MASTERSHAUSEN. (hpd) Vor fünf Jahren, genau am 15. April 2004, wurde die Giordano Bruno Stiftung (gbs) offiziell als Stiftung anerkannt. Aus diesem Anlass trafen sich am vergangenen Wochenende in Mastershausen Aktivisten der gbs, um Bilanz zu ziehen und über die künftige Entwicklung der Stiftung zu beraten.
„Wir haben in den vergangenen Jahren weit mehr erreicht, als wir erwarten durften“, erklärte Stiftungsgründer Herbert Steffen. „Offensichtlich war die Zeit reif für eine solche Organisation. Der erstaunliche Erfolg der Stiftung belegt, dass viele Menschen heute das Bedürfnis haben, eine zeitgemäße Alternative zu den bestehenden Religionen zu entwickeln.“
2004-2005: Die erste „religionsfreie Zone“, das Manifest und fowid
Erstmals öffentlich in Erscheinung trat die Stiftung im Mai 2004 durch die Ausrichtung eines eindrucksvollen Festakts zum 80. Geburtstag des Schriftstellers und Kirchenkritikers Karlheinz Deschner („Kriminalgeschichte des Christentums“) in Haßfurt. Im darauf folgenden September fand in Köln in Kooperation mit dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) eine erste wissenschaftliche Tagung mit dem Titel „Wissen statt Glauben!“ statt, in deren Rahmen der amerikanische „Entzauberer“ James Randi für seine aufklärerischen Verdienste mit dem IBKA-Preis ausgezeichnet wurde.
Der mediale Höhepunkt im Folgejahr 2005 war zweifellos die Veranstaltungsreihe „Religionsfreie Zone: Heidenspaß statt Höllenqual!“ anlässlich des katholischen „Weltjugendtags“ in Köln, die mit einem Papst-Dinosaurier-Wagen von Jacques Tilly und einem frech grinsenden schwarzen Schaf („Bild des Tages“ bei NTV) international für Aufsehen sorgte.
Zudem fand 2005 die Tagung „Leitkultur Humanismus und Aufklärung“ (wiederum in Kooperation mit dem IBKA) statt, auf der die Stiftung ihre eigene Position „jenseits von Fundamentalismus und Beliebigkeit“ erläuterte. Von großer Bedeutung für die Stiftung war außerdem das Erscheinen des mittlerweile über 30.000 mal verkauften „Manifest des evolutionären Humanismus“ im Oktober 2005, das die grundlegenden Positionen der gbs zusammenfasste, sowie der Start der „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ (fowid), die seither auf dem Portal www.fowid.de verlässliche empirische Daten über die weltanschauliche Verfasstheit der Gesellschaft zugänglich macht.
2006: Karikaturenstreit, Ursula von der Leyen und der hpd
2006 reagierte die Stiftung auf den „Karikaturenstreit“ mit einer Petition wider die Versuche, die Rechte der Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit aus Rücksicht auf religiöse Borniertheit einzuschränken. Außerdem startete die gbs als Reaktion auf Ursula von der Leyens „Bündnis für Erziehung“ eine „Kampagne gegen die religiöse Fundierung von Erziehung und Bildung“.
Im Juni 2006 rief die Stiftung gemeinsam mit dem „Internationalen Komitee gegen Steinigungen“ zum Protest gegen die Todesstrafe auf, die gegen die 18jährige Nazanin Fatehi im Iran verhängt wurde. (Tatsächlich konnte Nazanin durch den internationalen Widerstand gerettet werden und kam dank des „Blutgeldes“, das im Zuge der Kampagne gesammelt wurde, Anfang 2007 frei).
Das wichtigste Ereignis des Jahres war zweifellos der Start des Humanistischen Pressedienstes, der im Oktober 2006 von der gbs und dem Humanistischen Verband Deutschland (HVD) im Berliner Rathaus offiziell vorgestellt wurde. Schon innerhalb kürzester Zeit avancierte der hpd aufgrund seiner breiten Berichterstattung und vielen Millionen Seitenaufrufen zum wichtigsten Organ der säkularen Szene in den deutschsprachigen Ländern.
Zudem war die Stiftung an der „Religionsfreien Zone 2006“ anlässlich des Papstbesuchs in München aktiv beteiligt (Kooperation mit dem bfg München) sowie Mitorganisatorin der Tagung „Es gibt nichts Gutes – außer man tut es“ in Berlin, die sich mit „Praktischem Humanismus in Deutschland“ beschäftigte.
Darüber hinaus meldete sich die gbs immer wieder politisch zu Wort. So kritisierte sie die Vorschläge, Muslime in die Medienräte zu bringen, Konfessionsfreie jedoch weiterhin zu ignorieren. Auch wehrte sie sich gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, Muslimen das Schächten von Tieren in Deutschland zu genehmigen.
2007: Ex-Muslime, Dawkins und der „neue Atheismus“
2007 stellte die gbs im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin den „Zentralrat der Ex-Muslime“ und dessen Kampagne „Wir haben abgeschworen!“ vor. Die Kampagne sorgte weltweit für Schlagzeilen, da sich nie zuvor ehemalige Muslime in dieser Offenheit dazu bekannten, dem Islam abgeschworen zu haben – eine Handlung, für die der Koran die Todesstrafe vorsieht.
Ansonsten stand das Jahr 2007 unter dem etwas verwirrenden Schlagwort „Der neue Atheismus“. Im Fernsehen, Radio sowie in den Printmedien wurde ausführlich über den vermeintlichen „Kreuzzug der neuen Atheisten“ debattiert. Dabei kamen im deutschsprachigen Raum vor allem gbs-Vertreter, insbesondere Michael Schmidt-Salomon und Carsten Frerk, zu Wort. Ausgelöst wurde der beträchtliche Medienhype, der der gbs u.a. einen Artikel im „Spiegel“ einbrachte, maßgeblich durch den Erfolg des Buchs „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins, der im Oktober 2007 im Rahmen eines feierlichen Festakts in Frankfurt mit dem „Deschner-Preis“ der Giordano Bruno Stiftung ausgezeichnet wurde.
Letzter Höhepunkt des Jahres 2007 war eine Veranstaltung am 1. Dezember in Köln zu den Möglichkeiten fortschrittlicher Islamkritik mit Mina Ahadi, Günter Wallraff und Ralph Giordano, die es bis in den ARD-Jahresrückblick schaffte.
2008: Giordano Bruno, das kleine Ferkel und der neue Humanismus
Das Jahr 2008 begann ähnlich turbulent, wie 2007 endete. Ursula von der Leyens Bundesfamilienministerium hatte auf Anregung der katholischen Kirche beantragt, das von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke verfasste Kinderbuch „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ auf den Index der jugendgefährdenden Medien zu setzen. Die gbs startete daraufhin gemeinsam mit dem Alibri Verlag die Aktion „Rettet das kleine Ferkel!“.
Wenige Tage vor der erfolgreichen Verteidigung des Buchs vor der Bundesprüfstelle in Bonn war die Stiftung gemeinsam mit der Deutschen Bahn, dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, der Humboldt-Universität Berlin und der Central-European-University Budapest Mitveranstalterin der „Giordano Bruno-Tage“ in Berlin, in deren Zentrum die Aufstellung von Alexander Polzins „Giordano Bruno Denkmal“ am Potsdamer Platz, im Herzen der Hauptstadt, stand. Ansonsten bemühte sich die gbs 2008, die öffentliche Aufmerksamkeit vom „neuen Atheismus“ auf den „neuen Humanismus“ zu lenken. So beteiligte sie sich an der Tagung „Neuer Atheismus und moderner Humanismus“ in Berlin (in Kooperation mit der Humanistischen Akademie Berlin“) und dem Symposium “Der neue Humanismus – Wissenschaftliches Menschenbild und säkulare Ethik“ in Nürnberg (gemeinsam mit turmdersinne gGmbH).
Außerdem war die gbs eine der Initiatorinnen der „Kritischen Islamkonferenz“, die in deutlicher Abgrenzung zu fremdenfeindlichen Rechtspopulisten unter dem Motto „Aufklären statt verschleiern!“ für eine weltoffene, humanistische Islamkritik warb.
2009: Darwin, Mixa und die wundersame Welt der Religioten
Das aktuelle Jahr steht im Zeichen des 200. Geburtstags Charles Darwins und des 150. Jubiläums der Veröffentlichung seines wegweisenden Buchs „Über die Entstehung der Arten“. Um den Diskurs über die Evolutionstheorie voranzutreiben, betreibt die Stiftung in Kooperation mit der AG Evolutionsbiologie im „Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin“ das umfangreichste Webportal zum Darwin-Jahr www.darwin-jahr.de. Außerdem richtete die Stiftung in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt einen großen Festakt zu Ehren des Begründers der modernen Evolutionstheorie aus.
Für besondere Aufmerksamkeit sorgte die kurz darauf gestartete gbs-Kampagne „Evolutionstag statt Christi Himmelfahrt“, in deren Zuge die von Ricarda Hinz im Auftrag der gbs produzierten Videos „Children of Evolution“ und „Susi Neunmalklug erklärt die Evolution“ (ein lustiger Trailer zu dem neuesten Kinderbuch von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke) der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.
Rund um den „Evolutionstag“ (20.-22. Mai) wird die gbs in diesem Jahr gemeinsam mit turmdersinne ein prominent besetztes Symposium zu den weltanschaulichen Konsequenzen der Evolutionstheorie im Nürnberger Planetarium organisieren, an dem neben zahlreichen gbs-Vertretern u.a. der Philosoph und Bestsellerautor Richard David Precht („Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“) teilnehmen wird.
Neben dem großen Thema „Evolution“ stehen 2009 selbstverständlich auch andere Inhalte auf der Tagesordnung der gbs. So präsentierte die Stiftung unter Beteiligung der gbs-Beiräte Ralf König und Esther Vilar Ende März im Berliner „Babylon“ in Zusammenarbeit mit dem Central-Film-Verleih die offizielle Deutschland-Preview des neuen Films des „Borat“-Regisseurs Larry Charles „Religulous“, den Michael Schmidt-Salomon als „abenteuerliche Expedition in die wundersame Welt der Religioten“ empfahl.
Außerdem unterstützte die gbs die „säkulare Buskampagne“ in Deutschland, die trotz aller Absagen öffentlicher Verkehrsbetriebe, wie es heißt, ganz gewiss noch in diesem Jahr laufen wird.
Auch in den Streit um die konservative Initiative „Pro Reli“, die sich gegen den verbindlichen gemeinsamen Ethikunterricht in Berlin einsetzt, mischte sich die gbs ein, indem gbs-Vorstandssprecher Schmidt-Salomon zahlreiche Interviews in den Medien gab. Und natürlich reagierte die Giordano Bruno Stiftung auch in aller gebotenen Deutlichkeit auf die neuesten Entgleisungen des Bischof Mixa, der sich in seiner Osterpredigt zu der absurden Aussage verstiegen hatte, ausgerechnet „Gottlosigkeit“ habe die Gräuel des in Wirklichkeit so ungemein „gottgläubigen“ Nationalsozialismus heraufbeschworen.
„Es bleibt noch viel zu tun!“
„Die letzten fünf Jahre waren sehr turbulent, haben aber unglaublich viel Spaß gemacht! In meinem gesamten Leben habe ich nicht so viele kluge, interessante, humorvolle Menschen kennen gelernt wie in dieser kurzen Zeit“, resümiert Stiftungsgründer Herbert Steffen. Doch auch wenn die Stiftung eines ihrer Hauptziele mittlerweile erreicht hat, nämlich als „Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung“ gesellschaftlich etabliert zu sein, „kann das für uns kein Grund sein, in irgendeiner Weise abzuheben“, sagt Steffen.
„Trotz aller Erfolge stehen wir noch ganz am Anfang. Als ich kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung las, das Neue am neuen Atheismus sei das Geld, das aus Mastershausen fließt, musste ich herzhaft lachen. Offenbar wollte der Verfasser suggerieren, dass die gbs nur dank enormer Geldmittel und nicht wegen ihrer guten Argumente und deren mediengerechter Verpackung in kürzester Zeit so erfolgreich war. Es heißt zwar ‚Ohne Geld ist alles nichts’, aber deswegen ist Geld ja noch lange nicht alles! Wir haben bislang eine erstaunliche Resonanz erfahren, aber das geschah nicht wegen der vermeintlichen Geldströme aus dem Hunsrück, sondern trotz unserer recht bescheidenen finanziellen Möglichkeiten. Angesichts der beschränkten Ressourcen, über die wir verfügen, können wir leider viele Dinge, die wir als förderungswürdig einschätzen, nicht in die Praxis umsetzen. Gute Ideen haben wir zwar zu Genüge, doch nicht immer die Mittel, um diese auch zu realisieren. Das wollen wir in den nächsten Jahren ändern. Es bleibt noch viel zu tun!“
Elke Held