Zustände machen.
Ein echtes Problem aus säkularer Perspektive ist allerdings, wenn Persönlichkeiten wie der die Kritik am Zölibat anführende CDU-Politiker Norbert Lammert zu Protagonisten einer solchen Debatte werden.
Norbert Lammert © bundestag.de Wie Medienberichte gezeigt haben, wird dieser innerkirchliche Streit in der Öffentlichkeit auf eine inakzeptable Weise transportiert. Denn nicht der Katholik Norbert Lammert macht sich stark für die Reform einer mittelalterlichen Organisation.
Es ist der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert, der sich für die „viri probati“ einsetzt. Das sollte aus säkularer Perspektive ein inakzeptabler Zustand sein, der mit der Funktion dieses spezifischen Amtes nicht vereinbar ist.
Norbert Lammert, so müsste die Forderung aller Laizisten lauten, sollte sich aus solchen Debatten heraushalten oder in den Rang eines gewöhnlichen Angehörigen aus CDU/CSU zurücktreten, wenn er seine Teilnahme für unerlässlich hält.
Es ist ein weiterer drastischer Bruch säkularer Prinzipien, der sich hier unbeachtet abspielt. Was folgt als Nächstes? Nimmt auch bald der Bundespräsident Christian Wulff dazu Stellung oder wird die deutsche Regierungschefin Angela Merkel die Glaubensgenossen vom anderen Ufer zur Korrektur ihrer Theologie auffordern?
Was in dieser Debatte wirklich fehlt, ist ein Ordnungsruf der säkular denkenden Bundestagsabgeordneten an den Herrn des Hauses.
Arik Platzek