Staatsleistungen: Die Rechnung ist beglichen

Eine Fortsetzung der Zahlungen widerspräche aus Sicht der Bürgerrechtsorganisation Buchstaben und Geist unserer Verfassung, die seit 1919 eine Ablösung der Staatsleistungen als Teil der Trennung von Staat und Kirche vorschreibt. Eine Aussetzung der Staatsleistungen sei auch aus haushalterischer Sicht dringend geboten, so Johann-Albrecht Haupt: „Es kann nicht sein, dass die hoch verschuldeten öffentlichen Hände in verfassungswidriger Weise jährlich 460 Millionen Euro an zwei Kirchen zahlen, die selbst schuldenfrei, vermögend und zudem in der Lage sind, sich durch die von ihnen festzusetzende Kirchensteuer mit einem Aufkommen von rund 9 Milliarden Euro jährlich selbst zu finanzieren.“ Nachdem inzwischen selbst die Evangelische Kirche Deutschlands und die Deutsche Bischofskonferenz erklärt haben, dass sie einer Ablösung der Staatsleistungen nicht im Wege stünden, sei die Zeit für ein Ablösegesetz reif. Die Humanistische Union fordert deshalb den Bundesgesetzgeber auf, den Verfassungsauftrag umgehend zu erfüllen.

Johann-Albrecht Haupt: „Es muss in Deutschland aufhören, das der Staat allgemeine Leistungen an katholische und evangelische Kirchen zahlt, die zwar einen historischen Hintergrund haben, der Zusammenhang dazu aber längst verloren gegangen ist. In Hinblick auf die heutige religions-soziologische Zusammensetzung der Bevölkerung ist es nicht hinnehmbar, dass der Staat Zahlungen an die Kirchen leistet, die diesen nicht zustehen.“

hpd: „Habe ich Sie richtig verstanden, das von der HU heute vorgestellte Thema ist nicht nur an den allgemein interessierten Bürger gerichtet sondern speziell die Politiker sind angesprochen?“

„Ja, Staatsleistungen sind eine politische Frage, die es zu diskutieren gilt und die dann möglichst gelöst werden sollte. Das Problem besteht darin, dass 90 Jahre geschwiegen und der Verfassungsauftrag nicht geregelt wurde. Das muß ein Ende haben nachdem auch die Vorherrschaft der Kirche auch beendet war.“


„Ist dadurch, dass 90 Jahre geschwiegen wurde überhaupt noch eine Chance, das Thema aufzugreifen?“

„Das kann ich nicht ausschließen, dass eventuell die Zeit darüber hinweg gegangen ist. Aber es bleibt die Tatsache, dass die Verfassung nach wie vor etwas anderes von uns verlangt.“

„Angesprochen sind Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Sagen die selber etwas dazu oder ist das Thema für die evangelische wie die katholische Kirche neu?“

„Die Kirchen rechnen wohl damit, dass das Thema erörtert wird. Sie rechnen aber schlimmsten falls damit, dass sie einen größeren Geldbetrag als Ablösungszahlung erhalten und bestenfalls, dass die Zahlungen weiter gehen.“

„Bestenfalls? Es sind ja nun Milliarden gezahlt worden, die es laut Verfassungsauftrag abzulösen galt.“

„Es ist in einer Zeit der knappen Haushalte eine Frage, die uns alle interessieren sollte. Die Kirchen nehmen keine Rücksicht auf den Steuerzahler und auf die Finanzknappheit des Haushalts und der öffentlichen Hände. Wir Bürger sollten das vermehrt tun und ich hoffe, dass eine Diskussion in Gang kommt.“

„Wenn ein Verfassungsbruch im Raum steht, wieso haben die Juristen sich bisher nicht mit diesem Thema beschäftigt?“

„Die Juristen, die in dem Bereich des Staats-Kirchen-Rechts gehören nahezu zu 100 % einer der beiden begünstigten Kirchen an. Es gibt keine Staatskirchenrechtler, so nennen sie sich, die keiner Kirche angehören oder einer Kirche nahe stehen. Das gleiche gilt auch für die Richter am Bundesverfassungsgericht, die sich mit diesen Fragen zu befassen haben.“

Vielen Dank.
Die Fragen stellte Evelin Frerk.

 

Internetportal Staatsleistungen

Anlässlich der Pressekonferenz der Humanistischen Union ist das Internetportal www.staatsleistungen.de frei geschaltet worden, dass dazu dient, alle Zahlen, Daten und Fakten zu den Staatsleistungen in Deutschland seit 1919 zu dokumentieren.

Unter der Rubrik „Daten & Fakten“ finden sich die Tabellen mit den Zahlungen der Bundesländer seit 1949, die Umrechnungen pro Kopf und Kirchenmitglieder, die Anteile der Bundesländer, die Zahlungen der DDR von 1949 bis 1989 und die Zahlungen in Bayern und Preußen von 1919 bis 1948.

Unter der Rubrik „Geschichte & Recht“ ist begonnen worden, aus Dokumenten die für die Staatsleistungen wichtigen Passagen im Zusammenhang zu dokumentieren, um das Auffinden der entsprechenden Dokumente, die zum Teil nur schwer zugänglich in den Staatsarchiven lagern, zu erleichtern.

Unter der Rubrik „Medien & Meinungen“ finden sich dann weitere Informationen, Zusammenfassungen und Darstellungen, sowie ein Pressespiegel und Videos zum Thema der Staatsleistungen.

 

Friedrich Simmern