Staatlich-klerikale Verquickung: anachronistisch

Alexander von Pechmann erläutert die Problematik der bayerischen „Konkordatslehrstühle“. Nicht nur hinsichtlich der Besetzung theologischer Lehrstühle, sondern auch bei 21 sozialwissenschaftlichen, pädagogischen und philosophischen Lehrstühlen hat die Katholische Kirche im Freistaat Bayern ein Mitwirkungsrecht. Besetzungen dieser Lehrstühle erfolgen nur, wenn gemäß Artikel 3 § 5 des Bayerischen Konkordats gegen den vorgesehenen Lehrstuhlinhaber „hinsichtlich seines katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist.“

Der Autor zeichnet die Entwicklungen in Bayern zwischen dem Staat und der katholischen Kirche seit 1803 bis in die jüngste Zeit nach: die Einrichtung der Konkordatslehrstühle 1974 stellt einen Ausgleich für die Umwandlung der Bekenntnisschulen 1967 in Gemeinschaftsschulen dar, was von 75 Prozent der bayerischen Eltern gefordert worden war: „Wenn, so der Deal zwischen der CSU-Regierung und dem Vatikan, die Kirche auf ihren Einfluss in den Schulen verzichten muss, dann soll sie dafür ihren Einfluss auf die Hochschulen erweitern.“ resümiert v. Pechmann.

Die neuere Entwicklung: Klagen vor dem Verfassungsgericht und vor Verwaltungsgerichten, die Auseinandersetzung um die Lehrstuhlbewerbung der Philosophin Ulla Wessels, Zweifel der Europäischen Kommission an der Vereinbarkeit der bayerischen Regelung mit der dem Europäischen Antidiskriminierungsrecht und der im Januar dieses Jahres von der „Freisinger Bischofskonferenz“ abgegebene Erklärung des Verzichts auf die Ausübung der Rechte aus dem Konkordat. Dies reiche jedoch nicht aus, da durch den Verzicht auf die Ausübung eines Rechts das Recht selbst nicht beseitigt werde, meint v. Pechmann, sei eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weiter notwendig.

Schließlich erörtert Berno Schuckart-Witsch (ver.di), „Warum in Gottes Häusern gestreikt wird“. Er beleuchtet nicht nur den bedeutenden Bereich karitativer und erzieherischer Tätigkeit in kirchlicher Trägerschaft (Caritas und Diakonie), sondern auch den Kernbereich kirchlicher Tätigkeit, den Verkündigungssektor, in dem etwa 300.000 Personen beschäftigt sind. Bei Caritas ist in den letzten Jahren begonnen worden, Lohnabsenkungen in den unteren Lohngruppen durchzusetzen, im evangelischen Bereich werden vor allem untere Lohngruppen unterhalb des Tarifniveaus im Öffentlichen Dienst entgolten. Insgesamt ist zu verzeichnen, dass „auch in Kernbereichen wie Gesundheitspflege, Altenpflege und Erziehung“ deutlich unter dem geltenden Tarif bezahlt wird.

Schuckart-Witsch erläutert die Situation der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen anhand einer Vielzahl von Daten, benennt die besondere Verantwortung von Kirchlichen Einrichtungen für die Absenkung von Entlohnung und Arbeitsbedingungen in der Sozialwirtschaft, und kommt zu dem Ergebnis: „Die Besonderheit des kirchlichen Arbeitsrechts bedeutet de facto Kostenersparnis für die Kommunen und damit - religiös verbrämte – Wettbewerbsvorteile für die kirchlichen Träger.“, er stellt die Zielsetzungen der Gewerkschaften in diesem Bereich – unter Bewertung des BAG-Urteils von 2012, gegen das Ver.di und Marburger Bund Verfassungsbeschwerde erhoben haben – vor: Abschluss flächendeckender Tarifverträge gegen Lohndumping, wobei zwar Arbeitskämpfe geführt, aber auch Bündnisse „mit einsichtigen, mutigen Kirchenmanagern mit sozialem Gewissen“ für einen Abschluss von Tarifverträgen mit zunächst einzelnen Einrichtungen eingegangen werden sollen.

Insgesamt: lesenswerte Ausführungen mit wichtigem Datenmaterial.

Walter Otte