REGENSBURG. (hpd) Im Rechtsstreit der Diözese Regensburg gegen regensburg-digital.de (Az 325 O 153/10) findet morgen, Dienstag 11.1.2011, vor dem Landgericht in Hamburg die Verhandlung statt. Die Kritik an der katholischen Kirche soll dem Bürger als so kostspielig und riskant erscheinen, dass er auf die Wahrnehmung seiner Grundrechte besser verzichtet.
Zu der anstehenden Verhandlung erklärt der Bund für Geistesfreiheit (bfg) Regensburg: „Morgen wird das Hamburger Gericht, bei dem die Diözese das Verbot der kritischen Berichterstattung beantragt hat, darüber entscheiden, ob die Grundrechte der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit von der Katholischen Kirche eingeschränkt werden dürfen. Die offenkundige Absicht der Diözese, durch die Strafandrohung von 250.000 Euro und entsprechend hohe Anwalts- und Gerichtskosten (etwa 10.000 Euro) den Journalisten Stefan Aigner von regensburg-digital wirtschaftlich zu ruinieren, belegt, dass die katholische Kirche wieder versucht, die Justiz dazu zu missbrauchen, ihr den Status einer über dem Grundgesetz stehenden ("gottgegebenen") Körperschaft einzuräumen. Die Kritik an der katholischen Kirche soll dem Bürger als so kostspielig und riskant erscheinen, dass er auf die Wahrnehmung seiner Grundrechte besser verzichtet.“
„Auch wenn das Gericht die Klage der Diözese abweist, wird Stefan Aigner die Folgen der kirchlichen Einschüchterung und Bedrohung zu tragen haben. Dabei wird ihm der bfg Regensburg mit Rat und Tat zur Seite stehen, damit er seine kritische Berichterstattung uneingeschränkt fortsetzen kann. Die Diözese Regensburg fordern wir auf, sich an das Grundgesetz zu halten und die ‚Zensur durch Existenzbedrohung’ zu unterlassen.“
Derzeit ist es der Redaktion von regensburg-digital bei einer Strafandrohung von bis zu 250.000 Euro (ersatzweise bis zu zwei Jahren Haft) untersagt, in Zusammenhang mit einem Missbrauchsfall in der Diözese Regensburg und der daraufhin getroffenen „Entschädigungsregelung“ einen bestimmten Eindruck zu erwecken.
„Schweigen gegen Geld“
So hatte das Magazin DER SPIEGEL unbeanstandet im September 2007 berichtet: „Mit unmoralischen Angeboten hart am Rand der Legalität hatte die Kirche versucht, einen Kinderschänder im Talar zu schützen - so konnte er sich offenbar wieder an Ministranten vergreifen.“
Konkret wurde Stefan Aigner wegen eines Kommentars vom 7. März 2010 zunächst von der Diözese abgemahnt; eine andere Formulierung, die daraufhin als Kompromiss unterbreitet wurde und welche die Aussage noch deutlicher als Meinungsäußerung kennzeichnet, traf ebenfalls nicht auf das Wohlwollen der Diözese. Stattdessen erhielt regensburg-digital.de vom Landgericht Hamburg eine Einstweilige Verfügung. Daraufhin legte die Redaktion Widerspruch gegen die Einstweilige Verfügung ein. Die Diözese Regensburg reichte Klage in der Hauptsache beim Landgericht Hamburg ein, über die nun am 11. Januar verhandelt wird.
Dagegen wehren kann sich die Redaktion allein aufgrund der breiten Solidarität von Bloggern und Journalistinnen, die über den Fall berichtet und von Leserinnen und Lesern, die sie mit über 10.000 Euro unterstützt haben. Bislang wurden von regensburg-digital 2.221,41 Euro an Rechnungen für Gerichts- und Rechtsanwaltskosten bezahlt.
Für bemerkenswert hält es die Redaktion, dass die Diözese Regensburg es bislang immer noch nicht geschafft hat, wenigstens einen Zwischenbericht zu den Fällen von körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt zu veröffentlichen.
Stattdessen verweist das Bistum im Internet aktuell auf einen Artikel der katholischen Nachrichtenagentur kath.net und formuliert dazu folgende Kurzfassung:
„Forensischer Psychiater und Gutachter Hans-Ludwig Kröber bei Montagsakademie in Paderborn über Missbrauchsdebatte: Bisher nur Altfälle und praktisch keine neuen Vorfälle – Medien mussten bei der Suche immer weiter zeitlich zurückgehen.“
Just von der Diözese Regensburg klingt das wie glatter Hohn – drei Beispiele:
2002 wurde hier der Pfarrer von Georgenberg, Franz K., von Eltern angezeigt, die ihm vorwarfen, ihren Jungen sexuell missbraucht zu haben. Beim folgenden Prozess in Weiden wurde er 2003 wegen Missbrauchs von zwölf Jungen und Veruntreuung von Kirchengeldern zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
2006 wurde Johann P., ehemals Pfarrer von Falkenberg, wegen sexueller Nötigung eines 16jährigen zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt.
2008 wurde Peter K., damals Pfarrer in Riekofen, wegen sexuellen Missbrauchs ebenfalls zu drei Jahren verurteilt. Er war bereits wegen sexuellen Missbrauchs eines Jungen in Viechtach im Jahr 1999 einschlägig vorbestraft.
Schere im Kopf
Erwin Schmid, der Vorsitzende des bfg Regensburg, berichtet dazu aus eigener Erfahrung: „Die Schere im Kopf schneidet vorbeugend, selbst nach einem gewonnen Prozess. Auch gegen mich wurde 1994 von der katholischen Kirchenstiftung Tegernheim, vertreten durch den ehrwürdigen Herrn Pfarrer Franz Listl ein Antrag auf eine einstweilige Verfügung gestellt.
500.000.— DM Ordnungsgeld sollte auch ich zahlen für jeden Fall der Zuwiderhandlung, wenn ich wieder behaupte, dass es beim Schutzengelkindergarten nicht mit rechten Dingen zugeht. Dabei wird selbst auf der 4. Seite dieses Antrages zugegeben, dass Spenden in der Buchhaltung nicht als Einnahmen erfasst wurden.
Zwar musste die Klägerin die Kosten des Verfahrens tragen, denn: 'Es war dem Verfügungsbeklagten als Gemeindemitglied unbenommen, diese Vorgänge der Staatsanwaltschaft zur Prüfung gegen unbekannt vorzulegen, von dieser Strafanzeige die Presse zu unterrichten und in diesem Zusammenhang seine Meinung zu äußern. Der Verfügungsklägerin mag hierzu eine presserechtliche Gegendarstellung zugestanden haben, einen Unterlassungsanspruch gegen den Verfügungsbeklagten hat sie nicht.' (Aktenzeichen 3 O 2262/94 Landgericht Regensburg) Trotzdem äußere ich seit dieser Klage nicht mehr so ungezwungen meine Meinung.“
C.F.