Skeptisch, wenn sich der Löffel biegt

ROSSDORF. (GWUP) Wissenschaftler untersuchen Übersinnliches und Fragwürdiges. 

 

Den „siebten Sinn" beschwören Astrologen, Wahrsager

und Heiler. Verschwörungstheoretiker machen Gläubigen die komplizierte Welt plausibel. So einfach geht das nicht, finden die „Ghostbuster" der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e. V. (GWUP) Sie sind gegenüber Übersinnlichem skeptisch und fordern den wissenschaftlichen Beweis.

Zum 20jährigen Jubiläum der GWUP sprach Jutta Weiß von der Journalistenakademie München mit Vorstandsmitglied und Buchautor Bernd Harder.

 

Die GWUP wurde am 11. Oktober vor zwanzig Jahren gegründet, die Regionalgruppe München existiert seit Januar dieses Jahres zehn Jahre, die Berliner Regionalgruppe bald 15 Jahre. Feiern Skeptiker überhaupt?

Ja, natürlich feiern wir gerne. Skeptizismus heißt ja nicht, dass man völlig vertrocknet und nur rational ist.

 

Gab es besonders unsinnige Begebenheiten in Ihrer Zeit als GWUP-Vorstandsmitglied?

Unsere Psi-Tests gehören zu den herausragenden Aktivitäten, die wir an der Würzburger Universität durchführen. Es können sich Leute bei uns melden, die davon überzeugt sind, dass sie eine übersinnliche Begabung haben. Noch nie ist dieser Test bestanden worden, aber das Seltsame ist, die Teilnehmer lassen sich auch von hieb- und stichfesten Gegenbeweisen nicht in ihrer Überzeugung erschüttern. Gängig sind etwa Ausreden wie: „Ich habe vergessen, mein Handy auszuschalten, und die Strahlung hat den Versuch beeinträchtigt."

 

Karl Lagerfeld gab kürzlich in einem Interview zu, alle zwei Jahre eine türkische Hellseherin aufgesucht zu haben. Beispielsweise sagte sie ihm das genaue Todesdatum seines Vaters voraus. Wie kommentieren Sie das als Skeptiker?

Wenn man in so einem Fall quasi eine Ferndiagnose stellt, ohne selbst dabei gewesen zu sein, kommt man natürlich schnell in den Ruf eines Dogmatikers, der eh alles ablehnt, was nicht sein darf. Wir hatten aber durchaus schon die Gelegenheit, ähnliche Fälle genau zu rekonstruieren. Meistens kommt heraus, dass das keine Vorhersagen sind, sondern Nachhersagen. Das heißt: Der Klient stellt im Nachhinein eine Verbindung zwischen den vagen und beliebig interpretierbaren Aussagen der Wahrsagerin und einem späteren Ereignis her.

 

Folglich sind Wahrsager, Astrologen oder Heiler keine sinnvollen Lebensberater?

Sie tragen zur Lebensberatung nichts bei. Kein Wahrsager, kein Astrologe hat wirklich Zugriff auf ein höheres Wissen, sondern sie operieren mit ganz irdischen und nachvollziehbaren Mechanismen. Das hat viel mit Menschenkenntnis zu tun - allerdings ohne dass diese Leute eine psychotherapeutische Ausbildung hätten oder in irgendeiner Weise dazu befähigt wären, anderen Menschen Ratschläge bei wichtigen Entscheidungen oder Weichenstellungen zu erteilen. Man bekommt beim Wahrsager oder Astrologen keine brauchbaren Empfehlungen, sondern nur die eigenen Ängste, Befürchtungen und Erwartungen etwas umformuliert zurückgespiegelt, ohne wirklich auf eine Lösung zu kommen.

 

Das Münchner Meinungsforschungsinstitut iconkids & youth hat herausgefunden, dass jeder zweite Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren an den Einfluss von Sternen und Horoskopen glaubt. Steckt dahinter Orientierungslosigkeit?

Ja, auf jeden Fall. Es gibt zum einen den Wunsch, sich selbst kategorisieren zu können. Die Astrologie sagt einem ja ganz konkret: Du bist Waage, also bist du so und so und so. Damit haben sie großen Erfolg. Zum anderen gibt es das Bedürfnis nach Orientierung, also dass irgendetwas über einem ist, das Macht hat und wonach man sich richten kann.

 

Sie schreiben in einem Ihrer Bücher: „Die Anziehungskraft zwischen einem Säugling und einer Hebamme ist rund eine Million Mal größer als die Gravitation der Planeten unseres Sonnensystems". Das klingt sehr anschaulich.

Es klingt aus wissenschaftlicher Sicht überzeugend, aber die Astrologen sind natürlich nicht so unbedarft, dass sie darauf keine Antwort hätten. Genauso wie die Homöopathie aus medizinischer und pharmakologischer Sicht völlig unhaltbar ist, ist es die Astrologie in der astronomischen und physikalischen Betrachtung. Es gibt keine Kraft, weder aus dem Kosmos noch sonst woher, die die komplexen Erbanlagen von Menschen beeinflussen könnte. Und weil die Astrologen das natürlich auch wissen, erklären die meisten von ihnen ihr Metier einfach zu einem astralen Symbolsystem.

 

Apropos Homöopathie. Die GWUP hat eine Auflistung haarsträubender Inhaltsstoffe zusammengestellt. Bei „Nabelschnur des Schweins", „Eiterflüssigkeit aus Krätzebläschen" oder gar „Bettwanzen" dreht sich einem der Magen um, oder?

Den wenigsten, weil sie das ja gar nicht wissen. Viele Anhänger und Anwender meinen, Homöopathie sei irgendwas Natürliches. Dass das mit Pflanzenmedizin, also seriöser Phytotherapie, gar nichts zu tun hat, hat sich noch nicht herumgesprochen. Folglich fragt auch kaum jemand nach, was in Homöopathika eigentlich drin ist oder was es überhaupt damit auf sich hat. Leider sagen das auch die homöopathischen Ärzte und Therapeuten ihren Klienten nicht - wozu sie eigentlich verpflichtet wären.

 

Eine Million Dollar für den wissenschaftlichen Nachweis über ein paranormales Phänomen verspricht der James-Randi-Preis. Wer ist James Randi?

James Randi ist ein amerikanischer Zauberkünstler und Illusionist. Ihn hat geärgert, dass Leute wie Uri Geller simple Zaubertricks vorgeführt, aber behauptet haben, es handele sich um echte übersinnliche Fähigkeiten. Also hat er eine Stiftung gegründet und Geld gesammelt, bis er eine Million zusammen hatte. Mit dieser runden Summe fordert er vermeintlich paranormal Begabte zu einem Test unter streng kontrollierten wissenschaftlichen Bedingungen heraus. Leider stellen sich die Stars der Szene dieser Herausforderung nicht. Sie werden schon wissen, warum.

 

Würden Sie denn Ihre skeptische Haltung denn aufgeben, wenn jemand den Randi-Test bestehen würde?

Das ist eine sehr gute Frage, die auch bei den Skeptikern kontrovers diskutiert wird. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass eines Tages einfach mal ein besserer Illusionist als James Randi auf den Plan tritt und den Challenge meistert - mit einem Trick, den noch nie zuvor jemand gesehen hat.

Gut, aber nehmen wir an, es handele es sich um eine völlig unverdächtige, durch und durch integre Person, die etwas tatsächlich Unerklärliches zeigt. Das ist noch nie vorgekommen, aber ich denke, dann würde zumindest eine weitere und umfangreichere Forschung zu diesem Phänomen einsetzen müssen, als sie der Randi-Test an sich leisten kann. Möglicherweise würde sich dann herausstellen, dass etwa unsere heutige Physik unvollständig ist. Eine spannende Sache.

 

Jutta Weiß