Karl Marx galt nicht Wenigen vor dem politischen Jahr 1990 als säkularer Heiliger - und danach erklärte man ihn relativ schnell zum „toten Hund".
Mittlerweile setzt langsam und zaghaft eine Wiederentdeckung ein, welche den gebürtigen Trierer zu einem frühen Theoretiker der Globalisierung und fortwährend aktuellen Kapitalismuskritiker erklärt. Daher verdienen auch zwei neuere Einführungen in das Werk von Marx Interesse.
Der Dresdener Philosoph Johannes Rohbeck will in seinem schlicht „Marx" betitelten Band die Grundzüge von dessen Denken rekonstruieren und sie undogmatisch neu deuten. Inhaltlich geht es um die Kritik der Ökonomie, Arbeit und Technik, Entfremdung und Ideologiekritik, Moral und Ökonomie, Geschichte und Philosophie. Differenziert und pointiert referiert Rohbeck Marx' Auffassungen zu den genannten Themen und hebt Angemessenheit wie Fehler des Denkers hervor. Zu letzteren gehöre insbesondere die Auffassung vom Kapitalismus als geschlossenem System.
Der in St. Gallen lehrende Historiker Rolf Peter Sieferle springt in seinem Band „Marx zur Einführung" ohne Einleitung mitten in den Stoff hinein: Zunächst geht es um die Orientierung an früheren Ökonomen und Philosophen, danach um die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft und die Tendenzen im Kapitalismus und schließlich um das Verständnis von Revolution und Sozialismus sowie die Wirkung bis in die Gegenwart. Sieferle hebt immer wieder hervor, dass Marx ein prozessualer Denker gewesen sei und kein kohärentes Theoriemodell entwickelt habe. In einer differenzierten Bilanz bescheinigt der Autor, Marx habe hinsichtlich seiner Prognosen für die Entwicklung des Kapitalismus trotz einiger Fehler eine nicht so schlechte Trefferquote erreicht.
Beide Einführungen konzentrieren sich stark auf die ökonomische Lehre von Marx und verlieren sich dabei nicht selten in Details der Auffassungen des Denkers. Rohbeck streift die philosophischen und politischen Komponenten lediglich, Sieferle widmet ihnen mehr Aufmerksamkeit. Beide Bände zeichnen sich durch die hohe Sachkompetenz ihrer Autoren aus und plädieren für eine undogmatische Neuinterpretation. Gerade darin liegt auch der intellektuelle Reiz der Einführungen, die allerdings keine wirklichen Einführungen sind. Es handelt sich eher um von Kennern für Kenner geschriebene Texte.
Armin Pfahl-Traughber
Johannes Rohbeck, Marx, Leipzig 2006 (Reclam-Verlag), 137 S., 9,90 €
Rolf Peter Sieferle, Karl Marx zur Einführung, Hamburg, 2007 (Junius-Verlag), 235 S., 13,90 €