"Keine Institution ist sakrosankt"

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Der Stephansdom in Wien
Stephansdom in Wien

Auch Kirchen sind nicht "sakrosankt". Es muss endlich mit der typisch österreichischen Schlamperei Schluss sein, die man hierzulande "das kooperative Modell zwischen Kirche und Staat" nennt.

"Sakrosankt“ bedeutet streng genommen "heilig-heilig" und ist ein sogenannter Pleonasmus. Man könnte auch "unantastbar" sagen. Sprachanalytisch ist das Wort "sakrosankt" selbstanwendend und beschreibt die Mechanik der Religion, sich selbst gegen jedweden Einwand logischer oder gesellschaftlicher Art zu immunisieren.

Das bekannteste Beispiel ist das Wort "islamophob". Wer diese Keule ins Spiel bringt, will nicht diskutieren, sondern jede Diskussion abtöten durch die moralische Destruktion des Gegners.

Das Wort "sakrosankt" ist daher in jeder Diskussion als Diskussionskiller zu sehen, es ist in einer Demokratie großartig, wenn sich Persönlichkeiten dafür aussprechen, dass es keine "sakrosankten" Institutionen gibt, wie dies unlängst sowohl der Alt-Bundespräsident Fischer als auch die Ex-Kanzlerin Bierlein getan haben, als der Kanzler Kurz an der Justiz Kritik übte. Reflexartig reagierten die beiden Ex-Politiker und nahmen, wie viele andere, die Justiz in Schutz, sie sprachen sich aber auch dafür aus, dass keine Institution sakrosankt ist!

Dank dieser programmatischen Aussage wissen wir jetzt auch, dass auch die Erfinderin dieser Bewertung, die Kirche als private Körperschaft des öffentlichen Rechts, nicht sakrosankt ist. Schon gar nicht als ein riesiger der Spiritualität gewidmeter Bereich, der in einem säkularen Staat eigentlich in der Politik nichts verloren hat. Dann muss endlich mit der typisch österreichischen Schlamperei Schluss sein, die man hierzulande "das kooperative Modell zwischen Kirche und Staat" nennt. Das schließt ja erst wieder jegliche Kritik an der Institution Kirche aus, die in diesem Land der Gegenreformation seit eh und je eine Kooperation, man könnte auch sagen eine Kumpanei mit dem Staat eingegangen ist und von diesem auch in schlechten Zeiten wie derzeit durchgefüttert wird. Kirche – im Staat doch "sakrosankt"?

Genau das lebt der Staat, der ORF, die Justiz und unter anderem die Bildungspolitik vor. Die Politik denkt nie über finanzielle Zuwendungen an die Kirche nach, selbst in Zeiten der größten Sparzwänge. Die Prüfung von solchen Geldern an die Kirche entfällt automatisch, ist also "sakrosankt". Einmal eingeführt, gibt es daher keine Macht in diesem Land, die solche Ausgaben zur Diskussion stellen kann (wie zum Beispiel den Absetzbetrag des Kirchenbeitrags, der in Summe über 100 Millionen Euro Steuergelder verschlingt!).

Was den ORF anlangt, kennt sich der ORF-Mann Peter Pelinka offenbar bei den kirchenfreundlichen Regelungen gut aus. Die Journalistin Waltraud Prothmann berichtet in einem Pressekommentar vom 11. Januar 2012 Folgendes:

"Den Maulkorberlass im ORF habe ich selbst erlebt: Als ich die Frage nach der politischen Verantwortung des Staates, der die Kirche durch das Konkordat schützt und deckt, stellen wollte, vertröstete mich der Moderator Peter Pelinka auf eine 'spätere Runde' und sorgte dafür, dass sie nicht mehr angeschnitten werden konnte. Nach der Sendung erklärte er mir freundlich, dass es in Absprache mit den Stiftungsräten unerwünscht sei, dieses Thema anzusprechen. Als öffentlich-rechtliche Anstalt sei der ORF gezwungen, kirchenfreundlich zu berichten und Österreich als 'katholisches Land' nicht infrage zu stellen."

Kirche also doch "sakrosankt"?

Bildungspolitik

Seit über zwei Dezennien ist eine große Mehrheit von Lehrern, Eltern und Schülern dafür, den Ethikunterricht für alle einzuführen, ja sogar der dafür verantwortliche Minister Fassmann ist dafür, aber auch er hat keine Chance, wie in dem neuen Buch der Wiener Lehrerin und ehemaligen Ombudsfrau Susanne Wiesinger zu lesen ist. Niemand will sich mit der Kirche anlegen, sie dürfte doch "sakrosankt" sein. Die konservativen Politiker agieren in vorauseilendem Gehorsam im Sinne der "sakrosankten" Agenda: Die fromme Andrea Pinz, Leiterin des Interdiözesanen Amts für Unterricht und Erziehung sowie des Schulamtes der Erzdiözese Wien ist tief besorgt und erklärte, der Ethikunterricht "für alle" würde das Fach Religion verdrängen (laut Wochenzeitung "Die Furche"). Da ist doch etwas "sakrosankt"? Das Schulamt der Erdiözese? Pinz locuta, causa finita?

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