Notizen aus Polen

Die Frau mit Brosche

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KOD-Demonstration in Warschau am 23.01.2016
KOD-Demonstration in Warschau am 23.01.2016

WARSCHAU. (hpd) Am vergangenen Dienstag hat eine Frau mit Brosche den EU-Parlamentariern versichert, dass es der Demokratie in Polen exzellent geht. Die Sprecherin, Liebhaberin von großen bunten Broschen, heißt Beata Szydło und ist die polnische Ministerpräsidentin in der Prawo i Sprawiedliwość (PiS)-Regierung.

In Straßburg waren auch Vertreter des "Komitees zur Verteidigung der Demokratie" (KOD) und deren Gründer, Mateusz Kijowski, anwesend. Sie informierten die Parlamentarier aller Fraktionen über die tatsächliche Lage der polnischen Demokratie. Lech Wałęsa, der ehemalige Chef der antikommunistischen Solidarność-Bewegung in Polen, sagte gegenüber dem Fernsehsender TVN24: "Alle Welt weiß, dass sie die Verfassung verletzt haben, und sie sagen uns frech ins Gesicht, dass das nicht stimme (...) Ich habe noch nie eine so dicke Lüge gehört".

Viele Polen teilen die Meinung von Lech Wałęsa und folgten einem Anruf des "Komitees zur Verteidigung der Demokratie" (KOD. Sie gingen am vergangenen Samstag erneut auf die Straßen. Allein in Warschau waren es – trotz frostigen Wetters – ca. 20.000 Protestierende. In mehr als 30 weiteren polnischen Städten sowie vor den diplomatischen Vertretungen Polens in zahlreichen Länder der Welt waren weitere viele Tausende mit dabei. Das Neue im Vergleich zu früheren Kundgebungen war die Anwesenheit vieler junger Leute. Sie begreifen immer mehr, dass die neuen PiS-Gesetze der Polizei und den Geheimdiensten umfangreiche Befugnisse zur Überwachung der Bürger, auch im Internet, geben. 

Nicht nur sie schließen sich den Forderungen der KOD an. Journalisten, Oppositionelle aus der Solidarność-Bewegung, Schauspieler, Wissenschaftler und viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens machen Fotos mit dem großen runden KOD Abzeichen und erklären ihre Unterstützung für KOD. Das macht die PiS Politiker wütend. Ihre Versuche, die Teilnehmer der Protestkundgebungen zu diskreditieren, sind nicht selten lächerlich. Einer von den PiS Prominenten wollte beweisen, dass die Protestierenden wohlhabende Vertreter der besiegten politischen Klasse sind, weil sie auf die Proteste mit Pelzen bekleidet gehen. Die Reaktion kam sofort: Im Internet wurden Fotos von einer PiS Kundgebung veröffentlicht, die die Jarosław Kaczyński begleitenden PiS Politikerinnen in dicke, teure Pelzen bekleidet zeigen. 

Der Enthusiasmus bei den samstags stattfindenden KOD-Kundgebungen ist, wider Erwarten der Regierenden, ungebrochen groß. Kaum sind die Protestierenden wieder zu Hause, fragen sie auf zahlreichen Facebookseiten der KOD, wann die nächste Straßendemonstration stattfindet. Auf der Warschauer Demo hat man eine Spendenaktion zur Deckung der betragenen Organisationskosten organisiert. In kurzer Zeit wurden so über 76.000 PLN gesammelt und es hätte wesentlich mehr sein können, wenn mehr Spendenbüchsen vorbereitet gewesen wären. Die Leute wollten den Sammlern das Geld in die Taschen drücken und nicht zur Kenntnis nehmen, dass das nicht in Frage kommt.  

Die russischen Medien sind derzeit ziemlich sparsam mit Kommentaren über die politische Situation in Polen. Zweifellos liegt die angespannte Einstellung der polnischen Regierung zur EU und zu Deutschland im Interesse des Kremls. Das Außenministerium hat den Vize-Minister nach Moskau gesendet, um den aktuellen Zustand der polnisch-russischen Beziehungen zu sondieren.

Die PiS hat die Platforma Obywatelska (PO)-Regierung immer beschuldigt, dass sie die Rückgabe des Wracks des Präsidentenflugzeugs aus Smoleńsk nicht mit Moskau geklärt habe. Man war überzeugt, dass die Russen jetzt ihre Stellung ändern; der Gesandte des Auswärtigen Amts hat diesbezüglich jedoch eine klare Absage erhalten. Präsident Putin hat nicht vor, die neue polnische Regierung zu umarmen. PiS-Politiker steuern dagegen Polen in ein Niemandsland zwischen der EU und Russland.