Prall: Der Dicke König

Sex wird sinnlos, wenn man keinen mehr hat. Oder haben kann. Die seltsame „Brunft“ jedoch lehrt mindestens eins: Wir sind mehr Tier als wir uns eingestehen. Ein medikamentös ausgelöster Duftstoff, den eine vormals unscheinbare Praktikantin verströmt, führt zu absurdesten Revierkämpfen und Schwängerungsdrang sämtlicher Kollegen (S. 276-283). Man kann sich aber auch am Sex anderer, bereits gar an deren Andeutung, stören, wie Vater Özkan und Sohn aus der Türkei. Doch: „So sind die Sitten und Gebräuche: Was dem Einen Pest und Seuche, ist dem And’ren hohes Gut... und wenn er sich nur sonnen tut“. Denn: „Sie sind in Deutschland. Basta“, wie die Beamtin Jutta Birkentau die Beschwerdeträger belehrt („Frühling“, S. 138/139).

In seinen Geschichten erhält Alltägliches unversehens Tiefgang und Untiefen verkommen zu Banalitäten. Vermeintlich bekannte Geschichten wie die oben bereits erwähnte von Abraham und Isaak oder jene von Mose am Berg Sinai („Gesetzgeber“, S. 128-133) erhalten in der Überarbeitung durch Ralf König überraschende Wendungen. Die Absurdität dieser biblischen Märchen aus unserer heutigen Perspektive, in der Menschenrechte gelten, offenbart sich, und zeigen, was kleine, humanistische Änderungen und logisches Durchdenken einer Geschichte für große Konsequenzen zeitigen können!

Wer einmal eine Comic-Lesung von Ralf König erlebt hat, sollte aber eines wissen: Nicht nur im Text, auch in den Bildern stecken Tausend Worte. Um den ganzen Sinn zu erfassen, muss man eigentlich langsam lesen, mehrmals lesen, lesen und gucken. Und lachen und staunen, denn sein Humor ist umwerfend, spitz und intelligent. Die telefonbuchdicke Sammlung des genialen Meisters der Geschichte, des Wortes und des Bildes, lädt zum Stöbern ein, zum Studieren, zum Nachdenken, wenn man wieder einmal in eine seiner Denkfallen gelaufen ist.

Im Vorwort bemerkt Denis Scheck abschließend: “Mit den Comics von Ralf König kann man denken lernen.“ Recht hat er.

Fiona Lorenz