… Keinen Staat, der vor dem Papst kniet

Doch ein weiteres Problem in Bezug auf die Abschreibung eines Teils der Einkommensteuer zugunsten einer Kirche ist, dass der Staat Einkommensteuerzahler in Abhängigkeit von ihrer Gläubig- oder Nichtgläubigkeit, unterschiedlich behandelt, da es eine Art Steuererleichterung ist, die lediglich an ein Finanzierungsziel geknüpft ist. Denn der Staat übermittelt nur das Geld und gibt den Gläubigen die Möglichkeit der Kirchenfinanzierung und der Absenkung der eignen Einkommensteuer. Eine solche Möglichkeit erhalten nichtgläubige Menschen nicht. Das ist gegen die Verfassung, die die Ungleichbehandlung aufgrund eines anderen Glaubens verbietet. Ich habe dem Minister für Öffentliche Verwaltung und Digitalisierung Michal Boni einen Brief geschrieben, in dem ich mich für das gleiche Recht für nichtgläubige Menschen bei der Abschreibung von der Einkommensteuer einsetze.

Was denken Sie über die Einmischung der Kirche in das Abtreibungsrecht?

Es ist Sache der Kirche, welche Meinung sie zum Thema Abreibung hat. Meiner Meinung nach sagt sie zu dazu Dummheiten, aber das ist ihr heiliges Recht und hat außerhalb der Kirche keine Bedeutung. Jedoch interessiert mich der Versuch der Ausübung von Druck des Vatikans auf das Verbot der In-Vitro-Fertilisation in Polen. Hier werden das Konkordat und die internationalen Beziehungen angetastet. Die Bischöfe können als Privatpersonen jede Meinung äußern, jedoch dürfen sie nicht auf den polnischen Staat Druck ausüben und der Staat sollte sich dem entgegensetzen. In einer anderen Situation sind Geistliche andere Glaubensrichtungen, da es dort diese Dualität nicht gibt. Denn die katholischen Bischöfe schwören einem fremden Monarchen Treue und sind Vertreter eines anderen Staates.

Aber die Realien im Land sind andere – es gibt die Einmischung der Kirche. Wie könnte man dieser ihrer Meinung nach entgegentreten? Denn die Kirche spielt zumindest rhetorisch die Rolle des nationalen Patrioten.

Ja, die Kirche hat in ihrem rhetorischen Repertoire solche Proben der Schaffung einer Illusion lokaler Abspaltungen in Form der Episkopate, so etwas in Form von Nationalkirchen. Von einer „polnischen Kirche“ zu sprechen ist jedoch schon an der Grenze zur Unrichtigkeit, da es nur eine katholische Kirche gibt. Der Bischof ist ausschließlich ein Repräsentant des Papstes und auch wenn dieser die polnische Staatsbürgerschaft beibehält, ist er kein normaler Staatsbürger. Er hat besondere Privilegien eines fremden Staates und die polnische Jurisdiktion ist für ihn sehr eingeschränkt – die Unterwerfung der Kirche unter das polnische Recht ist freiwillig.

Eine durchsetzungsstarke Haltung des Staates gegenüber der Kirche und die Überzeugung, dass dieses nicht zu einer Staatskrise und Unruhen führt, könnten zu einem Umbruch führen, nachdem die folgenden Regierungen keine Angst mehr vor der Kirche hätten. Denn die Angst vor der Kirche wird weitergegeben und dauert schon seit der Gründung des polnischen Staates an. Diese bedurfte der Ehrergebung gegenüber der Kirche sowie der Abgabe eines Teils des Landes und der Macht.

Von der anderen Seite hat die Kirche sehr stark darauf geachtet, eine Aura des Lokalen zu schaffen und sie war in einem bestimmten Sinne patriotisch. Das bedeutet: Die Kirche stand immer auf der Seite, die ihr den maximalen Gewinn versprach. Auch in politischen und militärischen Konflikten Polens, vor allem gegen Deutschland, stand die Kirche auf der Seite der stärkeren und zu sich näheren Macht, und zwar zu den deutschen Ländern, an deren Spitze der Deutschordensstaat in Preußen stand, der unmittelbar ein katholischer Staat war. Somit ist die nationale Rhetorik der Kirche sehr beschränkt.

Aber trotz alldem ist die Unterstützung der Kirche in der Gesellschaft sehr hoch. Zum Beispiel gibt es in Polen nur eine Partei, die sich stark gegen die Kirche einsetzt (Palikot-Bewegung) und die eine Zustimmung von lediglich 10 Prozent hat. Das bedeutet, dass wir uns hier schön unterhalten können, aber dennoch wählen die Polen Politiker, die der Kirche nahe stehen.

Ja, die Polen haben eine starke Abneigung gegen scharfen Antiklerikalismus. Zum Beispiel ist das, was ich gerade eben gesagt habe, für den durchschnittlichen Polen ein dramatisch-radikaler Angriff auf die Kirche. Die Erwähnung von Souveränität in diesem Kontext oder die Notwendigkeit eines Audits der Kirchenprivilegien wird als radikal bewertet. Meiner Meinung wäre erst der Entzug aller Privilegien radikal.

Auch wird jeglicher kritischer Diskurs gegenüber der Kirche durch die Polen mit Widerwillen aufgenommen, da die große Mehrheit gläubig ist. Sie sind jedoch nicht katholisch, da sie die Dogmen nicht kennen, nicht an sie glauben und nicht nach ihnen leben. Für die Gläubigen ist die Kirche einfach der Ort, an dem sie ihrem Glauben Ausdruck verleihen: Sie ist wie sie ist und sollte nach Meinung der Gläubigen in Ruhe gelassen werden, da sie sie sehr brauchen, um irgendwo hin zu gehen, um einer höheren Macht zu huldigen.

Man darf auch nicht vergessen, dass die Kirche sich in Zeiten der Volksrepublik als wahre Insel der Demokratie in Szene gesetzt hat.

Das ist wahr. In den 1970er Jahren haben einige Pfarrer der Opposition geholfen. Das ist eine sehr schöne Karte einer sehr unangenehmen Kirchengeschichte. Jedoch war die Anzahl der für die polnische Staatssicherheit arbeitenden Priester um ein vielfaches höher. Und die institutionelle Kirche stellte sich nicht auf die Seite der demokratischen Opposition. Aber viele Priester haben sich auch für diese engagierten und die institutionelle Kirche hat in einigen Fällen sogar geholfen. Auf dieser Grundlage baute man einen Mythos der Kirche, die Polen vom Kommunismus befreite. Die Kirche spielte eine positive Rolle, aber keine Schlüsselrolle. Doch die Absicht der Kirche war es nie, eine liberale Demokratie zu schaffen. Es sollte ein klerikaler Staat errichtet werden, der frei vom Kommunismus ist.

Kommen wir zum Bildungssystem: Gibt es in Polen auch Konkordatslehrstühle?

In Polen werden einige kirchliche Universitäten vom Staat bezahlt. Sogar zu Zeiten des tiefen Kommunismus (1954) hat der Staat im Rahmen von unterschiedlichen Privilegien die Christliche Theologische Akademie Warschau finanziert. Später finanzierte der Staat die Katholischen Universität Lublin und die Päpstliche Universität in Krakau. De facto werden darüber hinaus viele theologische und katholische Abteilungen in weltlichen Universitäten finanziert. Es gibt viele Priester mit einem akademischen Grad, theologische Dozenten sowie Lehrer katholischer Fächer, die durch den Staat finanziert werden.

Gibt es in Polen das Fach Ethik?

Um das Lehren von Religion zu stärken und keine Wahlmöglichkeiten zu schaffen, möchte die Kirche, dass die Wahl zwischen Ethik- und Religionsunterricht verwirklicht wird. Das ist hinterlistig, weil hier die Wahl zwischen eher religiöser und eher liberaler Erziehung vortäuscht wird. Es soll dem Kind aber eigentlich keine Wahl zwischen Freizeit und Religion gegeben werden und damit wird angenommen, dass es viel lieber den Religionsunterricht wählt.

Wenn drüber hinaus der Ethikunterricht in Zukunft in vielen Schulen eingeführt wird, dann bildet die Kirche eigene Ethiklehrer aus, die das Gleiche sagen wie Religionslehrer, nur eben in einer anderen rhetorischen Verpackung. Auf diese Weise erreicht die katholische Propaganda auch die Kinder, die nicht den Religionsunterricht besuchen.