Ausländerfeindlichkeit und Unvereinbarkeiten

fes-studie.jpg

Bild: Titelblatt der FES-Studie (Ausschnitt)

BERLIN. (hpd) "Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen." (Theodor W. Adorno, Erziehung zur Mündigkeit, 1971) Leider ist diese Forderung immer noch aktuell: Jeder zehnte Bürger der Bundesrepublik Deutschland hält eine Diktatur für erstrebenswert, jeder Dritte Deutsche hält die BRD für „Überfremdet“ bzw. ist ausländerfeindlich eingestellt.

 

Dies besagt eine kürzlich im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichte Studie: „DIE MITTE IN DER KRISE. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“. Untersucht wurde mittels statistischer Umfragen von über 2.400 repräsentativ ausgewählten Personen zwischen 14 und 90 Jahren die Häufigkeit verschiedener Einstellungen, die zum übergeordneten Begriff des Rechtsextremismus gezählt werden können, so z.B. Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus oder die Position zur Demokratie.

In der Mitte der Gesellschaft

Mit den Auswertungen räumt die Studie auch mit einem traditionellen Klischee auf: Der Rechtsextremismus tritt eindeutig auch in „der Mitte der Gesellschaft auf, nicht nur in der Unterschicht. Dies gilt gerade für den Antisemitismus; insgesamt sind knapp 10 Prozent der Deutschen antisemitisch eingestellt. Während aber die Zahl der Antisemiten bei den Arbeitslosen bei „nur“ 2,1 Prozent liegt, liegt sie bei den z.B. Erwerbstätigen bei 7,1 Prozent.

Auch die Zugehörigkeit zur Kirche in Bezug auf Rechtsextremistische Einstellungen wurde in der Studie untersucht. Interessant ist hier das Ergebnis: Wo „bedingungslose Nächstenliebe“ gepredigt und nach außen als Wert hochgehalten wird, war in jeder Kategorie, egal ob katholisch oder protestantisch, der Anteil der Rechtsextremisten höher als bei den Konfessionslosen – gleichgültig ob es z.B. um Ausländerfeindlichkeit, Befürwortung einer Diktatur oder um die Verharmlosung des Nationalsozialismus ging.

Nicht mit dem Grundgesetz vereinbar

Ein weiteres Ergebnis dieser Umfrage ist, dass sich über 50 Prozent der Deutschen in Bezug auf den Umgang mit Ausländern (insbesondere Muslimen) Vorgehensweisen wünschen, die nicht mit dem Grundgesetz der BRD vereinbar sind. Auch wenn es dagegen erst einmal beruhigt, dass über 90 Prozent der Befragten die Demokratie als geeignete Staatsform betrachten, so hat sich ebenfalls herausgestellt, dass dagegen nur ungefähr jeder Dritte mit ihrer momentanen Umsetzung in der BRD zufrieden ist. Das Ergebnis hieraus kennt man seit Jahren – auch wenn es in dieser Studie noch einmal mit einer aktuellen Zahl genannt wird:

Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland halten es mehr als 93 Prozent für sinnlos, sich politisch zu engagieren. Dass gerade Unzufriedenheit mit aktuellen Umständen zu einem aktiven Engagement führen sollte sieht man in Deutschland scheinbar genau so wenig, wie dass ebengerade diese Einstellung es ist, die eine solche Situation nur weiter festigt. Der Verzicht auf die eigene Mündigkeit schwächt die Demokratie in hohem Maße, wie ein Anfangs zitierter Aufklärer detailliert beschrieb; er erklärte die Mündigkeit der Bürger sogar als Grundvoraussetzung einer funktionierenden Demokratie.

Allgemein wird nun gewarnt, die Anzahl derjenigen Deutschen, die rechtsextremistische Meinungen vertreten, sei im letzten Jahr drastisch gestiegen. Vergleicht man allerdings die Ergebnisse mit denen der Studie aus dem Jahr 2002 sind die Werte kaum unterschiedlich.

Nora Langenbacher von der Friedrich-Ebert-Stiftung nannte die Ergebnisse der Studie ein „Alarmsignal für Politik und Gesellschaft.“ Zweifellos ist es das, allerdings hören wir dieses „Alarmsignal“ nun wirklich nicht zum ersten Mal. Aus den Ergebnissen dieser Studie mag man vielseitige und verschiedenste Schlussfolgerungen ziehen können – eines aber steht fest: Sie ist eindeutig eine Bestätigung für den Auftrag, die Wichtigkeit sowie die Dringlichkeit der aufklärerischen Bewegung. "... denn Rettung der Aufklärung ist unser Anliegen" (Horkheimer und Adorno über die Elemente des Antisemitismus.)

Nicolai A. Sprekels