BERLIN. (hpd) In offiziellen Statistiken und in Diskussionen ist bisher immer die Rede von 4,9 Prozent Muslimen, die angeblich in Deutschland leben. Das entspräche bei derzeit rund 80 Millionen Bürgern insgesamt einer Zahl von 3,9 Millionen muslimischer Bürger. Laut Forschungsgruppe Weltanschauungen (fowid) beträgt der Prozentsatz muslimischer Mitbürger für 2013 inzwischen nur 4,2 Prozent, das wären dann 3,4 Mill. Muslime.
Die Gültigkeit dieser Zahlen ist unbedingt anzuzweifeln und damit auch die daraus abgeleiteten politischen Folgerungen.
Als Muslim wird in Deutschland – überall in Europa? – grundsätzlich bezeichnet, wer aus einem muslimisch geprägten Land zu uns gekommen ist. Eine solche pauschale Kennzeichnung ist für die registrierende Bürokratie zwar bequem, führt aber zu unsauberen, letztlich falschen statistischen Aussagen.
Eine solche Zuordnung wäre vergleichbar jener, bei der jeder Deutsche, der in ein muslimisches Land geht, dort als Christ gezählt würde. Das wäre eine pauschale weltanschauliche Kennzeichnung, die in sehr vielen Fällen offensichtlich nicht den Tatsachen entspräche. Desweiteren ist zu berücksichtigen, dass nicht wenige Migranten ihre muslimische Heimat verlassen haben, gerade weil sie einer sich totalitär äußernden Religion den Rücken kehren wollten bzw. sich aufgrund einer ablehnenden Einstellung gegenüber dem Islam in Lebensgefahr befanden. Pakistan, Afghanistan, Saudi-Arabien oder Iran, alle diese Länder und weitere sind bekannt für ihre extrem rigide Behandlung von religionskritisch eingestellten Menschen, meist droht ihnen dort die Todesstrafe. Speziell aus dem Iran sind besonders viele Atheisten zu uns gekommen. Viele von ihnen bezeichnen sich sogar explizit als Ex-Muslime. Solche religionskritischen, oft betont areligiösen Zuwanderer pauschal auch als Muslime zu bezeichnen, stellt eigentlich schon Datenfälschung dar.
Schließlich gibt es einen weiteren Aspekt, der die Behauptung, dass 4,9 (bzw. 4,2) Prozent Muslime in Deutschland leben würden, schlicht als eine Unwahrheit kennzeichnet. Hierzu sei auf folgende, andernorts bereits erhobene Daten verwiesen (siehe u.a. fowid.de - Shell-Jugendstudie 2010 – EKD-Erhebung 2014): Viele der knapp 58 Prozent offiziell registrierten deutschen Kirchenmitglieder (ca. 46 Mill.) sind nicht mehr als Christen im Sinne der christlichen Lehre anzusehen. Dieser Befund ergibt sich aufgrund differenzierter Befragungen nach der Akzeptanz solcher Glaubenselemente wie Erbsünde, gekreuzigter Jesus als Erlöser, Dreifaltigkeit Gottes, Wiederauferstehung, Glaube an Hölle und Teufel sowie Aktivitäten wie Kirchgang oder Taufe der Kinder. Nach Umfragen, die die tatsächliche Glaubenstreue erkunden, gelten etwa die Hälfte der eingeschriebenen Kirchenmitglieder inzwischen als weitgehend säkularisiert, das heißt, sie bezeichnen sich nur noch aus Tradition, Gewohnheit oder wegen beruflicher Zwänge als kirchlich bzw. christlich orientiert. Gläubig, das heißt von der Wahrheit wesentlicher Glaubenselemente überzeugt, sind sie nach den oben erwähnten Untersuchungen schon lange nicht mehr.
Vergleichbares gilt für jene, die sich zwar selbst als Muslime bezeichnen, in ihrem Alltagsverhalten sich aber ebenfalls soweit säkularisiert zeigen wie das Gros der Christen inzwischen auch. Sie gehen nicht mehr in die Kirche bzw. Moschee, und der Religionsunterricht für ihre Kinder wird eher wegen der vermeintlichen moralischen Erziehung noch für wünschenswert angesehen, weniger wegen seiner Vermittlung der Kernelemente des ererbten Glaubens. Gleiches gilt für die etwa 200.000 jüdischen Bürger in Deutschland. Von ihnen haben sich ebenfalls etwa die Hälfte schon aus den einst vorgegebenen religiösen Bindungen gelöst.
Die künstlich hoch gehaltenen Zahlen – 58 Prozent (ca. 46 Mill.) "Christen" und 4,9 (bzw. 4,2) Prozent (ca. 3,9 bzw. 3,4 Mill.) "Muslime" – werden von unseren religionsfixierten Politikern bewusst verwendet, um den Eindruck einer tragenden Rolle der Religion in unserem gesellschaftlichen Leben zu suggerieren. Den Muslimen werden daher inzwischen ähnliche Rechte wie den Kirchen eingeräumt: staatlich finanzierte theologische Lehrstühle und Ausbildung von Religionslehrern, staatlich finanzierter Religionsunterricht, in Kürze folgen Sitz und Stimme in Rundfunk- und Fernsehräten, feste Sendezeiten, Finanzierung sozialer Einrichtungen, Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit verbundene Privilegien. Zwecks politischer Durchsetzung solcher Rechte gelten pauschal 4 Millionen Muslime politisch bedeutsamer als etwa nur 2 Millionen. Das wirkliche Glaubensverhalten bzw. die tatsächlichen Zahlen sprechen aber eine andere, realistischere Sprache.
Wir sollten uns nicht mit vorgegaukelten Zahlen hinters Licht führen lassen und immer deutlicher daran erinnern, dass in Deutschland – schon nach herkömmlicher offiziell-statistischer Betrachtungsweise gerechnet – inzwischen fast 37 Prozent konfessionsfreie Bürger leben, das sind etwa 30 Millionen Menschen. Sie fordern zu Recht endlich eine demokratische, das heißt anteilsmäßige Berücksichtigung durch die Politik sowie in den gesellschaftlichen Institutionen wie zum Beispiel in den meinungssteuernden Rundfunk- und Fernsehanstalten.
Geht man jedoch davon aus, dass von den offiziell ausgewiesenen Kirchenmitgliedern nur noch etwa die Hälfte wirklich gläubig im Sinne der offiziellen Lehre ist, wären das – grob gerechnet – nur etwa 23 Mill. gläubige Menschen (statt der offiziell genannten etwa 46 Mill.). Rechnet man 2 Mill. gläubige Muslime dazu und etwa 1,2 Mill. Anhänger anderer Religionen, ergibt das 26,2 Millionen tatsächlich religiös eingestellte Menschen. Bei etwa 80 Millionen Bürgern in Deutschland bilden die Religiösen somit gerade einmal – wiederum grob gerechnet – 33 Prozent. Die Nichtreligiösen bzw. religiös Gleichgültigen kämen als Differenz zu 100 Prozent somit auf 67 Prozent oder etwa 54 Millionen Bürger – das wären zwei Drittel der Bevölkerung!
Selbst wenn man berücksichtigt, dass unter den Konfessionsfreien durchaus Menschen sein könnten, die zwar offiziell keiner Religionsgemeinschaft angehören (wollen), dennoch gläubig sind, darüber hinaus noch viele Menschen einem vagen Gottesglauben ohne irgendeine institutionelle Bindung anhängen, folgt aus obigen Überlegungen die Einsicht, dass in Deutschland eine deutliche, wenn nicht die große Mehrheit der Bevölkerung hinsichtlich ihrer weltanschaulichen und lebensweltlichen Orientierung weder durch die Politik noch durch die öffentlichen Medien, noch gar durch die Kirchen vertreten wird.
Es wird daher höchste Zeit, mit der Zwecklüge aufzuräumen, die Bevölkerung Deutschlands sei immer noch mehrheitlich kirchlich und gläubig orientiert. Die längst überfällige Trennung von Staat und Religion sollte von unseren Politikern – trotz ihrer Religionshörigkeit – anerkannt und endlich vollzogen werden. Die Konfessionsfreien im Lande sollten allerdings auch endlich begreifen, dass sie nur dann die Chance haben, gehört und beachtet zu werden, wenn sie sich deutlicher öffentlich artikulieren. Das kann durch Beitritt in eine der inzwischen zahlreichen Organisationen für Humanisten, Konfessionsfreie oder Atheisten erfolgen oder durch Unterstützung einer Partei, die sich betont von den existierenden kirchen- und religionsorientierten Parteien abhebt, wie sie CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE derzeit darstellen, wobei auch DIE LINKE eine klare religions- und kirchendistanzierte Einstellung vermissen lässt.