Viel Zustimmung für GerDiA-Forderungen

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Ingrid Matthäus-Maier in Köln

(hpd) Es gab viel Zustimmung, als am Wochenende die Kampagne gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (GerDiA) auf die Straße ging und in 15 Städten Infostände oder Aktionen durchführte. Die weitaus häufigste Reaktion war ungläubiges Staunen darüber, dass heute noch Menschen keine Anstellung finden, weil sie nicht den Vorstellungen der Kirchenfunktionäre entsprechen.

Der „bundesweite Aktionstag“ wurde hauptsächlich getragen von örtlichen Gruppen der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und regionalen Gliederungen des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), vor Ort jedoch kam es zu vielfältiger Zusammenarbeit. In Heidelberg unterstützten die sozialdemokratischen Laizisten den Stand, in Osnabrück war der Humanistische Verband (HVD) mit von der Partie, in München gab es neben dem von der gbs und dem Bund für Geistesfreiheit aufgestellten Pavillon auch einen eigenen Infotisch mit GerDiA-Material, der von der Landesarbeitsgemeinschaft Laizismus der Linken betreut wurde. Dies kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass die säkulare Szene dem Thema verbandsübergreifend Bedeutung beimisst.

GerDiA auf die Straße tragen

Nachdem es in den letzten Monaten mehrfach gelungen war, das Anliegen von GerDiA in den Medien zu platzieren – sowohl MIZ als auch diesseits haben dem Thema eine Schwerpunktnummer gewidmet, Spiegel Online machte seine Berichterstattung über die Atheist Convention mit dem Vortrag der GerDiA-Sprecherin Ingrid Matthäus-Maier auf, in der Financial Times Deutschland konnte sie kurz darauf einen längeren Essay unterbringen –, sollten nun Menschen „auf der Straße“ erreicht werden.

Dies ist, unterstützt durch das schöne Wetter, bei dem die Massen durch die Fußgängerzonen flanierten, rundum gelungen. Schon im Vorfeld hatte es in Stuttgart und Osnabrück Berichte in den lokalen Zeitungen gegeben und am Samstag stießen Plakate, Aufkleber und Faltblätter auf reges Interesse. Natürlich gab es auch ablehnende Stimmen und in Berlin hatte die Standbesatzung den Eindruck, dass allein das Wort „religiös“ die Menschen auf die andere Straßenseite trieb, doch insgesamt überwogen die positiven Reaktionen bei Weitem. In Heidelberg gab es sogar Zustimmung von der Freien Christlichen Gemeinde, die ihre Missionsgesänge in unmittelbarer Nähe des GerDiA-Standes vortrug (und wahrscheinlich für das Seelenheil der Menschen, die hinter diesem standen, betete). In der Ablehnung der Monopolstellung der beiden Großkirchen waren sie sich jedoch mit den Atheisten einig.

Viele Passanten äußerten sich überrascht, dass in Deutschland heutzutage noch derartige, eindeutig dem Geist des Antidiskriminierungsgesetzes zuwiderlaufende Regelungen existieren. Insbesondere Besucher aus dem Ausland, aus Nordafrika, Südamerika oder dem katholischen Spanien, aber auch aus den weitgehend säkularisierten Nachbarstaaten Tschechien und Niederlande, sahen ihr Bild vom demokratischen Deutschland in Frage gestellt. Wer mit einem positiven Vorurteil den Kirchen gegenüber ankam – „als soziale Organisation sind doch gerade die Kirchen besonders arbeitnehmerfreundlich“ –, zeigte sich über die Rechtslage, fehlendes Streikrecht und die sogenannten Loyalitätspflichten erstaunt.

Zustimmung auch aus den Sozialeinrichtungen

Zustimmung kam gerade auch von Menschen, die in Einrichtungen von Caritas und Diakonie arbeiten. Einige berichteten von Mobbing gegenüber Kollegen, die öffentlich über Glaubenszweifel gesprochen hatten, manche nahmen Faltblätter mit, um sie im Kreis der Kollegen weiterzugeben. Wie weit der Eingriff in die Religionsfreiheit geht, machte eine junge Frau klar, die von ihrer Mutter erzählte, die wieder in die Kirche eingetreten war, um einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Teilweise reagierten örtliche Politiker und kamen vorbei. In Heidelberg kamen die GerDiA-Aktivisten mit Vertretern der Piratenpartei ins Gespräch, in Düsseldorf ließen sich Lokalpolitiker der Linken blicken, in Kernen besuchte jemand von ver.di den Stand. Dort schaute auch der Öffentlichkeitsauftragte der Diakonie vorbei und suchte die Diskussion. In München gab es am Stand der LAG Laizismus Grund zum Schmunzeln, als immer wieder Leute, die sich grad eben das GerDiA-Faltblatt durchgelesen hatten, an den nebenan platzierten Pavillon der CSU gingen und nachfragten, was die denn von solchen Zuständen hielten – was die Christsozialen sichtbar in Erklärungsnöte brachte.

Alles in allem kann die Kampagnenleitung auf einen gelungenen Aktionstag zurückblicken, eine derartige Präsenz „auf der Straße“ zeigt, dass die säkulare Szene heute wesentlich handlungsfähiger ist als noch vor einem Jahrzehnt. An den Ständen wurde das Thema – abgesehen vom GerDiA-Plakat – vielfältig verbildlicht. In Mainz war auf einem großen Banner zu sehen, wer alles nicht in „kirchlichen“ Sozialeinrichtungen arbeiten darf, in Düsseldorf gab es die Karikaturen von Jacques Tilly im Großformat und Luftballons. In Frankfurt hatte der hessische Landesverband des IBKA zwei Transparente gestaltet, die als „mobiler Infostand“ durch die Innenstadt wanderten. „Du kriegst keinen Job? Lass dich doch taufen!“ war auf einem zu lesen.
Da war es auch zu verkraften, dass auf der Abendveranstaltung in Köln nicht ganz so viel Leute anwesend waren, wie das Thema verdient gehabt hätte. Im Zweifelsfall, so merkte Referentin Ingrid Matthäus-Maier augenzwinkernd an, gehen die Leute am absehbar letzten sonnigen Sommerwochenende halt doch Grillen.

Am Thema dranbleiben

Die Erfahrung, dass die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger vom kirchlichen Arbeitsrecht und der daraus entstehenden Diskriminierung nichts weiß und mit Ablehnung darauf reagiert, hat viele der Aktivisten dazu motiviert, am Thema dranzubleiben. Auch Kampagnenleiterin Vera Muth sieht die Notwendigkeit, über den Aktionstag hinaus Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Die Berichte aus den Gruppen hätten gezeigt, „dass unsere Forderung, den Antidiskriminierungsbestimmungen auch in kirchlichen Sozialeinrichtungen Geltung zu verschaffen, auf breite Zustimmung in der Bevölkerung stößt – wenn sie denn von der Problematik erfährt“. Daran müsse ebenso weitergearbeitet werden wie es notwendig sei, die Kontakte in die Politik zu intensivieren.

Martin Bauer

Fotos auf dem Folgeseiten