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Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt

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Kinoplakat: filmposter-archiv.de

BERLIN. (hpd) 14 Tage vor den Präsidentschaftswahlen, und der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten soll im Oval Office eine minderjährige Pfadfinderin sexuell belästigt haben. Die Story ist raus, ob sie nun stimmt oder nicht, die Wiederwahl scheint damit ausgeschlossen. In dieser Krise greift das Wahlkampfkomitee zur ultimativen Geheimwaffe: Conrad Brean.

Der berüchtigte Experte für politische Schlammschlachten soll die Sache richten – und die Wiederwahl doch noch sichern. Sein Lösungsansatz: Ein noch größerer Skandal muss her, am besten ein Krieg! Die Polit-Komödie “Wag the Dog” macht sich hemmungslos sowohl über den politischen Wahlkampf in den USA lustig, als auch über die Manipulationsmöglichkeiten durch moderne Medien.

Nur ein Krieg kann die amerikanische Bevölkerung jetzt noch hinter den amtierenden Präsidenten stellen und von seinem “Ausrutscher” ablenken. (Falls Sie sich an die Wiederwahl eines realen Präsidenten unter “ähnlichen” Umständen erinnert fühlen, bedenken Sie bitte, das war nach “Wag the Dog”!)

Breans (Robert De Niro) Problem: Weder gibt es gerade einen passenden Krieg, noch ist einer in den nächsten zwei Wochen zu erwarten. Hinzu kommt, dass ein realer Krieg einfach zu teuer wäre. Doch Brean wäre nicht der ultimative Wahlkampfretter, wenn er sich von solchen Dingen aufhalten lassen würde. Zusammen mit der Beraterin des Präsidenten, Winifred Ames (Anne Heche), heuert er den exzentrischen, egomanischen Hollywood-Produzenten Stanley Motss (Dustin Hoffman) an. Dieser soll einen TV-Krieg produzieren und das nötige Marketing dazu liefern: Ein Slogan muss her, ebenso ein passender Song und natürlich dramatische Nachrichtenclips aus der Kriegsregion. Als Gegner für diesen Medienkrieg wählt Brean Albanien aus, schließlich weiß seine Zielgruppe, also das gemeine amerikanische Volk, so gut wie nichts über dieses Land.

Während Brean mit dem Verkauf von Propaganda-Gimmicks noch die Wahlkampfkasse aufbessert, kommt die Bevölkerung schon langsam in die gewünschte Kriegsstimmung – und vergisst erstmal die Sache mit der Pfadfinderin. Doch leider wittern inzwischen der Gegenkandidat und sein Wahlkampfteam, dass hier etwas nicht stimmen kann. Während der Gegenkandidat des amtierenden Präsidenten öffentlich dementiert, dass die USA sich mit Albanien im Krieg befinden und Albanien fleißig dem angeblichen Krieg im eigenen Land widerspricht, heizen Brean und der Beraterstab des Präsidenten die Kriegspropaganda immer weiter an; allein das Dementieren der (nicht vorhandenen) Gerüchte, der “neue B3-Bomber” würde zum Einsatz kommen, wird von Presse und Nachrichtenagenturen begeistert aufgenommen. Wenn das Weiße Haus das dementiert, muss ja was dran sein! Produzent Motss dreht inzwischen mit Nachwuchsschauspielern vor dem Bluescreen Aufnahmen aus dem Kriegsgebiet Albanien und in ihm wächst die Überzeugung, dass er für diese Meister-Produktion eigentlich einen Oscar bekommen sollte…

“Wag the Dog” erschien 1997, also vor mehr als 15 Jahren. Damals erlebten Verschwörungstheorien (“Die Amerikaner waren nie auf dem Mond” etc.) gerade einen erheblichen Aufschwung und der Film nimmt die Gläubigen dieser “Theorien” auf die Schippe. Doch kommt man auch ins Grübeln, was die Manipulierbarkeit der Öffentlichkeit betrifft. Bei verschiedenen politischen Ereignissen wurden von Nachrichtenagenturen immer wieder auf Parallelen zur Handlung von “Wag the Dog” gesehen; so sah der Deutsche Depeschendienst eine (zufällige) Übereinstimmung zum Sexskandal von Bill Clinton: “Man mag es schier nicht glauben, dass Barry Levinsons neuer Film ‘Wag the Dog’ lange vor der Lewinsky-Affäre fertiggestellt wurde. Es drängen sich so viele Parallelen zwischen filmischer Fiktion und Bill Clintons Sex-Nöten auf, dass man zu dem Schluss gelangt, der Drehbuchautor David Mamet habe vorab Insider-Informationen bekommen oder besitze hellseherische Fähigkeiten.”

Tatsächlich ließ Bill Clinton 1998 während seiner Anhörung zu der Lewinsky-Affäre den Irak bombardieren, verschiedene Medien bezeichneten dies als ein Ablenkungsmanöver. Wer sich diesen Film ansieht, wird danach, zumindest eine Zeit lang, Schwierigkeiten haben insbesondere Fernsehnachrichten anzuschauen ohne sich zu fragen, ob dieser oder jener Beitrag aus einer fernen Region nicht auch in einem Hollywood-Studio gedreht worden sein könnte. Passen Sie also bitte auf, dass Sie durch diese meisterhafte Satire nicht zum Anhänger von Verschwörungstheorien werden.

 

Trailer:

 


Wag the Dog (USA 1997, dt. “Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt”), Regie: Barry Levinson, Darsteller: Dustin Hoffman, Robert De Niro, Anne Heche