Der Rücktritt eines Bürgermeisters

Die Angst vor den Rechten

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NPD-Kundgebung in Berlin-Pankow
NPD-Kundgebung in Berlin-Pankow

BERLIN. (hpd) Der Ortsbürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, trat von seinem Amt zurück. Grund dafür waren Drohungen der NPD, vor seinem Haus zu demonstrieren. Nierth hatte sich dafür eingesetzt, rund 50 Asylbewerber im Dorf aufzunehmen.

Das kleine Dorf in Sachsen-Anhalt hat knapp 3.000 Einwohner und lebt in Angst vor dem rechten Pöbel. Der parteilose Ortsbürgermeister Markus Nierth hatte sich dafür stark gemacht, dass der Landkreis etwa 50 Asylbewerber in seinem Ort unterbringt.

Im Dezember des vergangenen Jahres schrieb er in einem offenen Brief an die Einwohner des Dorfes. Darin hieß es: "Wir ahnen, das wird Probleme geben." Er appellierte jedoch: "geben Sie 'den Fremden' eine Chance, schon um unsretwillen".

Nun ist der ehrenamtliche Bürgermeister als Reaktion auf Proteste, die von "empörten Bürgern" gegen die geplante Unterbringung von Flüchtlingen in Tröglitz organisiert worden waren, zurückgetreten. "Ein Kreisrat der NPD, Steffen Thiel, hatte die Organisation dieser seit Januar regelmäßig sonntags stattfindenden 'Spaziergänge' an sich gezogen." Daran nahmen regelmäßig bis zu 150 Menschen teil.

In einem Land, in dem der NSU vermutlich jahrelang Unterschlupf fand, ohne sonderlich von den Behörden behelligt zu werden und die NPD bei der letzten Landtagswahl knapp an der 5%-Hürde scheiterte, ist die Angst des Bürgermeisters verständlich. Zumal der nächste (genehmigte) "Spaziergang" bis vor das Privathaus des Mannes führen sollte.

Zu seinem Entschluss schreibt Nierth bei Facebook: "immerhin geht es hier um meine Kinder und meine Frau, die durchaus Angst davor haben dürfen, daß in Bussen aus Ronneburg herangekarrte Neonazis und NPD-Anhänger mit ihren lieblich-friedlichen Gesichtern durch unsere Fenster gucken und als Retter des christlichen Abendlandes uns liebevoll segnende Parolen zukommen lassen. Hätte ich meinen Kindern, die in der letzten Zeit schon einiges ertragen mußten, zumuten sollen, daß vor ihren Kinderzimmern bewaffnete Polizisten stehen müssen, und zudem rassistische und hasserfüllte Parolen bis dorthin dringen?"

Er kritisiert das Landratsamt, dass eine Kundgebung vor seinem Haus genehmigt habe, denn die Anfeindungen, die er wegen seines Eintretens für die Flüchtlinge ertragen musste, hätte er noch lange ausgehalten. Doch nicht, dass seine Familie davon bedroht wird. Er schreibt weiter zu seinem Rücktritt: "Daher legte ich am Donnerstag, dem 5.März, in der Ortschaftsratssitzung mein Amt als Ortsbürgermeister nieder, mit der Begründung, daß ich nicht vor Druck der Rechten weiche, sondern weil ich enttäuscht bin, daß die Behörden und das Landratsamt mir nicht einmal einen Mindestschutz meiner Familie gewähren."

Der Schritt des Ortsbürgermeisters elektrisiert nun auch die Bundespolitik. Bundesjustizminister Heiko Maas nannte es laut Tagesschau "eine Tragödie für unsere Demokratie, wenn ein gewählter Bürgermeister wegen Anfeindungen von Neonazis zurücktreten muss". Auch der Cem Özdemir von den Grünen sagte: "Wenn sich in unserer rechtsstaatlichen Demokratie ein gewählter Bürgermeister vor einem braunen Mob nicht mehr geschützt sieht, müssen alle Alarmglocken schrillen." Für Linkspartei-Chef Bernd Riexinger ist der Fall das Ergebnis jahrzehntelanger Verfehlungen. Für ihn sei klar, dass die rechte Gefahr nicht entschlossen genug bekämpft worden wurde.

So deutlich die Worte der Politiker; so klar ist jedoch leider auch, dass der aktuelle Fall kein Einzelfall ist. Spiegel-Online hat deshalb einige ähnliche Fälle dokumentiert.