Atheistentagung auf den Philippinen

Im Gegensatz zu Dan Barker und Jeremiah Camara kam der nächste Redner, Mark Tier, schon auf der High School (betrieben von der Church of England) zum Atheismus. Im Jahr drauf gewann er den Theologiepreis der Schule. Tier studierte dann Wirtschaft, war Herausgeber eines Geldanlage-Newsletters und veröffentlichte mehrere Sachbücher und Romane. Er präsentierte aus „Marketing“-Sicht, wie man Gläubigen den Atheismus möglichst effektiv präsentieren kann. Seine Leitfrage war: Wie können wir als Atheisten mit der Angst vor der Hölle konkurrieren?

Von den effektivsten drei Marketing-Ansatzpunkten – Angst, Gier und Sex – habe die Kirche nämlich schon zwei besetzt: Angst (vor der Hölle) und Gier (Hoffnung). Die klassischen Aufhänger stünden Atheisten also nicht zur Verfügung.

Aus dem Persönlichkeitstyp des Gegenübers könnten sich allerdings Ansätze ergeben, die besonders erfolgversprechend seien. Manche Leute könne man z. B. bitten, ihren Glauben zu erklären, und einfach nur Verständnisfragen stellen. Eher traditionell oder autoritätsorientierte Menschen könne man auf die philippinische Werte und Eigenschaften verweisen oder auf die Verfassung und die Gründerväter des Staates. (Die Verfassung der Philippinen orientiert sich stark an der der USA und sieht eine recht klare Trennung von Staat und Kirche vor.) Bei wieder anderen Leuten bestünde der beste Ansatz darin, einfach „vorzuführen“, dass Atheisten mehr Spaß am Leben haben. Manchen Menschen gegenüber reiche es sogar schon aus, einfach ganz „man selbst“ zu sein.

Tiers Empfehlung: „Komme einem Gläubigen nicht mit Argumenten!“ Stattdessen reiche es aus, Zweifel zu säen. Für den Glauben seien Zweifel „wie AIDS“.

Den Abschluss der Vorträge machte Red Tani von den Freidenkern (Filipino Freethinkers). Der Unterschied zwischen den Freidenkern und den Atheisten (PATAS) besteht darin, dass die Freidenker den Focus auf das „freie Denken“ legen und damit im Prinzip sogar für Gläubige offen sind, während die Atheisten sich gewissermaßen auf ein bestimmtes „Ergebnis“ des freien Denkens konzentrieren: nämlich den Atheismus.

 

Politisch setzen sich die Freidenker für eine echte Trennung von Staat und Kirche (Säkularismus) ein. Überhaupt erhielten die Philippinos erst während der Kolonisation durch die Amerikaner (ab 1902) Religionsfreiheit, zuvor war die katholische Kirche zugleich Staatskirche, und das Land wurde de facto von spanischen Missionaren, also katholischen Mönchen und Priestern, verwaltet. Dafür gibt es sogar einen eigenen Begriff: „Frailocracy“ bzw. „Friarocracy“ – also die Herrschaft durch Mönche.

Die philippinische Verfassung von 1987 sieht zwar (wie die US-amerikanische) eine strikte Trennung von Staat und Kirche vor. Diese wurde aber – anders als in den USA – vom Obersten Gerichtshof so ausgelegt, dass es sich um eine „wohlwollende, entgegenkommende Neutralität“ handele. Als Deutscher fühlt man sich unweigerlich an die „hinkende Trennung“ von Staat und Kirche erinnert, die in Deutschland etabliert wurde.

Die Filipino Freethinkers gibt es schon etwas länger als PATAS, so dass Tani von etlichen Aktionen berichten konnte, die er mit Bildern illustrierte. Den Freidenkern geht es darum, den Einfluss der Katholischen Kirche zurückzudrängen. Dabei konzentriert man sich zurzeit auf den Gesetzentwurf zur „reproduktiven Gesundheit“ („RH Bill“, dazu gibt es einen ausführlichen Wikipedia-Artikel auf Englisch). Der Gesetzentwurf sieht unter anderem verpflichtende Sexualaufklärung und die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Empfängnisverhütungsmitteln auch für Arme vor, um den Kreislauf des rasanten Bevölkerungswachstums zu stoppen.

Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung – und damit auch der Katholiken – für das Gesetz ist, leistet die Katholische Kirche erbitterten Widerstand, bei dem offenbar auch vor Lügen nicht zurückgeschreckt wird. Jedenfalls nutzt die Katholische Bischofskonferenz der Philippinen ihren Einfluss und auch die Uninformiertheit der Bevölkerung schamlos aus, um gegen den Gesetzentwurf zu mobilisieren.

Politisches Banner an der Kathedrale von Manila

Dagegen protestieren die Freidenker mit friedlichen Aktionen, oftmals „Spaß-Aktionen“, ähnlich denen, wie sie in Deutschland z. B. die Giordano-Bruno-Stiftung oder die „Religionsfreie Zone“ durchführt. Dreistigkeit der Bischöfe bot dabei schon mehrfach gute Angriffspunkte. Die Devise der Freidenker lautet, in der Auseinandersetzung moralisch „Oberwasser“ zu behalten.

Im Juni veranstalten die Freidenker ein „säkulares Gipfeltreffen“ (Secularism Summit).

Zum Schluss hielt Ilving Tabios Zamora eine kurze, kämpferische Ansprache, allerdings zu weiten Teilen in Tagalog, so dass der Autor dieser Zeilen nichts zum Inhalt sagen kann. Er schloss auf Englisch mit den Worten „Wir wären lieber tot in einem Land, das lebt, als lebendig in einem Land, das tot ist.“

Als Andenken erhielten alle Teilnehmer ein ganz spezielles Geschenk: Eine kleinen Anhänger, der – einem lokalen katholischen Brauch folgend – ein Jesuskind mit erigiertem Penis darstellt.

Matthias Krause

Beispielbild
Philippinische FreidenkerInnen