HANNOVER. (hpd/gbs-h) „… weil man uns das Tanzen klaut!“ Mit diesem spontan erdachten Motto haben sich am Karfreitag in Hannover um 18.00 ca. 150 Menschen unter dem Schillerdenkmal versammelt und eine fast zweistündige Demonstration abgehalten.
Und tatsächlich wurde alles von den begleitenden Ordnungshütern penibel überwacht, ob nicht doch Personen mit Kopfhöhern eindeutige Tanzbewegungen durchführten. Sofort wurde eingeschritten, auf das bestehende niedersächsische Feiertagsgesetz verwiesen und mit der sofortigen Auflösung der Demonstration gedroht!
Bei der Kundgebung unter jenem Dichter, der ja zu seiner Zeit freiheitsbegeisterte Jugendliche zu „Räuberbanden“ inspiriert hatte, Friedrich Schiller, waren Vertreter der Piraten, der grünen Jugend, der Jusos, der Jungen Liberalen, der SPD-Laizisten, dem IBKA und der Giordano-Bruno-Stiftung.
Gemeinsamer Tenor war: „Freiheit von religiöser Bevormundung“, „Trennung von Staat und Religion“, „Unzeitgemäßer Eingriff in die Freiheitsrechte eines jeden einzelnen“, „Gesetzesänderung durch die Landesregierung“, „Wir denken nicht, dass eine Regelung in dieser restriktiven Form noch zeitgemäß ist.”, „Eine Gesetzesänderung sollte nicht nur im engen Dialog mit den Kirchen stattfinden - sondern mit den Bürgern“, „Ein säkularer Staat erfordert die strikte Trennung von religiösen und staatlichen Belangen“.
Acht Gegendemonstranten der Partei „ Die Hannoveraner“ wollten die christlichen Werte verteidigen und waren besorgt, dass am Todestag ihres Herrn Jesus Christus jemand es wagen würde rhythmische Bewegungen durchzuführen. Auch unser Hinweis, dass dies normalerweise ja in geschlossenen Räumen vor sich geht und für sie ja gar nicht störend „ansichtig wäre“, war für sie kein ausreichendes Argument, denn die Tanzwütigen könnten ja bitteschön an 360 Tagen und am Karfreitag in ihren Wohnungen ihrem körperlichem musikalischem Bewegungsdrang nachgehen. Als sie feststellten, dass die Polizei streng darüber wachte, zogen sie ab, leider ohne zu erklären, warum denn diese Werte gefährdet oder religiöse Gefühle verletzt werden, wenn Menschen in geschlossenen Räumen tanzen.
Der Demonstrationszug führte durch die Innenstadt zur Oper. Dort wartete eine besondere Überraschung auf die Demonstranten: Das Opernhaus hatte offensichtlich keine Schwierigkeiten mit dem Feiertagsgesetz oder es war als leise Provokation gedacht? Jedenfalls fanden hier ungestört die Oster-Tanz-Tage statt, auch am Karfreitag. Außerdem spielten vier Musiker vor der Oper klassische Musik. Offensichtlich auch kein Problem für einen „stillen Feiertag“. Als zu diesen Klängen einige Demonstranten begannen sich zu bewegen, waren die Ordnungshüter zur Stelle. Auch im angrenzenden Park wurden die Jugendlichen ausgebremst.
Die Abschlusskundgebung fand an der Marktkirche statt, der ehemaligen Hauptwirkungsstätte von Frau Käßmann, allerdings mit genügend zeitlichem Abstand, um den Gläubigen die Ansicht dieses respektlosen Haufens nicht zuzumuten, die nach dem Gottesdienst das Gebäude verließen.
Zeitgleich fand ohne Einschränkungen am Rande von Hannover der „Car-Freitag“ statt. Dort trafen sich 5.000 Menschen mit 1.700 Autos, die sorgfältig poliert, getunt und aufgemotzt waren, und das ging sicher auch nicht „still“ vor sich. Man könnte diesen Event natürlich auch unter religiösen kultartigen Handlungen verbuchen.
Das Ganze ist an Skurrilität kaum zu überbieten, es ist kaum zu verstehen, warum nun ausgerechnet körperbetonte Bewegungen in geschlossenen Räumlichkeiten religiöse Gefühle verletzen oder Werte mindern sollten? Oder Schach spielen? Religionsfreiheit bedeutet: Respekt vor individuell gelebter Religiosität der einzelnen Menschen aber eben auch die Freiheit von religiöser Bevormundung.
Sigrun Stoellger